Freude und Ungewissheit
Was bringen die Lockerungen Händlern und Gastronomen wirklich?

- Mittlerweile sind Einkäufe mit „Terminabsprache“ wieder möglich. In Siegburgs City waren trotz nicht optimalen Wetters in den letzten Tagen viele Menschen unterwegs, die das Angebot nutzen wollten.
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Rhein-Sieg-Kreis - Lange haben Einzelhändler und Kunden auf die Entscheidungen der
Landesminister gewartet. Mit der neuen Öffnungsstrategie wurden
mehrere Schritte beschlossen, die dem Einzelhandel Richtlinien
vorgeben. Seit Wochenbeginn besteht nun die Möglichkeit, wieder vor
Ort einkaufen zu gehen. Jedoch ist es von dem Landes-Inzidenzwert
abhängig, wie eine Terminvergabe aussieht. Ob man sich aktuell
telefonisch oder per Internet, etwa über die Homepage oder das
Online-Portal des Einzelhandelsverbandes, anmelden kann, verkünden
die Geschäftsleute oft über Schilder und Zettel an den Türen.
Weitere Schritte, auch für Gastronomen, sollen im Laufe des Monats
folgen.
Auch im Rhein-Sieg-Kreis bereiten sich die Läden und Restaurants auf
die kommenden Gegebenheiten vor. Bei einem Inzidenzwert unter 50 ist
der Einkauf im Geschäft mit einem Besucher pro zehn Quadratmeter -
beziehungsweise 20 Quadratmeter, abhängig von der Verkaufsfläche -
erlaubt. Liegt die Zahl zwischen 50 und 100, muss ein Termin gebucht
werden. Hier gelten natürlich ebenfalls strenge Hygieneregeln, sowie
das Aufschreiben der Kundendaten zur Nachverfolgung. Geplant ist es,
diese Maßnahmen frühestens ab Montag, 5. April, zu lockern. Mit
einem Start der Außengastronomie wird ab Montag, 22. März,
gerechnet. Die Ministerpräsidentenkonferenz will ab diesem Datum
weitere Entscheidungen in den Vorgehensweisen treffen.
In Siegburg sahen die Händler der Öffnung zuversichtlich entgegen,
so wie Torsten Außem, Filialgeschäftsführer von der GGaleria
Karstadt Kaufhof, plus seinem Team: „Wir freuen uns mit neuer
Frühjahrsware auf jeden einzelnen Kunden, wenn die Landesverordnung
dem zustimmt. Zum Einkaufen registrieren lassen kann man sich unter
www.galeria.de, telefonisch und vor Ort in der Filiale. Wir haben mit
einem bewährten Hygienekonzept alles dafür getan, dass das Einkaufen
so sicher wie nur möglich ist".
Thomas Kronefeld, Inhaber der TK Fashion Group, ist nach drei Monaten
Schließung glücklich, die Läden, wie zum Beispiel „comma“ und
„Lieblingsplatz“, öffnen zu dürfen: „Gewiss sind viele nicht
gewohnt, mit festen Terminen zu shoppen, sondern wollen lieber
stöbern. Daher wären wir sehr dankbar, wenn wir bald unsere Gäste
wieder ohne Vergabe begrüßen dürfen. Ferner sind spontane und
kurzfristige Vereinbarungen realisierbar, sofern die Besucherzahlen
dies zulassen. Darüber hinaus finden wir es sehr bedauerlich, dass
die Landesregierung am Wochenende keine Entscheidung getroffen hat, ob
die Öffnung landesweit oder regional entschieden wird. Dadurch
konnten unter anderem unsere Filialen in Siegburg, Troisdorf und Sankt
Augustin nicht „regulär“ öffnen. So hoffen wir darauf, dass sehr
schnell Tests und eine Nachverfolgung der Besucherdaten möglich sind.
Der Einzelhandel war und ist kein Corona-Treiber und wir Händler
wünschen uns, dies erneut im Jahr 2021 unter Beweis stellen zu
können. Wir brauchen den Kontakt zum Endverbraucher, ansonsten
verlieren wir immer mehr an die Online-Marktplätze und damit werden
attraktive Innenstädte wie Siegburg ihre Anziehungskraft
verlieren“.
Selbst Manfred Pieperiet, Chef von Herzog Fashion, sieht die
Entwicklung vorsichtig: „Die Kunden sind mittlerweile im
Online-Rausch und verfügen dort über eine große Auswahl. Bei uns
sehen sie ein Produkt im Fenster und fragen nach, ob es noch andere
Modelle und Größen gibt“. Hier weist ein Schild darauf hin,
welches Interessenten auffordert, gleich anzurufen oder zu klingeln.
„Allerdings sind auch viele Kollegen auf unserer Straße unsicher,
wie die Regeln genau zu handhaben sind. So richtig Fakt ist ja
überhaupt nichts“.
Die Geschäftsleute vergewissern sich dann nötigenfalls bei der Stadt
und sprechen mit dem Ordnungsamt, wie Muzaffer Yildrim von „Yil’s
Boutique“: „Jeder von uns ist da eher sehr vorsichtig. Wenn jemand
nach einem Termin fragt, lassen wir ihn gerne rein, natürlich nach
Aufnahme aller Daten“.
Einige Meter weiter bei Intersport Dreschmann läuft es ähnlich.
„Wir halten uns an die gesetzliche Vorlage, machen aber zudem
Terminabsprache direkt vor dem Laden. Sollte jemand anrufen und eine
Uhrzeit buchen, berücksichtigen wir das selbstverständlich. Dies ist
nur mit einem riesigen Verwaltungsaufwand umsetzbar“, erzählt
Inhaber Guido Dreschmann. „Wir müssen gesondert Personal einsetzen,
das an der Tür die Ankommenden empfängt und Name und Uhrzeit
erfasst“. Ungeachtet dessen ist das Fachgeschäft froh, wieder für
die Käufer präsent zu sein. „Alles ist besser, als geschlossen zu
bleiben. So können wir wenigstens die Fixkosten reinholen“.
Dennoch dauert die Unsicherheit über die Entwicklung der
Inzidenzzahlen an, sowie die Ungerechtigkeit beim Umgang mit anderen
Branchen oder Discountern, die mehr anbieten als nur Lebensmittel.
Die Gastronomen in Siegburg freuen sich nicht minder über die
Lockerungen ab 22. März, sehen das aber sehr kritisch, wie zum
Beispiel Dirk Manzei vom „Kappelchen“. „Für uns ist das
freilich ein Lichtblick, birgt trotzdem finanzielle Schwierigkeiten.
Wir müssen ja unsere Angestellten aktivieren. Was ist, wenn die
Menschen einen Tisch buchen und es fängt an zu regnen? Rufen wir dann
an und sagen ab? Wir haben zwar Schirme, doch was machen die
Gastronomen in der Fußgängerzone, die vielleicht keine Markise
besitzen? Außerdem ist es um Ostern herum noch sehr kalt und wir
dürfen coronabedingt keine Decken ausgeben“. Dennoch rechnet Dirk
Manzei mit enormer Nachfrage. „Die Menschen verspüren große Lust,
wieder auswärts essen zu gehen. Doch bei 50 Prozent weniger Plätzen,
Abstand und den Wetterbedingungen, wird es für manches Restaurant
schon sehr hart. Trotz allem sind diese Öffnungsschritte gut für die
Seele“. Folglich wartet die Bevölkerung in der Region weiter ab und
sehnt die Zeit herbei, wenn es im Sommer hoffentlich aufwärts geht.
- Dirk Woiciech


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