Bestenfalls Schlamperei
Gericht kassiert Gebührenbescheid für Kanalsanierung

Insgesamt fünf Mal innerhalb von sechs Monaten musste das Verwaltungsgericht die Stadtverwaltung anmahnen, ehe eine Antwort aus dem Rathaus kam. Die angeforderten Unterlagen konnte die Verwaltung allerdings auch nach einem halben Jahr noch nicht in der vom Gericht geforderten Form beibringen. | Foto: dru
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  • Insgesamt fünf Mal innerhalb von sechs Monaten musste das Verwaltungsgericht die Stadtverwaltung anmahnen, ehe eine Antwort aus dem Rathaus kam. Die angeforderten Unterlagen konnte die Verwaltung allerdings auch nach einem halben Jahr noch nicht in der vom Gericht geforderten Form beibringen.
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Frechen - „Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über die
Inkompetenz der Verwaltung nur lachen. Das einzig Positive ist, dass
wir unser Geld zurückbekommen haben!“ Zu diesem Fazit kommen die
Anwohner der Friedrichstraße nach beinahe zwei Jahren voller Ärger,
zahlreichen Schriftsätzen und einem Prozess vor dem Kölner
Verwaltungsgericht.

Es geht um die Abrechnung einer Kanalsanierung, die den Anwohnern Ende
November 2015 auf den Tisch flatterte – knapp vier Wochen, bevor die
Ansprüche der Stadt verjährt gewesen wären. „Wir sind ja alles
keine Bauexperten. Aber die Summen, die da von uns gefordert wurden,
waren so exorbitant hoch, dass wir selbst als Laien gleich gemerkt
haben: Da kann was nicht stimmen“, berichtet eine der Betroffenen.
„Das sah alles danach aus, als sei es wegen der ablaufenden Frist
mit der heißen Nadel gestrickt!“
Ziemlich genau viereinhalb Jahre hat die Verwaltung gebraucht, um die
Baumaßnahme abzurechnen und Bescheide zu verschicken. Für den
städtischen Rechtsdirektor Dieter Dumstorff kein Problem.
Schließlich habe die Stadt Zeit bis zur Verjährungsfrist, antwortet
er auf eine entsprechende Anfrage der Redaktion. „Pflichtgemäßes
Ermessen“, nennt Dumstorff dieses Amtsgebahren den Gebühren
zahlenden Bürgern gegenüber in bestem Beamtendeutsch.

Zwischen knapp 3.000 und 12.500 Euro lagen die Forderungen allein bei
den sieben Nachbarn, die sich am Ende zusammengeschlossen haben, um
ihr Recht gegen die Stadt zu erstreiten. Andere  Anlieger der
Friedrichstraße mussten noch erheblich mehr zahlen. Je nach
Grundstücksgröße. Bei knapp zehn Euro pro Quadratmeter lag  der
Betrag, den die Stadt in Rechnung gestellt hatte.

Verwaltung lässt Bürger "auflaufen"

Zunächst versuchten die Anwohner, die offenen Fragen und
Ungereimtheiten direkt mit der Stadt zu klären. Aber da habe man sie
regelrecht auflaufen lassen. Kopien von den Akten? Gab es nicht.
Akteneinsicht? War nur unter Zeitdruck im Büro einer Mitarbeiterin
möglich. Und konkrete Fragen konnten auch nicht beantwortet werden.
„Das seien nun mal so die Zahlen; das müssten wir bezahlen und zu
prüfen gäbe es da nichts“, hat man uns gesagt.

Tatsächlich mussten die Anwohner die geforderten Beträge innerhalb
von vier Wochen an die Stadtkasse überweisen. „Andernfalls wurden
schon in dem Bescheid Zwangsmaßnahmen angedroht“, erinnert sich 
ein anderer Nachbar. „Für manche von uns, darunter Familien mit
kleinen Kindern und Rentner, war es nicht leicht, die teils
fünfstelligen Summen aufzutreiben!“
Um ihre Rechte durchzusetzen, blieb den Anwohnern am Ende nichts
übrig, als vor dem Verwaltungsgericht gegen die Bescheide zu klagen.
Wovon sich die Stadt Frechen allerdings nicht beeindrucken ließ:
Teilweise wochen- und monatelang reagierte man im Rathaus nicht auf
Schreiben des Gerichtes und ließ sich reichlich Zeit, die geforderten
Unterlagen herbeizuschaffen.

Ja, räumt Dieter Dumstorff ein, „bei der Übersendung der
Verwaltungsvorgänge...ist es tatsächlich zu einer zeitlichen
Verzögerung gekommen“. Es sei der Verwaltung nicht möglich
gewesen, „die juristische Sachbearbeitung innerhalb der vom Gericht
erwarteten Zeit“ zu erledigen, ergänzt der Stadtrechtsdirektor. Im
Klartext: Das Gericht hat innerhalb von sechs Monaten (!) gleich fünf
Mahnungen an die Verwaltung geschickt, um Erklärungen bezehungsweise
Unterlagen zu erhalten.

Undurchsichtige Abrechnung

Kein Wunder. Denn was sich schließlich aus den Bau- und
Abrechnungsakten ergab, bestätigte die schlimmsten Erwartungen der
Anwohner. „Es hat sich herausgestellt, dass die Stadt Kosten auf uns
abgewälzt hat, für die wir laut Satzung überhaupt nicht
beitragspflichtig sind“, berichten die Nachbarn. Konkret ging es um
die Erneuerung und Vergrößerung des Mischwasserkanals – beides
Maßnahmen mit denen die Anwohner nichts zu tun hatten. Zusätzlich
waren Handwerkerleistungen abgerechnet worden, die überhaupt nicht in
der Friedrichstraße durchgeführt worden waren. Und auch bei den
Kosten für Gutachten und Sachverständige war bis zum Schluss nicht
zu ermitteln, ob und in welcher Höhe die für Arbeiten in dem
betreffenden Abschnitt angefallen waren.

Richterin macht "kurzen Prozess"

Wie viele Fehler noch in der Abrechnung steckten, musste am Ende gar
nicht mehr geklärt werden:
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht kamen die
Richter schon nach wenigen Minuten zu dem Ergebnis, dass die Stadt
Frechen bei der Abrechnung von vorneherein ganz erheblich geschludert
hatte. Sie legten dem Vertreter des Rechtsamtes  nahe, gleich die
kompletten Bescheide bis zur von den Anwohnern beklagten Höhe
zurückzuziehen. Die Anwohner haben also wenigstens die Hälfte der
von der Stadt ursprünglich geforderten Summe zurück bekommen.

So ist die Stadt um ein Urteil in dieser Sache zwar herumgekommen. Die
Missstände sind aber klar aufgedeckt worden. „Entweder, man weiß
bei der Stadt nicht, wie ein korrekter Bescheid und eine ordentliche
Abrechnung auszusehen haben. Oder man hat versucht, uns über den
Tisch zu ziehen“, meinen die Anwohner. „Und wenn es bestenfalls
Schlamperei war, dann wirft das auch kein gutes Licht auf die
Verwaltung!“ Am Ende steht die Erkenntnis, dass es sich lohnt,
zweimal hinzuschauen.

Auf Nachfrage der Redaktion hat die Verwaltung zugesagt, künftig in
ähnlichen Fällen die Abrechnung nach dem vom Verwaltungsgericht für
zulässig erachteten Berechnungsmodell vorzunehmen. Damit könne die
„Fehlerquelle“ (O-Ton Dumstorff) ausgeschlossen werden.
Wohlgemerkt: zukünftig! Und das wirft natürlich weitere Fragen auf.
Denn: Wie lange und wie oft hat die Stadtverwaltung ihre Bürgerinnen
und Bürger in den vergangenen Jahren nach dem vom Gericht für
unzulässig erklärten System zur Kasse gebeten? 

Redakteur/in:

Ulf-Stefan Dahmen

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