Keine leichte Zeit
Ungewohnte Trainingssituation für die Judo-Kaderathleten

Kraft- und Konditionstraining sind der aktuelle Alltag von Marie Heeb. | Foto: Judo Club
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  • Kraft- und Konditionstraining sind der aktuelle Alltag von Marie Heeb.
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Hennef/Eitorf - Aufgrund der „Coronasituation“ musste auch der Eitorfer Judo
Club/Judo Club Hennef vor einigen Wochen den gesamten Sportbetrieb
einstellen. Für die Judoka bedeutete dies, ihr Training komplett auf
Heimtraining umzustellen. Auch wenn in diesen Tagen der Sport wieder
„hochgefahren“ werden kann, bleibt abzuwarten, wann in einer so
kontaktreichen Sportart wie Judo wieder annähernd normal trainiert
werden kann. Um uns einen Einblick in die Situation seiner
Kaderathleten Marie Heeb (Platz 1 Rangliste NRW), Maxim Taran
(Deutscher Meister U18), Alexander Neihs (Deutscher meister U21) und
Moritz Plafky (qualifiziert für die Olympischen Spiele in Tokio)
zugeben, hat der Verein mit den jungen Sportlern Interviews geführt
und uns zur Verfügung gestellt:

Wie war das für dich, als aufgrund der Coronakrise der gesamte
Sportbetrieb eingestellt wurde?

Marie: Das war für mich irgendwie unwirklich und ich habe dies
anfangs gar nicht richtig realisiert, weil ich mitten in der
Wettkampfsaison war. Und ich habe mir natürlich Sorgen gemacht, wie
lange kein Training und keine Wettkämpfe stattfinden werden. Alle
Nominierungen für Europa Cups waren plötzlich hinfällig und
jegliche Trainingsstruktur fehlte.

Maxim: Ich war sehr traurig. Und auch irritiert, denn zu diesem
Zeitpunkt war ich gerade in der aktuellen Wettkampfvorbereitung auf
eines der größten Wettkämpfe in Deutschland. Dort treten die besten
Wettkämpfer der ganzen Welt an. Ge-wicht musste gemacht werden. Das
war echt hart. Was nun, habe ich gedacht, fällt jetzt alles aus?

Alex: Ich war zu dem Zeitpunkt verletzt und konnte daher
sowieso noch nicht auf der Matte mit meinen Kollegen trainieren.
Trotzdem war es für mich eine Art Schock als ich dies hörte. Zuerst
konnte ich nicht glauben, dass Sport verboten sein sollte!

Moritz: Es war ein sehr komischer Moment. Denn zu dem Zeitpunkt
befand ich mich zur Wettkampfvorbereitung auf einem Trainingscamp in
Georgien. Es war eine neue Situation und ich musste so schnell es geht
nach Deutschland ausgeflogen werden. Hier hieß es dann, dass wir
nicht mehr trainieren dürfen. Der Deutsche Judo Bund hat dann sehr
schnell neue Reglungen für uns gefunden.

Was hat sich für dich geändert?

Marie: Ich mache jetzt täglich Heimtraining nach eigenen
Trainingsplänen. Das bedeutet sehr viel Selbstdisziplin und
optimistisch in die Zukunft schauen. Ich habe einen klar
durchstrukturierten Tag und einen Wochenplan, der immer wieder
angepasst wird.

Maxim: Alles. Kein Training, keine Schule. Jetzt musste
improvisiert werden. Und dazu musste ich mir einige Hanteln und
Gewichte kaufen. Mein neuer Trainingsplatz ist momentan der Garten.

Alex: Ich wollte eigentlich so langsam mein Techniktraining in
Angriff nehmen und hatte mein Comeback auf der Matte geplant. Dazu
braucht man Übungspartner. Das fällt jetzt weg und ich bin
gezwungen, alles alleine zu Hause zu organisieren. Gott sei Dank hatte
ich schon jede Menge Trainingsmaterial zu Hause. Von Judomatten über
eine Hantelbank bis zu Trainingsbändern und Gewichten. Aber einiges
musste ich mir trotzdem dazu kaufen. Auch eine Wurfpuppe habe ich mir
angeschafft.

Moritz: Ich habe jetzt Zeit, an meinen Defiziten arbeiten. Das
heißt also, dass ich zurzeit sehr viel Krafttraining absolviere. Zu
Hause natürlich. Außerdem bin ich nun seit Wochen an einem einzigen
Ort, bei meiner Familie. Das habe ich sonst nie, weil ich immer mit
der Nationalmannschaft in verschiedenen Trainingslagern unterwegs bin.
Und es fühlt sich im Moment ungewohnt positiv an.

Wie sieht dein derzeitiges Training aus und wer unterstützt
dich dabei?

Marie: Durch Ausdauer-und Intervallläufe arbeite ich an meiner
Kondition, auch mit dem Rennrad bin ich jetzt öfter unterwegs und
bringe somit Abwechslung in mein Konditionstraining. Ich mache
Krafttraining mit der Langhantel, Kurzhantel und dem Medizinball.
Judospezifisches Zirkeltraining mache ich sehr regelmäßig, dafür
nutze ich zum Beispiel Terrabänder oder hänge meine Judojacke an das
Treppengeländer im Haus. Einmal wöchentlich ist auch digitales
Training mit dem Landestrainer. Am meisten unterstützt mich dabei
meine Familie, vor allem meine Schwester und meine Mutter.

Maxim: Ich trainiere täglich zwischen eineinhalb und zwei
Stunden. Meinen Trainingsplan habe ich mit meinem Vater zusammen
erstellt. Montags und freitags mache ich ein Konditionslauftraining.
Die anderen Tage baue ich Kraft auf. Ab und an findet aber auch ein
eher leichtes Regenerationstraining statt. Meine Eltern und mein
Bruder trainieren oft gemeinsam mit mir.

Alex: Hart! Zweimal täglich mache ich Muskelaufbautraining,
hauptsächlich für den Oberkörper. Zusätzlich dazu gehe ich
mehrmals in der Woche zur Reha. Diese kooperiert mit dem
Olympiastützpunkt am Bundesleistungszentrum in Köln, sodass ich dort
einige verletzte Judoka treffe. Dort werden spezielle Dehn- und
Stabilisationsübungen für die Beine gemacht. Mit dem
Konditionstraining kann ich jetzt so langsam erst starten. Momentan
nutze ich dafür einen Hometrainer. Aber in zwei bis drei Wochen
beginnt mein Lauftraining. Wenn es meine Zeit zulässt, nehme ich am
Live Online Training mit meinem Landestrainer Andreas Tölzer teil. Am
meisten trainiere ich mit meinem Bruder und meiner Mutter. Hin und
wieder kommt ein Freund vorbei. Zusätzlich unterhalte ich mich per
Telefon mit meinem Heimtrainer Kamen Kasabov über ,gute alte
Zeiten‘, um meine Motivation hoch zu halten.

Moritz: Mein Heimverein hat mir circa 30 Judomatten zur
Verfügung gestellt, auf denen ich in unserer Scheune trainieren kann.
Zusätzlich dazu habe ich mich nun mit einer Langhantel und etlichen
Gewichten ausgestattet. Demnächst erhoffen wir Judoka uns eine
Lockerung, sodass wir zu zweit unser Training wieder aufnehmen
können. Ansonsten mache ich auch noch viel Konditionstraining. Sehr
viel arbeite ich eigenverantwortlich über Trainingspläne, die der
Bundestrainer individuell angepasst hat und mit
Online-/Livetrainingsangeboten der Bundes-und Landestrainer.

Was wünscht du dir für die kommenden Monate?

Marie: Dass bald wieder Training mit meinem Trainer Kamen
Kasabow stattfindet, sowie auch das Training im Bundesleistungszentrum
Köln. Falls die restliche Wettkampfsaison in das zweite Halbjahr
verlegt wird, wünsche ich mir so viel Trainingsvorlaufzeit, dass es
faire Wettkämpfe werden. Ansonsten freue ich mich auf eine
Wettkampfvorbereitung ohne Unterbrechung für das nächste Jahr.

Maxim: Am meisten wünsche ich mir die Normalität zurück.
Also gemeinsames Judotraining und Schule.

Alex: Ich vermisse meine Freunde und Trainingspartner. Und ich
wünsche mir, dass ich bald wieder auf Wettkämpfe und Trainingscamps
gehen kann.

Moritz: Dass alle gesund bleiben und schnell wieder die
Normalität für uns alle kommt.

Moritz, War dir bewusst, dass Olympia verschoben werden könnte
und bleiben die Olympia-Nnominierungen stehen für nächstes
Jahr?

Moritz: Ja, das war uns allen ziemlich schnell bewusst, denn
man kann bei Olympia nicht ohne vorheriges Training kämpfen. Eine
kleine Hoffnung blieb zwar, aber das hat sich ja dann erledigt.Die
Nominierungen bleiben stehen. Aber wenn die Wettkampfsaison wieder
startet, verlängert sich die Qualifikation, sodass 50 Prozent der
Ergebnisse neu dazu addiert werden. So hat vielleicht jemand anders
noch eine Chance auf Olympia 2021.

Kraft- und Konditionstraining sind der aktuelle Alltag von Marie Heeb. | Foto: Judo Club
Alexander Neihs beim Muskelaufbautraining für den Oberkörper. | Foto: Judo Club
Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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