80 Jahre Kriegsende - Teil 1
Wie der Krieg in den Kreis kam

Lagebesprechung von US Einheiten im Frühjahr 1945.   | Foto: Sammlung Albert Trostorf, Merode
  • Lagebesprechung von US Einheiten im Frühjahr 1945.
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Im März 1945 endete für die Menschen im Rhein-Erft-Kreis der 2. Weltkrieg. Auf ihrem Weg nach Köln überquerten aus dem Westen vorrückende US-Streitkräfte die Erft und erreichten die heutigen Kreiskommunen. In unserer Serie „80 Jahre Kriegsende“ wollen wir an den Schrecken des 2. Weltkriegs und insbesondere an die letzten Kriegsmonate im Rhein-Erft-Kreis erinnern.

Von Lars Kindermann

Region. Glaubte im Frühjahr 1945 noch wirklich jemand an den Sieg der Wehrmacht über die aus allen Himmelsrichtungen vorrückenden Truppen der Alliierten?

Spätestens nach dem Scheitern der „Ardennen-Offensive“ im Dezember 1944, einem letzten großangelegten Versuch der Wehrmacht, den westalliierten Armeen eine verheerende Niederlage zuzufügen und den Hafen von Antwerpen zurückzuerobern, schwankte zumindest im Rheinland die Stimmung – nach Angaben des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln - zwischen „Verzweiflung und Hochstimmung“ sowie zwischen der „Vorfreude auf das ersehnte Ende der Luftangriffe und der Angst vor einer völlig unsicheren Zukunft.“

Der Krieg hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst seine, in der Deutschen Wochenschau bis zuletzt kolportierte, Glorie verloren. Stattdessen informierten sich immer mehr Menschen im Radio auf sogenannten „Feindsendern“ aus dem Ausland über das tatsächliche Kriegsgeschehen, oder sie erfuhren von Frontrückkehrern, wie es wirklich um den versprochenen „Endsieg“ des Deutschen Reiches stand.

Dem schnellen Vorrücken der Alliierten an den Rhein standen Anfang 1945 zwei natürliche Hindernisse im Weg: die Rur und die Erft. Rund 300.000 US-Soldaten der 9. US-Armee rückten bereits an die Rur vor.

Unterstützt wurden sie aus der Luft. Das zukünftige Angriffsgebiet sollte durch die anhaltende Bedrohung aus der Luft „sturmreif“ gemacht werden. Die Bevölkerung der Region lebte in ständiger Angst vor Luftangriffen durch Bomberverbände und sogenannte „Jabos“ (Abkürzung für Jagdbomber). „Mit ihren Bordwaffen beschossen sie die Frechener Eisenbahn, Autos, Fuhrwerke, ja auch Radfahrer und Fußgänger. Wer über die Straße ging, tat gut daran, ständig mit den Augen den Himmel abzusuchen, um sich frühzeitig in den nächsten Straßengraben werfen zu können. Die Maschinen flogen wenige Meter über Hausdächer und Schornsteine hinweg“, schreibt der Frechener Günther Kraushaar in seinem Buch „Wenn alles in Scherben fällt“.

Um den rasanten Vormarsch der US-Truppen zu verlangsamen, wurden Anfang Februar alle Brücken über die Rur gesprengt sowie die die Tore der Urfttal- und Rurtalsperre geöffnet. Rund 100 Millionen Kubikmeter machten den Fluss vorübergehend zu einem reißenden Hindernis.

Die Überquerung der „Bloody Rur“, wie US-Veteranen die blutigen Kämpfe später nannten, begann schließlich in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1945. Besonders bei Düren und Jülich trafen die US Streitkräfte auf erbitterten Widerstand. Der Kampf war für beide Seiten sehr verlustreich und hinterließ die Städte Jülich und Düren zerstört zurück. Ein US-Kriegsberichterstatter schrieb anschließend über Düren: „Der Ort ist nur noch das Überbleibsel einer Stadt. Hier lebt keiner mehr!“ An diesem Tag registrierte die US-Armee auf ihrer Seite 2.400 Verwundete und Tote.

Auch nach der Überquerung der ersten natürlichen Barriere kam es auf dem Weg zum Rhein immer wieder zu Gefechten mit zusammengewürfelten Einheiten aus Wehrmacht und Volkssturm. Schließlich hatte Adolf Hitler die Bevölkerung zum „Kampf bis aufs Messer“ aufgerufen und die Kapitulation von Wehrmachtsangehörigen unter Todesstrafe gestellt.

Trotzdem erkannten anscheinend viele deutsche Soldaten ihre ausweglose Lage. So schwenkten bei Garzweiler die Soldaten einer deutschen Schlüsselstellung mit Sturmgeschützen, Panzerabwehr, Kanonen und Panzern schon nach den ersten Anzeichen von Kampfhandlungen die weiße Fahne. 216 deutsche Soldaten ergaben sich. „Der größte Teil freute sich über die Gefangennahme und schwenkte den amerikanischen Passierschein. Bereits einige Tage vorher wurden diese Passierscheine von der amerikanischen Artillerie über Garzweiler verschossen“, schreibt Autor Wilhelm Weiss auf der Internetseite www.archiv-oberaussem.com.

Die Erft mit ihren Nebenarmen und Kanälen zwischen Bergheim und Bedburg bildete ein breites Hindernis für die vorrückenden US-Soldaten und die Braunkohlengruben erleichterten den deutschen Truppen die Verteidigung. Erste Versuche, die Erft bei Glesch und Paffendorf zu überqueren, konnte die Wehrmacht noch verhindern, dabei kam sogar noch einmal die - zu diesem Zeitpunkt schon hoffnungslos unterlegene - Deutsche Luftwaffe zum Einsatz. Doch trotz aller verzweifelter Abwehrbemühungen vermeldete die US-Armee am 1. März die Überquerung der Erft an drei Stellen: bei Glesch, zwischen Zieverich und Bergheim sowie bei Sindorf. Weitere Behelfsbrücken wurden in Paffendorf und Bedburg errichtet.

Der Weg zum Rhein und nach Köln war nun frei. Doch die Kämpfe um die am Ostufer der Erft gelegenen Ortschaften sollten noch einige Tage andauern.

Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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