„Wir sind für Euch da!“
Streetwork-Station Off Road Kids Köln feiert 20-jähriges Bestehen

- Markus Seidel (2.v.r.), Sven Aulmann (1.v.l.) und das Team der Off Road Kids Station freuen sich über die neuen Räumlichkeiten.
- Foto: Stahl
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Familienstreitigkeiten, Rauswurf oder Mietschulden sind mit die häufigsten Gründe für junge Menschen auf der Straße zu leben. Seit 2005 bietet die Streetwork-Station Off Road Kids Köln diesen jungen Erwachsenen eine kostenlose, professionelle Beratung und zeigt ihnen Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben mit einer eigenen Wohnung und einem Beruf auf.
von Angelika Stahl
Köln. „In den vergangenen 20 Jahren haben unsere Kölner Mitarbeiter für mehr als 2000 obdachlose Minderjährige und junge Volljährige ein dauerhaftes Zuhause gefunden. Allein 2024 konnten sie für 103 Personen Wohnraum finden“, freute sich Markus Seidel, Vorstandssprecher und Gründer der Off Road Kids Stiftung. Zum 20-jährigen Jubiläumsrückblick hatte er in die neue Streetwork-Beratungsstation in der Komödienstraße 18 eingeladen.
Laut Seidel gibt es aktuell bundesweit rund 37.000 junge Erwachsene zwischen 14 und 27 Jahren, die obdachlos sind oder in verdeckter Obdachlosigkeit leben. „Über die sozialen Medien wie etwa Facebook nehmen sie mit Freunden oder Bekannten Kontakt auf, um vorübergehend dort Unterschlupf zu finden und auf einem Sofa zu schlafen. Wir nennen das Phänomen verdeckte Wohnungslosigkeit“, sagt Seidel. Neben Berlin sieht er Köln als Hauptstadt für „Straßenkinder“ in Deutschland. Noch vor zehn Jahren gehörten wohnungslose Jugendliche oder auch „Ausreißer“ genannt zum Straßenbild rund um den Dom.
Statt im Laden oder an der Werkbank zu stehen, waren sie auf der Suche nach einem festen Schlafplatz für die Nacht. Zwar habe nach Aussage des Kölner Standortleiters Sven Aulmann die Sichtbarkeit der betroffenen jungen Menschen abgenommen, aber nicht deren Zahl. „Früher gingen wir zu den jungen Leuten auf die Straße und mussten sie davon überzeugen, dass wir ihnen helfen können. Heute findet Streetwork im Internet statt“, so der Sozialpädagoge. 90 Prozent der Hilfsanfragen gehen laut Aulmann online ein.
Die Bilanz: allein 2024 haben er und seine acht hauptamtlichen Mitarbeiter 4.458 Beratungsgespräche per Online-Chat oder Telefon mit jungen obdachlosen Menschen durchgeführt. Dazu kommen 3.879 persönliche Beratungstermine in der Beratungsstelle.
„Über unsere bundesweite Online-Plattform sofahopper.de sowie sofahopper.de-Notrufzentrale und koeln.sofahopper.de, nehmen die jungen Obdachlosen Kontakt mit uns auf“, erläutert Aulmann. „Im Chat oder Gespräch analysieren unsere erfahrenen Sozialarbeiter zunächst die individuelle Problemlage samt Hilfsbedarf.“ Dementsprechend werden akute Behördengänge und die Wohnraumsicherung und -suche begleitet und weiterführende Verhandlungen mit Ämtern, Einrichtungen oder Vermietern geführt. Erste Antworten zu Fragen zur Antragstellung oder zuständigen Behörden erhalten die Jugendlichen ebenfalls auf den Internetseiten über Erklär-Videos. „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den Klienten die bestmögliche Lebensperspektive zu erarbeiten. Sei es ein Dach über dem Kopf, einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung“, sagt Markus Seidel.
So bietet die Organisation auch weitere Programme an wie etwa ein Gesundheitsvorsorge-und Präventionsprogramm (Streetwork+) als auch ein individuelles auf die Person angepasstes Schulprojekt (PreJob), um einen Hauptschul- oder Realschulabschluss nachzuholen. Letzteres wurde bis zum Sommer 2024 über das Jobcenter Köln finanziert, musste allerdings mangels finanzieller Mittel vorübergehend eingestellt werden. „Wir arbeiten daran das Programm zu finanzieren“, so Sven Aulmann. In Planung ist ebenso eine Datenbank mit einer Liste aller in ganz Deutschland bestehenden Hilfsangebote, zu erstellen. „Damit die jungen Leute auch rund um die Uhr eine Antwort auf ihre Fragen erhalten, ist unsere neueste Idee KI einzusetzten und ein eigenes ChatGPT aufzubauen. Angedacht ist eine informelle Beratung, um Kindergeld zu beantragen“, kündigte Aulmann an.
Rund 600.000 Euro kostet die Finanzierung der Kölner Streetwork-Station jährlich. Davon übernehmen etwa zwei Drittel das Bundesministerium für Familie, Bildung, Senioren, Frauen und Jugend, der LVR und die Stadt Köln. 200.000 Euro müssen über Spenden aufgebracht werden.
Off Roads Kids e.V.
1993 gründen der Journalist Markus Seidel zusammen mit 50 engagierten Menschen die Strassenkinderhilfsorganisation Off Road Kids e.V.. „Damals habe ich mich gefragt:„Wie kann es solche Misstände in Deutschland geben? Was kann ich als Privatperson dagegen tun?“ 1995 öffnete die erste Streetwork-Beratungsstation in Berlin. Es folgten weitere Standorte in Dortmund, Frankfurt, Hamburg und Köln. Seit Bestehen der Stiftung hat die Initiative bundesweit 11.510 junge Erwachsene vor Obdachlosigkeit bewahrt.
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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