52 neue Stolpersteine für Köln
Denkmale für Menschen die im NS verfolgt wurden

Stolpersteine gegen das Vergessen.  | Foto: Stefan Worring

Am Montag, 19. und Dienstag, 20. Februar 2024, verlegt der Künstler Gunter Demnig an 20 Orten in Köln insgesamt 52 neue Stolpersteine. Stolpersteine erinnern an Menschen, die durch das nationalsozialistische Regime verfolgt wurden. Die Mehrheit der kleinen Mahnmale wird auch dieses Mal in Gedenken an Personen verlegt, die als jüdisch verfolgt und entweder in die Flucht getrieben oder in der Schoa ermordet wurden.
Mit den Steinen für Ruth Hirsch und Herbert Julius Gans sind in diesem Jahr zwei Personen darunter, die heute noch – mittlerweile hochbetagt – leben. Ruth Hirsch konnte mit ihrer Mutter 1939 über die Niederlande in die USA fliehen. Herbert Julius Gans flüchtete mit seiner Familie 1939 nach Großbritannien und von dort ein Jahr später weiter in die USA. Die Stolpersteine wurden mit ihrem Einverständnis für sie gefertigt, um am ehemaligen Wohnort an die gesamte Familie zu erinnern.
Neben den Stolpersteinen für Jüdinnen und Juden wird auch jeweils ein neuer Stein für einen Verfolgten, der wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt wurde und die Haft im Konzentrationslager Mauthausen nicht überlebte sowie für einen als homosexuell verfolgten Mann verlegt.
Der Großteil der Stolpersteine wird auf Initiative der Angehörigen und Nachfahren der Verfolgten verlegt, die das NS-DOK häufig schon seit längerem bei ihrer Familienforschung unterstützt und begleitet. Mit den Stolpersteinen möchten sie nun öffentlich an ihre Vorfahren erinnern und sie damit ein Stück weit wieder in ihre alte Heimatstadt zurückkehren lassen. Einige der Nachfahren werden aus Köln und dem Umland, den Niederlanden und den USA anreisen, um an der Verlegung teilzunehmen.

Olpener Straße 64
Gedenkstein für Leo Jakobs, Grete Jakobs, geb. Mosbach, Rolf Jakobs und Ruth Rachel Jakobs
Pate ist die Evangelische Jugend Neu-HöVi/Ökumenische Familienwerkstatt HöVi
Leo Jakobs wurde am 30. Juli 1905 als Sohn von Jakob und Franziska Jakobs in Gürzenich bei Düren geboren. Er hatte einen ein Jahr älteren Bruder, Gustav, und eine fünf Jahre jüngere Schwester, Karoline. Er stammte aus einer Familie von Metzgern und Viehhändlern. Schon sein Urgroßvater, sein Großvater und sein Vater waren Metzger gewesen. Leo Jakobs wuchs in Gürzenich auf und wurde Kaufmann. Wann er nach Köln zog und in welcher Branche er tätig war, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
1931 heiratete er in Köln-Kalk die Kaufmannstochter Grete Mosbach. Die junge Frau, geboren am 13. März 1908 im westfälischen Hohenlimburg, war das einzige Kind von Martha und Gustav Mosbach. Sie wuchs in Köln auf. Ihr Vater war Teilhaber der Lebensmittelgroßhandlung „Mosbach, Wahl & Co“ am Heumarkt. 1930 starb ihre Mutter Martha, und der Vater heiratete bald darauf ein zweites Mal.
Leo und Grete Jakobs wohnten zunächst in Vingst in der Heßhofstraße 30. Im Jahr 1937 zogen sie in die Olpener Straße 64. Am 12. Oktober 1933 wurden sie das erste Mal Eltern, der Sohn Rolf wurde im Israelitischen Krankenhaus in der Ottostraße in Köln-Ehrenfeld geboren. Am 23. August 1938 folgte Tochter Ruth Rachel. Wie lange die vierköpfige Familie in der Olpener Straße wohnte, ist nicht nachvollziehbar. 1939 war sie noch unter nämlicher Adresse gemeldet, dann verliert sich vorübergehend ihre Spur. Spätestens im Frühjahr 1941 mussten sie die Wohnung räumen und in eines der zahlreichen Ghettohäuser im linksrheinischen Köln ziehen. Fest steht, dass Leo, Grete und ihre beiden Kinder 1942 einige Tage oder Wochen im Ghettohaus in der St. Apern-Straße 29-31 verbrachten. Von dort aus wurden sie am 18. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie zwei Jahre unter menschenunwürdigen Umständen lebten. Am 28. September 1944 wurde Leo Jakobs von dort aus in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt und ermordet. Grete Jakobs und ihre Kinder folgten ihm am 9. Oktober 1944. Auch sie wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet.
Bei der Verlegung werden Mitglieder der Evangelischen Jugend Neu-HöVi und der Ökumenischen Familienwerkstatt HöVi anwesend sein, darunter voraussichtlich auch einige der Jugendlichen, die an der Übernahme der Patenschaft aktiv beteiligt waren.

Lütticher Straße 4
Gedenkstein für Hermann Fischel
Pate ist eine Privatperson sowie das Centrum Schwule Geschichte
Hermann Fischel wurde 1875 im ostpreußischen Tilsit geboren. Die Familie Fischel scheint jedoch noch vor dem Ersten Weltkrieg ins Rheinland gezogen zu sein. Hermann Fischel arbeitete offenbar, wie sein ebenfalls in Tilsit geborener jüngerer Bruder Siegfried, als Kaufmann. Siegfried betrieb in den 1920er-Jahren in der Kölner Breite Straße ein Schuhgeschäft unter dem Namen „Gebrüder Fischel“, an dem wohl auch Hermann beteiligt war.
Darüber, wie Hermann Fischel die nationalsozialistische Machtübernahme erlebte und welche Ausgrenzungsmaßnahmen er danach erleiden musste, ist bisher nichts bekannt. Im Jahr 1938 taucht er jedoch in den zeitgenössischen Quellen auf. Zu diesem Zeitpunkt führten Beamte der Düsseldorfer Gestapo und der Kölner Kriminalpolizei eine großangelegte Fahndungs- und Verhaftungsaktion gegen Kölner Homosexuelle durch. Ziel war es, die in der Stadt noch existierende schwule Subkultur zu zerstören und möglichst viele der als „homosexuell“ geltenden Männer zu erfassen und zu bestrafen. Gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern galten damals als Gefahr für die „Volksgemeinschaft“ und konnten unter anderem nach § 175 des Reichsstrafgesetzbuches mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Der bloße Verdacht konnte für eine Verurteilung ausreichen.
Hermann Fischel wurde im September 1938 festgenommen. Er war offenbar von einem Strichjungen beschuldigt worden. Außerdem warf man ihm vor, er sei öfter in den Bereichen des Kölner Rheinufers gesehen worden, wo sich schwule Männer häufiger zur Kontaktanbahnung trafen. Hermann Fischel bestritt, homosexuell zu sein und sexuelle Kontakte gesucht zu haben. Zeugen gaben aber an, ihn mehrfach am Rheinufer gesehen zu haben. Die Kölner Kriminalpolizei betonte außerdem, Hermann Fischel sei „schon länger als Homosexueller bekannt“. Den zuständigen Gestapobeamten galt er trotz fehlender Beweise als „glaubhaft überführt“. Darüber hinaus hielten sie in den Akten fest, dass Hermann Fischel aufgrund jüdischer Eltern als „Volljude“ anzusehen sei.
Fischel wurde wenige Tage nach der Verhaftung wegen „widernatürlicher Unzucht“ vor dem Kölner Landgericht angeklagt. Ende Oktober 1938 erging das Urteil, das auf drei Monate Gefängnis lautete. Das Kölner Landgericht begründete die vergleichsweise geringe Strafe damit, dass Fischel nicht vorbestraft sei und durch den Kontakt zu Strichjungen „keinen größeren Schaden“ verursacht habe. Das Urteil zeigte aber zugleich eine deutliche antisemitische Tendenz. Fischel wurde vorgehalten, er genieße als Jude in Deutschland nur „Gastrecht“ und müsse deshalb ein „besonderes Maß an Rücksicht auf die deutschen Gesetze“ zeigen.
Nach Verbüßung seiner Haftstrafe scheint Hermann Fischel noch einmal freigekommen zu sein. Der immer radikaleren antisemitischen Verfolgung konnte er jedoch nicht entgehen. Mit Beginn der Massendeportationen der Kölner Jüdinnen und Juden wurde auch er verschleppt. Im Oktober 1941 kam er, inzwischen 66 Jahre alt, mit etwa 1.000 weiteren Menschen in das Ghetto Litzmannstadt. Im Mai 1942 wurde Hermann Fischel im Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) ermordet.

Brüsseler Straße 25
Gedenksteine für Max Zelenka, Ida Zelenka, geb. Jansen, Thea Henriette Zelenka und Ruth Zelenka
Paten sind drei Privatpersonen
Die jüdische Familie Zelenka wohnte nur wenige Jahre in der Brüsseler Straße 25. Max Zelenka war Vertreter und stammte aus Mayen in der Eifel. Dort wurde er am 4. Januar 1893 als Sohn von Eduard und Henriette Zelenka geboren. Er hatte drei Schwestern, Frieda, Elsa und Martha, von denen allein Frieda den Holocaust überlebte. Sein Vater starb 1942 hochbetagt im Ghetto Theresienstadt.
Ida Zelenka, geb. Jansen, kam am 27. August 1895 in Siegburg zur Welt. Kurz nach ihrer Geburt zogen ihre Eltern Samuel und Clementine Jansen nach Köln. Samuel Jansen war von Beruf Kaufmann und eröffnete am Neumarkt eine Woll- und Kurzwarengroßhandlung. Nach seinem Tod im Januar 1904 betrieb seine Witwe viele Jahre in der Lütticher Straße 31 eine kleine Stickerei.
Am 17. Juli 1921 heirateten Ida und Max Zelenka. Max war kurz zuvor nach Köln gezogen und hatte am Hansaring 137 ein Büro angemietet. Das Paar wohnte zunächst in der Hahnenstraße. Am 18. Juli 1922 wurde dort ihre erste Tochter Thea Henriette geboren. Am 23. März 1927 folgte Tochter Ruth. Inzwischen wohnte auch Ida Zelenkas Mutter Clementine bei der Familie. Ihre Stickerei in der Lütticher Straße hatte sie vermutlich aus Altersgründen aufgegeben.
Anfang der 1930er Jahre zog die Mehrgenerationen-Familie in die Venloer Straße 857 in Bickendorf. Max Zelenka arbeitete seit einigen Jahren als Vertreter für Schuhe und hatte sein Büro im selben Haus. Mehr ist leider nicht bekannt über die Lebensumstände der Familie. 1937 folgte der nächste – und letzte – freiwillige Umzug innerhalb Kölns. Max und Ida Zelenka fanden mit ihren Töchtern eine neue Bleibe in der Brüsseler Straße 25. Clementine Jansen war mittlerweile gestorben.
Vermutlich 1941 musste die Familie auch diese Wohnung verlassen und wurde in die Cäcilienstraße 18-22 eingewiesen. Das Gebäude hatte früher die Jüdische Rheinlandloge beherbergt und wurde ab Mai 1941 zu einem der größten Ghettohäuser der Stadt mit hunderten von Bewohner*innen. Am 20. Juli 1942 wurden Max, Ida, Thea und Ruth Zelenka gemeinsam mit mehr als 1.100 Männern, Frauen und Kindern vom Bahnhof Deutz-Tief in die Vernichtungsstätte Maly Trostinec bei Minsk deportiert und dort vier Tage später ermordet.

Zur Verlegung werden Nachfahren der Familie aus den USA anreisen.

Redakteur/in:

EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

9 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.