Kommunalwahl im September
Interview mit Herbert Reul zu den Corona-Auswirkungen

Herbert Reul, Innenminister des Landes NRW. | Foto: NRW
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NRW - Die Diskussion, ob der Wahltermin am 13. September 2020 noch
„haltbar“ ist, nimmt durch die Corona-Auswirkungen an „Fahrt“
auf. 17,93 Millionen Menschen leben in Nordrhein-Westfalen. Über 14
Millionen davon sind im September zur Kommunalwahl aufgerufen, ihre
Stimme abzugeben. Wir haben mit NRW-Innenminister Herbert Reul über
die aktuelle Ausgangslage und seine Einschätzungen gesprochen.

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Wahlberechtigt sind bei der Kommunalwahl in NRW über 14 Millionen
Menschen - Deutsche sowie Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten,
die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, mindestens seit dem
16. Tag vor der Wahl im Wahlgebiet wohnen oder sich sonst gewöhnlich
aufhalten und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Als Folge der
Corona-Krise hat sich mittlerweile aber eine Diskussion über die
Beibehaltung des Wahltermins am 13. September 2020 entwickelt.
NRW-Innenminister Herbert Reul nimmt Stellung zum Wahltermin, einer
möglichen Verschiebung und der Durchführung der Kommunalwahl als
reine Briefwahl. 

Gehen Sie davon aus, dass die Kommunalwahl NRW aus heutiger Sicht
(Stand 27. April) am 13. September stattfinden wird?

Die Debatte über die Verlegung der Kommunalwahl ist verständlich,
wird aber oft sehr oberflächlich geführt. Zunächst ist klar: Unsere
Demokratie muss weiterhin funktionieren. Dazu gehört natürlich, dass
die Menschen wählen – und zwar zu verlässlichen Terminen. Corona
stellt uns alle aber vor neue Probleme. Die Frage ist: Wie können wir
sicherstellen, dass diese Wahlen einerseits juristisch ordnungsgemäß
und andererseits für jeden Bürger zumutbar durchgeführt werden? Die
eigentlichen Sorgen mit der Kommunalwahl kreisen dabei gar nicht so
sehr um den Wahltag selbst: Bis zum 13. September ist es schließlich
noch recht lange hin. Für die Parteien und Wählerbündnisse ist
vielmehr der 16. Juli ein kopfschmerzbereitendes Datum. Bis zu diesem
Tag müssen Wahlbewerber nämlich alle erforderlichen Unterlagen beim
Wahlamt eingereicht haben. Das sind Kandidatenlisten oder auch
Unterstützerunterschriften. Dazu braucht man aber zeitintensive
Aufstellungsversammlungen, die coronabedingt bislang vielerorts nicht
stattfinden konnten. Das alles in den kommenden Monaten noch
nachzuholen, ist nicht ganz einfach. Die Verschiebung der Kommunalwahl
ins Frühjahr 2021, von der man ab und zu in der Zeitung liest, ist
aber verfassungsrechtlich sehr problematisch. Ganz einfach, weil die
Politiker sich nicht einfach so ihre Amtszeiten verlängern können
sollen. Ist ja logisch. Und dann gibt es noch die Möglichkeit, die
Wahlen nur um ein paar Wochen zu verschieben. Mit der Hoffnung, dass
dann die Corona-Lage besser ist als heute. Außerdem würde der Druck
auf die Aufstellungsversammlungen so verringert. Das wird alles jetzt
sorgfältig geprüft und dann rechtzeitig, aber nicht übereilt
entschieden.

Ist es denkbar, dass die Kommunalwahlen ähnlich wie die
Stichwahlen in Bayern nur per Briefwahl durchgeführt werden?

Nein. Die Bayern haben nur die Stichwahl der Oberbürgermeister,
Bürgermeister und Landräte als reine Briefwahl durchgeführt. Das
betraf damit also längst nicht alle Städte und Kreise und damit
natürlich auch nicht alle Wahlberechtigten. In Nordrhein-Westfalen
reden wir bei einer Kommunalwahl von über 14 Millionen
Wahlberechtigten. Und wir haben es mit einem sehr komplexen Verfahren
zu tun, weil viele verschiedene Stimmen abgegeben werden können: für
die Bürgermeister und Landräte, Stadt- und Gemeinderäte, Kreistage,
Bezirksvertretungen und so weiter. Wir reden also von bis zu sechs
Stimmzetteln. Das bedeutet einen großen Logistik- und auch
Kostenaufwand. Um mal eine Zahl zu nennen: Geschätzt reden wir hier
von mindestens 20 Millionen Euro Mehrkosten. Letztendlich sprechen
aber auch rechtliche Aspekte gegen eine reine Briefwahl. Diese Option
wurde vom Gesetzgeber einfach bewusst als Ausnahme angelegt. Deswegen
haben wir dieses Gedankenspiel schnell verworfen.

Wird darüber nachgedacht, die Fristen für die
Aufstellungsversammlungen der Parteien über den 16. Juli hinaus zu
verlängern?

Sollte der Wahltermin verschoben werden, verschieben sich automatisch
auch die Fristen für die Aufstellungsversammlungen nach hinten. Damit
wäre das Problem für die Politik erledigt. Allein die Fristen für
die Aufstellungsversammlungen zu verlängern, geht aus Sicht der
Praktiker in den Kreisen und Städten nicht. Das ist auch logisch,
irgendwann müssen ja die ganzen Stimmzettel auch gedruckt und
Briefwahlunterlagen verschickt werden. Das kriegt man in noch
kürzerer Zeit einfach nicht hin.

Herbert Reul, Innenminister des Landes NRW. | Foto: NRW
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