Ein neues Automobil-Verständnis
Prof. Stefan Bratzel zur „Transformation der Branche"

- Direktor des Center of Automotive Management (CAM) ist Prof. Dr. Stefan Bratzel, der das Institut im Jahr 2004 gründete.
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Auto-Mobilität und Verkehr stehen derzeit vor großen
Veränderungen. „Das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren
eine immer stärkere Bedeutung in der Automobilindustrie gewonnen“,
sagt Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive
Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Im Mittelpunkt steht die
Transformation der Automobilindustrie.
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Im Zuge des durch die EU festgesetzten Klimaziels bis 2030 werden bis
zu diesem Zeitpunkt 50 bis 60 Prozent der Neuzulassungen elektrische
Fahrzeuge sein. Aber auch mit Blick auf die Kunden spiele das Thema
Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. „Die Automobilhersteller müssen
dafür sorgen, dass ihre Fahrzeuge aus Kundensicht immer mehr als
nachhaltige Fahrzeuge wahrgenommen werden“, betont Bratzel.
Der dritte Aspekt betrifft die gesamte Wertschöpfung von der
Gewinnung der Rohrstoffe über die Verarbeitung in der Produktion bis
hin zur Nutzungsphase und dem Recycling. Diese gesamte Kette müsse
nachhaltig werden. „Da sprechen wir über ökologische
Nachhaltigkeit, aber auch ökonomische Nachhaltigkeit des
Unternehmens“, so Bratzel weiter. Hinzu komme die soziale
Nachhaltigkeit.
Die Rolle des E-Autos mit Blick auf die Mobilitätswende schätzt der
Politikwissenschaftler so ein: „Irgendwann wird das E-Auto auch
abgelöst werden, wenn man 100 Jahre in die Zukunft schaut. Im Zuge
der Transformation der Branche spielt das E-Auto aber jetzt eine
entscheidende Rolle. Ich spreche hier vom batteriebetriebenen Auto.“
Dies stelle einen Paradigmenwechsel im Antrieb dar. Der
Verbrennungsmotor werde bis auf Nischen aussterben. Zumindest was die
Neufahrzeugzulassung angeht, prognostiziert Prof. Dr. Bratzel. Mehr
E-Autos bedeuten aber auch einen steigenden Strombedarf. Dieser könne
nur durch regenerativen Strom abgedeckt werden. „Aber wir haben ja
schon jetzt einen hohen Anteil an regenerativer Energie“,
kommentiert der CAM-Direktor die Situation.
Wichtig sei des Weiteren eine intakte Ladeinfrastruktur sowohl in der
Dichte als auch in der Qualität. Wer privat eine Wallbox habe, sei
für den Regionalverkehr ganz gut ausgestattet. In den Städten dürfe
nicht zur Parkplatzsuche noch die Suche nach Ladestationen
hinzukommen. Prof. Bratzel plädiert dafür, viertelnahe
„Ladeparks“ einzurichten.
„Ich fand es nicht erstaunlich, dass die Nachfrage nach E-Mobilität
so angestiegen ist. Aber die Automobilindustrie hatte lange das Thema
Ladestruktur nicht im Blick.“ Hier sieht Prof. Bratzel
Handlungsdefizite der Hersteller, außerdem bemängelt er die
mangelnde Koordination. Stärker in den Fokus rückt die
Mobilitätsdienstleistung der Autohersteller. Ob Connect-Server oder
Sharing, er erwartet mehr Engagement der Hersteller. „Das Rückgrat
in den Städten muss aber der öffentliche Personennahverkehr
beziehungsweise der Radverkehr sein und nicht Autos, auch wenn sie
geteilt werden“, resümiert Prof. Bratzel.
- Angelika Koenig
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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