Wie gefährlich ist Kunstrasen?
Granulat aus alten Autoreifen in der Kritik

Foto: Holger Eichner
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Nach einer Reportage im holländischen Fernsehen wurden 30
Amateur-Fußballspiele kurzerhand abgesagt. Der Grund: Auf vielen
Kunstrasenplätzen im Nachbarland wird kostengünstiges Gummi-Granulat
aus recycelten Altreifen verwendet, und dieses Granulat steht im
Verdacht, krebserregend zu sein. Die SonntagsPost fragte nach: Worauf
rollt im Rhein-Erft-Kreis der Ball?

REGION. Weniger pflegeintensiv, häufiger bespielbar:
Kunstrasenplätze erfreuen sich auch im Rhein-Erft-Kreis großer
Beliebtheit. Doch mit dem Ausrollen eines grünen Teppichs ist es
dabei nicht getan: Zur besseren Bespielbarkeit werden bis zu 40 Tonnen
Gummi-Granulat in den Kunststoffrasen eingearbeitet.

Zum Einsatz kommen dabei im Wesentlichen zwei Granulat-Typen:
Recycling-Gummi aus alten Autoreifen und das etwa zehn Mal so teure
EPDM-Granulat aus Neugummi.

Die günstigere Variante steht nach einem TV-Bericht im holländischen
Fernsehen, erneut im Verdacht Krebs zu erregen. Über die Atemwege und
durch Schürfwunden sollen kleinste Partikel von Schadstoffen in den
Körper gelangen. Die Diskussion um das schwarze Gummigranulat wird
schon seit Jahren geführt. In der Kritik steht der Kautschuk Styrene
Butadiene Rubber (SBR).

Für seine Herstellung werden alte Autoreifen recycelt, die auch
Weichmacheröle enthalten. In denen wiederum finden sich polyzyklische
aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). PAK entstehen bei
unvollständigen Verbrennungsprozessen und können auch natürlichen
Ursprungs sein. „PAK sind in unserem Alltag allgegenwärtig und
begegnen uns als  Luftschadstoffe  durch  Verbrennung 
(Heizkessel,  Kamine),  Verkehr (Reifenabrieb,  Motorabgase),
Tabakrauch. Sie sind auch in geräucherten und  gegrillten Speisen
zu  finden. „Einige PAK stehen unter Verdacht,
gesundheitsgefährdend zu sein, während dies von anderen nur vermutet
wird“, erklärt die RAL Gütegemeinschaft Kunststoffbeläge in
Sportfreianlagen.

Ihr Fazit: „Nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen, geht die
Gütegemeinschaft davon  aus,  dass  die  bestimmungsgemäße
Nutzung von Kunststoffrasenbelägen  mit  elastischen 
Füllstoffen  aus  Recyclat,  die  entsprechend  definiert 
und  güteüberwacht sind, kein spezielles Gesundheitsrisiko
darstellen.“ 

In Holland sind – laut Medienbericht - 90 Prozent der
Kunstrasenplätze mit dem günstigeren SBR-Granulat ausgestattet. 30
Amateurspiele wurden nach Ausstrahlung des TV-Beitrags abgesagt. Der
renommierte Fußballverein Ajax Amsterdam kündigte an, das Granulat
auf vier Kunstrasenplätzen auszutauschen. Die niederländische
Regierung und der Fußballverband reagierten ebenfalls: Jetzt
beschäftigt sich das Gesundheitsamt mit dem Thema.

Auch in Amerika wird häufig das günstige SBR-Granulat verwendet. Als
die Krebserkrankungen von ihr bekannten Fußballerkollegen zunahmen,
stellte Fußballtrainerin Amy Griffin aus Seattle eine Liste aller
betroffenen Spieler zusammen. Auffällig: Von 38 krebskranken
Spielern, waren 34 Torhüter. Also Spieler, die besonders häufig
Hautkontakt mit dem Kunstrasen und dem Granulat haben.

In NBC-News warnte sie, dass das Granulat nicht nur auf
Fußballfeldern, sondern auch in Schulen, Parks, auf Laufbahnen und
Spielplätzen zum Einsatz käme.

Das Unternehmen MARA Sportsysteme, einer der größten Inneneinrichter
von Indoor-Tennis- und Fußballplätzen, spricht sich ausdrücklich
gegen die Verwendung der günstigen SBR-Füllstoffe aus. Diese sei
„verantwortungs- und gewissenlos.“ Dabei beruft sich das
Unternehmen auf eine Studie der schwedischen Chemikalieninspektion aus
dem Jahre 2005, die nachweise, dass die Nutzung des
Recycling-Granulats gesundheitsgefährdend sei.

Wir fragten nach: Was kommt im Rhein-Erft-Kreis auf den
Platz?

BEDBURG: Nach Auskunft der Stadt Bedburg wird auf den
Kunstrasenplätzen ausschließlich grünes Granulat aus Neugummi
verwendet.

ERFTSTADT: Der Kunstrasenplatz in Erftstadt-Lechenich wurde mit
Quarzsand verfüllt, der Hockeyplatz in Erftstadt-Liblar benötigt
kein Verfüllungsmaterial. Auf dem Bliesheimer Kunstrasenplatz wurde
tatsächlich SBR-Gummi-Granulat verwendet. Vor Auftragsvergabe wurde
das Füllmaterial vom Institut für Sportstättenprüfung geprüft und
für unbedenklich erklärt. „Es bestehen daher derzeit keine
Bedenken hinsichtlich des verwendeten Materials“, erklärt Margret
Leder, Pressesprecherin der Stadt Erftstadt, auf Anfrage der
Redaktion.

BERGHEIM: In der Kreisstadt Bergheim sind möglicherweise die Plätze
in Bergheim, Büsdorf-Fliesteden und Glesch betroffen. „Wir werden
uns mit den Herstellern in Verbindung setzen und das prüfen“, so
Wolfgang Berger, Dezernent für den Bereich Sport.

PULHEIM: „Unser neuer Platz in Brauweiler, der im November offiziell
seiner Bestimmung übergeben wird, wurde mit EPDM-Granulat verfüllt.
In Pulheim wurde tatsächlich SBR-Granulat verwendet“, klärt Dirk
Springob, Pressesprecher der Stadt Pulheim. Dies sei aber „dreimal
gewaschen“ und zertifiziert.

FRECHEN: „Auf unseren Kunstrasenplätzen, die wir in jüngster
Vergangenheit in Königsdorf, im Kurt-Bornhoff-Stadion und auf den
Plätzen im Sportpark Herbertskaul und in Habbelrath gebaut haben,
wurde kein SBR-Granulat verwendet. Der Kunstrasen auf diesen Plätzen
wurden mit Neugummi-Granulat verfüllt. Derzeit überprüfen wir noch
die Gegebenheiten in Bachem. Der Platz wurde seinerzeit nicht durch
die Stadt Frechen gebaut“, teilt die Stadt Frechen mit. In Bachem
wurde sogenanntes RPU-Granulat verwendet. Dabei handelt es sich um
ummanteltes Granulat aus Altreifen. Es ist wesentlich teurer, als das
unter Verdacht stehende SBR-Granulat, aber günstiger als die
Neugummi-Variante.

HÜRTH: „Die Baumaßnahmen an den beiden Kunstrasenplätzen in
Hürth-Mitte wurden von demselben Platzbauer abgeschlossen. Für das
dort verwendete Granulat liegen Zertifikate vor. Ein deutlicher
Qualitätsunterschied zu anderen Plätzen ist unter anderem darin
erkennbar, dass sich die Bälle nach einiger Zeit nicht schwarz
färben. Das Thema ist für den FC Hürth zum jetzigen Zeitpunkt nicht
relevant, wir gehen auch nicht davon aus, dass es dies in Zukunft
wird. Beim FC Hürth kann sorgenfrei Fußball gespielt werden“,
erklärt der Mittelrhein-Ligist.
Die städtischen Kunstrasenplätze in Stotzheim, Efferen und
Fischenich wurden mit EPDM-Granulat verfüllt, der Platz im Stadion
Alt-Hürth kommt ohne Granulat aus.

 

Foto: Holger Eichner
Da spritzt der Gummi: Zur besseren Bespielbarkeit werden Kunstrasenplätze mit Gummi-Granulat verfüllt. Die kostengünstigste Variante aus Altreifen steht seit Jahren unter Verdacht, krebserregend zu sein. | Foto: Holger Eichner / Archiv
Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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