Lesung im Garten der Begegnung
„Wo sind meine Olivenbäume?“

Renas Sido (Autor) und Johanna Strömer  von der Caritas Integrationsagentur begrüßten die Gäste im „Garten der Begegnung“. Foto:  | Foto: Carsten Düppengießer
  • Renas Sido (Autor) und Johanna Strömer von der Caritas Integrationsagentur begrüßten die Gäste im „Garten der Begegnung“. Foto:
  • Foto: Carsten Düppengießer

Sehr persönliche Einblicke in die Geschichte seiner Flucht aus Syrien und dem Ankommen in seiner neuen Heimat Deutschland gewährte Autor Renas Sido bei einer Lesung im „Garten der Begegnung“.

Zülpich (lk). Im „Garten der Begegnung“ - vormals „Interkultureller Garten“ - in Zülpich hatten sich rund 30 interessierte Zuhörer zur Lesung des Autors Renas Sido aus seinem autobiografischen Buch „Wo sind meine Olivenbäume?“ eingefunden.

Begleitet und unterstützt von Ines Kolender gab der Neusser mit syrischen Wurzeln tiefe Einblicke in seine Lebensgeschichte, seine Schulzeit in Syrien, die verschiedenen Stationen seiner Flucht - die ihn 2015 schließlich nach Deutschland führte - und die Schritte zur Integration in seine neue Heimat. Gebannt folgten die Anwesenden den Auszügen aus dem Buch, die sehr eindringlich die damalige Situation und die Unmenschlichkeit des Regimes in Syrien sowie lebensbedrohliche und teils schwer auszuhaltende Details der Flucht über das Mittelmeer und den Balkan schilderten.

So ist etwa seine Schulzeit geprägt von Strenge, Indoktrination, Gewalt und Willkür. Mit 17 Jahren hält er es schließlich nicht mehr aus und verlässt die Schule ohne Abschluss. Kurz darauf flieht er aus Syrien, um der drohenden Einberufung zum Militär und dem beginnenden Bürgerkrieg zu entgehen. Über den Libanon und Libyen, wo er in die Wirren nach dem Sturz des Gaddafi Regimes gerät, gelangt Sido in die Türkei. Dorthin sind zwischenzeitlich seine Eltern vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen. Von dort führt sein Weg mithilfe von Schleusern in den Irak, wo sein Bruder lebt.

2015 macht sich Sido auf den Weg nach Europa. Im Schlauchboot geht es von der Türkei nach Lesbos. Auf dem Meer geraten die Fliehenden zwischen die Fronten von Schleusern und türkischer Küstenwache. „Wir hatten große Angst, haben gebetet, viele haben geweint. Es gab zwar Rettungswesten, aber viele an Bord konnten nicht schwimmen.“

Von Griechenland führt sein Weg über die Balkanroute schließlich nach Deutschland. „Beim Ausstieg in München erwartet uns eine Überraschung. Überall im und vor dem Bahnhof stehen Menschen mit Transparenten und Schildern in der Hand, auf denen „Willkommen“ oder „Welcome“ steht. So etwas haben wir auf unserem Weg hierher noch nie erlebt. Unbeholfen versuchen wir danke zu sagen.“

In Wuppertal ist Sido für einige Zeit zusammen mit rund 300 anderen Geflüchteten in einer Turnhalle untergebracht. Als die hygienischen Zustände dort bedenklich werden, beschließt er zusammen mit anderen Bewohnern etwas dagegen zu tun. „Wir schreiben auf Arabisch auf einen Zettel, dass wir gern Putzlappen und Bodenwischtücher und weitere Reinigungsmittel hätten. Wir stellen Pläne auf, wer wann an der Reihe ist, die Halle zu säubern. Das gibt uns das Gefühl, etwas Nützliches zu tun.“

Schließlich gelangt Sido mit seiner Familie nach Neuss. Dort trifft er Ines Kolender, die ihn auf seinem weiteren Weg bis heute begleiten wird. Kolender ist seit sieben Jahren, unter anderem für die „Aktion Neue Nachbarn“, ehrenamtlich in der Geflüchtetenhilfe tätig.

In Neuss kann er mit Unterstützung der Caritas, der Aktion Neue seinen Schulabschluss machen und eine Ausbildung erfolgreich abschließen. Heute arbeitet er festangestellt in einem Logistikbetrieb.

Was es mit dem Titel auf sich hat, verriet der Autor den Anwesenden auch noch. „Meine Eltern hatten 40 Olivenbäume. Wir sind immer mit der ganzen Familie zur Plantage gefahren, haben dort als Kinder gespielt und getobt. Ich vermisse den Duft der Erde und der frisch geernteten Oliven.“

Im Anschluss an die Lesung hatten die Gäste Gelegenheit, bei einem kleinen Imbiss mit dem Autor ins Gespräch zu kommen und Bücher mit persönlicher Widmung zu erwerben. Dabei konnten sie auch Oliven aus Afrin zu kosten. „Die hat mir meine Schwester geschickt und selbst eingelegt“, so Sido.

Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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