201 Millionen Jahre alte Unterwasserechse
Ältester Plesiosaurier war guter Schwimmer

Die Wissenschaftler Tanja Wintrich und Prof. Dr. Martin Sander von der Universität Bonn begutachten das Skelett von Rhaeticosaurus im Labor des LWL-Museums für Naturkunde in Münster. | Foto: Yasuhisa Nakajima
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  • Die Wissenschaftler Tanja Wintrich und Prof. Dr. Martin Sander von der Universität Bonn begutachten das Skelett von Rhaeticosaurus im Labor des LWL-Museums für Naturkunde in Münster.
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Bonn - Plesiosaurier waren ganz besonders effektive Schwimmer. Diese
längst ausgestorbenen „Paddelechsen“ vollführten in den Weiten
des Weltmeeres den sogenannten „Unterwasserflug“ – ähnlich
Meeresschildkröten oder Pinguinen. Paläontologen der Universität
Bonn haben nun zusammen mit Kollegen aus Japan und Frankreich den
bislang ältesten Plesiosaurier beschrieben: Er stammt aus dem
Erdzeitalter der Trias und ist rund 201 Millionen Jahre alt. Das
Journal „Science Advances“ berichtet nun über die Ergebnisse.

Mit ihren Flossen ruderten die Plesiosaurier nicht kräftezehrend
gegen das zähe Wasser an, sondern glitten elegant wie mit Flügeln
dahin. Der kleine Kopf saß auf einem langen, strömungsgünstigen
Hals. In dem gedrungenen Körper sorgten starke Muskeln für
ausdauernde Bewegungen. Dagegen war im Vergleich zu anderen
Unterwasserechsen der Schwanz recht kurz, weil sie ihn kaum für den
Vortrieb brauchten. „Dieses evolutive Design war sehr erfolgreich,
trotzdem entstand es nach dem Aussterben der Plesiosaurier aber nicht
wieder neu“, sagt der Paläontologe Prof. Dr. Martin Sander vom
Steinmann-Institut der Universität Bonn.

Die längst verschwundenen Paddelechsen hätten es hinsichtlich ihrer
Fortbewegung vermutlich leicht mit heute noch lebenden Wassertieren
aufnehmen können. Während zum Beispiel Meeresschildkröten
hauptsächlich ihre kräftigeren vorderen Extremitäten für den
Vortrieb nutzen, setzten die Plesiosauriern alle ihre vier Paddel
gleichzeitig ein und sorgten somit für einen wirkungsvollen Schub.
Über einen Panzer wie die Schildkröten verfügten die Urtiere, die
von Fischen lebten, aber nicht. Zahlreiche Fossilien zeugen von der
weltweiten Verbreitung der Plesiosaurier im Erdzeitalter des Juras und
der Kreide.

Ein Privatsammler entdeckte das Fossil in einem Steinbruch

Ein ganz besonderes Exemplar entdeckte der Privatsammler Michael
Mertens im Jahr 2013 bei Arbeiten in einer Tongrube in Westfalen und
rettete es vor dem Bagger. Die anschließende Einschätzung durch das
LWL-Museum für Naturkunde in Münster ergab, dass es sich um eine
Unterwasserechse aus der noch älteren Trias handeln könnte. Diese
Nachricht erreichte den Saurierforscher Prof. Sander von der
Universität Bonn bei einem Forschungsaufenthalt in Los Angeles.
„Ich hielt das zunächst für unwahrscheinlich, da seit rund 300
Jahren Plesiosaurier wissenschaftlich beschrieben werden, aber noch
kein einziges Exemplar aus der Trias dabei war“, berichtet Sander.
Erst durch die sehr gute Zusammenarbeit zwischen Privatsammler,
Bodendenkmalpflege, Museum und Wissenschaftlern habe dieser
herausragende Fund beschrieben, eingeordnet und publiziert werden
können, so der Paläontologe. Die genaue Untersuchung durch die
Doktorandin Tanja Wintrich vom Steinmann-Institut der Universität
Bonn ergab tatsächlich, dass es sich um den mit rund 201 Millionen
Jahren bislang ältesten Plesiosaurier und den einzigen aus den
geologischen Schichten der Trias-Zeit handelt.

Das Fossil bringt es auf eine Körperlänge von 237 Zentimeter. „Es
ist ein vergleichsweise kleineres Exemplar“, sagt Wintrich. Die
Wissenschaftler tauften das besondere Fossil auf den Namen
„Rhaeticosaurus mertensi“: Während der erste Begriff dem Rhät
als jüngste Abteilung der Trias geschuldet ist, weist der zweite
Namensbestandteil auf den Entdecker hin. Eine Knochenprobe von diesem
Fossil untersuchten die Wissenschaftler der Universität Bonn mit
ihren Kollegen vom Naturgeschichtlichen Museum in Osaka, von den
Universitäten Osaka und Tokyo sowie vom Naturhistorischen Museum in
Paris. Im Computertomografen „durchleuchteten“ sie zunächst die
Probe und fertigten von besonders interessanten Abschnitten
Dünnschliffe für die Mikroskopie an.

Wissenschaftler untersuchten die Wachstumslinien im Knochen

Anhand der Wachstumslinien des Knochens erkannten die Forscher, dass
es sich um ein schnellwachsendes Jungtier gehandelt haben muss. Sie
verglichen die Befunde mit Dünnschliffen anderer junger Plesiosaurier
aus Jura und Kreide. „Bis zur Geschlechtsreife wuchsen die
Plesiosaurier offenbar sehr schnell“, fasst Sander das Ergebnis
zusammen. Der Paläontologe wertet dies als einen deutlichen Hinweis
auf Warmblütigkeit. Die Plesiosaurier waren damals überall im Meer
verbreitet. „Da sie selbst in kältere Zonen vordrangen, mussten sie
ihre Körpertemperatur konstant halten können“, sagt der
Paläontologe. Wegen ihrer Warmblütigkeit und ihrer effizienten
Fortbewegung seien sie extrem erfolgreich und weit verbreitet gewesen
- bis sie zusammen mit den Dinosauriern von der Erdoberfläche
verschwanden. Sander: „Wahrscheinlich führten ein
Meteoriteneinschlag und Vulkanausbrüche zu einem globalen
Ökosystemkollaps.“

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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