Heran, heran wer lesen kann
Engelina Köster (73) leitet den inklusiven LEA-Leseklub

Gruppenbild mit "Lese-Engel" Engelina Köster (Mitte): Die Mitglieder der Schreibwerkstatt Blattgold.  | Foto: Anja Schimanke
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  • Gruppenbild mit "Lese-Engel" Engelina Köster (Mitte): Die Mitglieder der Schreibwerkstatt Blattgold. 
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Das Interview führten Christiane Becker, Cedric
Eichner,
Ralf Faßbender, Bettina Hoppe, Jessica
Reinhard, Jochen Rodenkirchen, Susanne Sasse und Isabel Schatton unter
der Leitung der Journalistin Anja Schimanke. 

„Jeder kann bei uns mitmachen, auch die, die nicht lesen können!“
ALLE 2 WOCHEN AM FREiTAG FREUEN WiR
UNS AUF DEN LEA-LESEKLUB.
LEA BEDEUTET LESEN EiNMAL ANDERS.
DA LESEN WiR ZUSAMMEN
MiT ENGELIna köster Bücher in leichter sprache.
5 Leute von Blatt-Gold sind dabei: Jessica, Susanne, Cedric, Isabel &
Joschi.

Engelina Köster ist seit 5 Jahren Leiterrin im LEA Leseklup. Sie
liest zusammen mit Behinderten Menschen Bücher. Engelina ist 73 Jahre
alt und es macht ihr viel spaß mit den Leuten zu lessen. Engelina
macht das alles Ehrenamtlich weil es einfach schön ist zu Lesen. Alle
2 wochen findet der LEA Leseklub stat und zwar von 17-18:Uhr. Wer lust
hat kann mitmachen.

Blatt-Gold:Hallo Engelina, wenn du zum LEA-Leseklub gehst,
liest du auch gerne Bücher?

Engelina: Ich lese so viele Bücher, das könnt ihr euch nicht
vorstellen. Ich habe zu Hause eine Riesenwand voller Bücher, Bücher,
Bücher …

Blatt-Gold:Wie viele Bücher hast du denn?
Engelina Köster: Hunderte und mehr. Und weil ich so viel lese,
müsste ich ständig neue Bücher kaufen. Inzwischen lese ich Bücher,
die ich irgendwann schon einmal gelesen habe, als ich jünger war, und
stelle fest, dass es heute ganz anders ist. Ich lese ein neues Buch,
obwohl es ein altes Buch ist. Das ist eine interessante Entdeckung.

Blatt-Gold:Und was ist das Interessante daran?
Engelina Köster: Daran sehe ich, dass ich ein anderer Mensch
bin, als ich vor 50 Jahren war.

Blatt-Gold:Weil du die Geschichten jetzt ganz anders
interpretierst!?

Engelina Köster: Total!

Blatt-Gold:Das ist ja heute eine ganz andere Welt.
Engelina Köster: Ja, und ich bin auch ganz anders. Früher
habe ich Bücher auf Inhalt gelesen, da wollte ich wissen, was als
nächstes passiert. Da ich noch ungefähr weiß, was im jeweiligen
Buch passiert, interessiert mich heute mehr, wie der Autor schreibt,
sein Stil, seine Figuren und wie er es anstellt, mich zu faszinieren.

Blatt-Gold:Was war dein erstes Buch, das du gelesen
hast?

Engelina Köster: Oha, das war ein Schneiderbuch und hieß
„Heran, heran, der lesen kann“ – das weiß ich noch, wie heute.
Das Buch war weiß, hatte so eine Art Plastikdeckel und Kinder sind da
auf einem Hund geritten. 

Jochen Rodenkrichen: Mein erstes Buch war ein Märchenbuch.
Das habe ich noch.

Ralf Faßbender:Ich hatte mal ein Buch von der Rockgruppe
„Queen“ und ein Witzebuch und ein Buch über „Dick & Doof“.
Oder ich habe Bücher von meiner Mutter gelesen, wenn sie noch
arbeiten war und ich schon schulfrei hatte. Da habe ich mir einfach
ein Buch genommen, so Liebesromane.

Blatt-Gold:Warum macht dir lesen Spaß?
Engelina Köster: Ich habe Spaß an der Sprache, wie ein Autor
etwas formuliert und beschreibt. Mir machen auch die Figuren Spaß,
von denen es unzählige gibt und jede ist anders und manchmal
vergleiche ich sie mit mir selber. Lesen ist bereichernd, das heißt,
dass ich nach dem Buch ein Stück reicher bin als vorher.

Blatt-Gold: Welche Bücher lest ihr im LEA-Leseklub?
Engelina Köster: Wir - meine Kollegen und ich, versuchen immer
Bücher zu finden, die in einfacher Sprache geschrieben sind. Die
Bücher von Stefi Geihs haben wir alle gelesen; sie gefallen uns
besonders gut.

Isabel Schatton:Wir haben auch das Buch von Andrea Lauer
gelesen, „Olga und Marie“.

Engelina Köster: Genau. Das sind zwei Frauen, die sich lieben.
Diese Geschichte hat einen Preis bekommen, den LEA-Lesepreis. Es gibt
nicht nur einen LEA-Leseklub in Frechen, sondern überall in
Deutschland und alle Leseklubs haben Manuskripte zum Lesen zugeschickt
bekommen und fanden diese Geschichte am besten.
Susanne Sasse:Du liest vor und ich lese nach, weil ich kann
nicht lesen.

Engelina Köster: Genau, einer liest ein Stück vom Satz vor
und der andere wiederholt das und liest so - wir nennen das
Spiegellesen. Zum Teil haben wir so gelacht, weil Susanne den Satz
schon ergänzt hat ohne zu wissen, wie er weitergeht und hat was
Passendes gesagt, auch wenn das dort gar nicht stand. Das ist doch
genial! Weil sie schon im Blick hatte, wie es weitergeht.
Jochen Rodenkirchen:Ich kann kaum lesen, also ein bisschen
kann ich lesen, aber nicht gut und beim Leseklub hab ich besser Lesen
gelernt. Ich verhasple mich manchmal, das ist aber nicht schlimm.

Engelina Köster: Ja, man merkt schon, dass ihr Übung habt und
ein Lernfortschritt stattgefunden hat – ich bin echt von den Socken!
Isabel Schatton:Ich muss lesen lernen, ich habe zu Hause
mehrmals gelesen, die ganzen Bücher durch, alles, alleine ohne
Eltern.

Engelina Köster: Ja, Isabel ist sehr fleißig. Fleiß gehört
dazu, wer besser lesen lernen will.
Jochen Rodenkirchen:Und Mut!
Engelina Köster: Und Mut haben, einfach los und fleißig
lesen.
Isabel Schatton:Am Anfang habe ich Bücher ausgeliehen
gekriegt von der Engelina und ich darf die Bücher nach Hause nehmen
und dann habe ich nicht mehr aufgehört. Ich liebe lesen gerne, ich
bin da drin. Weil ich mehr lesen kann, zu Hause, ich lese das durch
bis das Buch zu Ende ist.

Blatt-Gold:Dauert das lange?
Isabel Schatton:Nö!
Blatt-Gold:Wann liest du?
Isabel Schatton: Abends.
Engelina Köster: Im Leseklub lesen wir nicht alle Kapitel,
spielen dafür Szenen aus dem Buch nach und jede*r schlüpft in eine
Rolle.

Blatt-Gold: Wie kamst du auf die Idee mit dem Leseklub?
Engelina Köster: Ich kam nicht auf die Idee, sondern Martin
Bock von der Gold-Kraemer-Stiftung. Er hat im Internet vom
KuBus-Verlag gelesen, der die Bewegung des LEA-Leseklubs ins Leben
gerufen hat und mich gefragt, ob ich einen solchen Leseklub in Frechen
machen möchte. Ich mache das nicht alleine. Es habe liebe Kollegen,
auch Ehrenamtler wie ich, die mich und meine Leser unterstützen.

Blatt-Gold: Kann jeder beim LEA-Leseklub mitmachen?

Engelina Köster: Ja, jeder kann mitmachen, auch die, die nicht
lesen möchten, sondern gerne Geschichten zuhören, mitspielen oder
mitdiskutieren möchten. Der Klub ist offen für alle. Jeder ist
willkommen. Und ich lese mit denen, die da sind.

Blatt-Gold: Was machst du in deiner Freizeit?
Engelina Köster: Ich spiele gerne Golf, obwohl ich mich da oft
ärgere, da ich so schlecht spiele. Und ich lese viel Zeitung, und
manchmal steht ihr da von Blatt-Gold drin. Ansonsten mache ich mein
Ehrenamt, zum Beispiel den LEA-Leseklub. Ich war die erste
Ehrenamtlerin und bin sozusagen die Uroma des Ehrenamtes (lacht).
Inzwischen koordiniere ich zusammen mit Jürgen Grans andere
Ehrenamtler der Stiftung, von denen wir mittlerweile über 40 haben.
Ralf Faßbender:Ich arbeite auch ehrenamtlich als
Moderator, zum Beispiel bei der Weihnachtsfeier oder beim Tag der
Begegnung.

Blatt-Gold:Den LEA-Leseklub machst du seit 5 Jahren. Was
ist in den Jahren mit dir passiert, hast du dich dadurch
verändert?

Engelina Köster: Ja, und wie! Ihr erinnert euch an das Buch
„Wir gehören dazu“ und an das Zauberwort Inklusion? Wir haben
darüber gesprochen, was Inklusion ist. Der LEA-Leseklub ist zum
Beispiel inklusiv, weil jeder dazugehört, ob er lesen kann oder
nicht. Am Anfang hatte ich etwas Angst, weil ich Menschen mit
Behinderung nicht so gut kannte. Durch den LEA-Leseklub hat sich das
geändert und nicht nur das: Ich habe euch kennengelernt, mag euch …

Blatt-Gold:Lieben gelernt hast du uns …
Engelina Köster: Ja, genau, lieben ist das richtige Wort.

Blatt-Gold: Lieben Einmal Anders – das bedeutet LEA
auch.

Engelina Köster: Ja, ihr seid wirklich eine enorme
Bereicherung.
Applaus. 

Mehr Infos über die LEA-Leseklubs gibt es hier: 

http://www.kubus-ev.de/lea-leseklub

Alles
zum LEA-Leseklub in Frechen

Gruppenbild mit "Lese-Engel" Engelina Köster (Mitte): Die Mitglieder der Schreibwerkstatt Blattgold.  | Foto: Anja Schimanke
Interviewtermin mit Engelina Köster: Auch Susanne Sasse (rechts) und Isabell Schatton waren dabei. | Foto: Anja Schimanke
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