Stadt Erftstadt - ein Jahr danach
Gerd Schiffer zum langen Wiederaufbau

„Baustelle“ mit besonderem Fokus: die Abbruchkante in Blessem: Dort laufen weiterhin die Wiederherstellungsarbeiten, an deren Ende eine sogenannte Sekundäraue stehen wird. | Foto: Düster
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  • „Baustelle“ mit besonderem Fokus: die Abbruchkante in Blessem: Dort laufen weiterhin die Wiederherstellungsarbeiten, an deren Ende eine sogenannte Sekundäraue stehen wird.
  • Foto: Düster

Erftstadt. Die Hochwasserkatastrophe traf Erftstadt mit voller Wucht. Das galt auch für die kommunale Infrastruktur und viele Gebäude. In der jüngsten Ratssitzung der Stadt wurde am 21. Juni ein Wiederaufbauplan mit einem Volumen von rund 74,5 Millionen Euro beschlossen. Der Förderantrag wurde in dieser Höhe im Anschluss bei der Bezirksregierung Köln eingereicht. In den nächsten Wochen und Monaten soll das teils lange Warten an vielen „Baustellen“ ein Ende haben, es soll sichtlich voran gehen:

Dass das bislang Erreichte bei manchen Projekten augenscheinlich zum Teil kaum erwähnenswert zu sein scheint, kann Gerd Schiffer, der Beauftragte der Stadt für den Wiederaufbau, zwar verstehen, doch er relativiert: „Bei allem Verständnis für die Ungeduld, das geht mir nicht anders, es gilt: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Oftmals werden für Maßnahmen planerische Vorläufe und Gutachten benötigt, Vergabeverfahren müssen teilweise europaweit erfolgen. Bei solchen teils monatelangen Vorläufen kann schnell der Eindruck entstehen, dass sich nichts täte. Ich kann aber versichern, dass die Verwaltung nach Kräften bemüht ist, den Wiederaufbau zügig voranzutreiben.“

"Diese Schäden sind nicht kurzfristig zu beheben"

Mit Blick auf den beschlossenen Plan erklärt Schiffer: „Dieser beinhaltet insgesamt 74 Maßnahmen oder Maßnahmenpakete, in den Einzelmaßnahmen zusammengefasst wurden. Wie sich aus der Gesamtschadensumme ableiten lässt, sind diese Schäden nicht kurzfristig zu beheben.“ Rückblickend fasst Schiffer die bisherige Arbeit der Stadt wie folgt zusammen: „Nachdem in den ersten Wochen und Monaten die Sicherung des Ortsteils Blessem vor weiterer Erosion im Vordergrund stand, wurde parallel und mit Priorität eine Schadenbeseitigung an Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen angegangen. Zwischenzeitlich sind auch die Architekten- und Ingenieurleistungen für weitere kommunale Immobilien wie die Sporthalle in Bliesheim oder die Flüchtlingsunterkunft in Blessem an der Radmacherstraße vergeben. Weitere Auftragsvergaben stehen bei der Wiederherstellung von Sportanlagen an. Auch die Feuerwehrgerätehäuser in Blessem, Bliesheim und Friesheim müssen saniert werden. Und ein Großteil der Schadensumme wird zudem für die Sanierung und Neuerrichtung von Straßen und Brücken aufgewandt werden müssen.“

Sicherung der Abbruchkante in Blessem stand im Fokus

Doch zunächst noch einmal zu „der“ Baustelle, die besonders im Fokus stand: die Abbruchkante in Blessem samt der nahe gelegenen Kiesgrube. Die Bilder der dort eingestürzten Häuser gingen um die Welt. Gerd Schiffer: „Unmittelbar nach dem Flut­ereignis wurde an der Abbruchkante mit den Sicherungsarbeiten begonnen. Im Dezember konnte die Radmacherstraße wieder für den Verkehr freigegeben werden. Rund um den Erosionskrater wurden flache und verdichtete Böschungen angelegt, die auch stärkeren Regenfällen standhalten und eine Erosion in den Ort oder ins Burggelände verhindern. In den nächsten Wochen wird damit begonnen, den Erosionskrater mit unbelastetem Material zu verfüllen. Künftig wird dieser Bereich als sogenannte Sekundäraue, das heißt als zusätzlicher Retentionsraum für die Erft, hergestellt. Aber auch diese Arbeiten werden drei bis dreieinhalb Jahre in Anspruch nehmen.“

"Wiederaufbau wird 5 bis 8 Jahre benötigen"

Angesichts der 74 Maßnahmen steht daher auch ein Jahr nach der Katastrophe die Erkenntnis: Die Behebung der Schäden wird noch Jahre dauern. Gerd Schiffer: „Entsprechend den Erfahrungen der Kommunen, die beim letzten Flutereignis der Elbe im Osten Deutschlands betroffen waren, ist auch hier in Erftstadt davon auszugehen, dass der Wiederaufbau mindestens fünf bis acht Jahre benötigen wird.“ Das liegt laut Schiffer auch an begrenzten Personal-Kapazitäten bei der Stadt: „Wir beauftragen bereits in hohem Maße externe Büros mit Planungsleistungen, die sogenannte Bauherrenfunktion können und wollen wir jedoch nicht abgeben.“

Es ist also weiter Geduld gefragt. Die Erftstädter werden die Fortschritte verfolgen, denn große wie kleine Bürger warten teils sehnsüchtig auf Besserung.

Gerd Schiffers Überblick über die größten Baustellen

  • Erosionskrater Blessem

Gerd Schiffer: "Nach wie vor steht der Erosionskrater in Blessem ganz vorne an. Obwohl die Ortskanten von Blessem als gesichert angesehen werden dürfen, soll der Erosionskrater schnellstmöglich verfüllt werden. Die Ausschreibung läuft aktuell. Es ist davon auszugehen, dass die Verfüllung in wenigen Wochen beginnt."

  • Infrastruktur für Kinder und Jugendliche

Gerd Schiffer: "Die erachte ich als ebenso wichtig sowie die Sportstätten. Hierzu gehören insbesondere KiTas und Schulen. Die Schäden in diesem Bereich sind in weiten Teilen behoben beziehungsweise aktuell in Bearbeitung. Der Auftrag zur Wiederherstellung des Kunstrasenplatzes in Bliesheim wird zeitnah erteilt (Ausschreibung läuft), die notwendigen Architektenleistungen für die Sporthalle in Bliesheim sind vergeben, die Entkernung ist weitgehend abgeschlossen, so dass die Gewerke für die Sanierung sukzessive vergeben werden können. Als nächstes stehen die Planungen für den Sportplatz in Ahrem an."

  • Flüchtlingsunterkunft Blessem

Gerd Schiffer: "Mit hoher Priorität gilt es auch, die fast vollständig zerstörte Flüchtlingsunterkunft in Blessem, Radmacher Straße, wieder aufzubauen. Der Auftrag für den Hochbau ist zwischenzeitlich erfolgt. Allerdings müssen noch Erdarbeiten/Auffüllungen in größerem Umfang vorgenommen werden, damit die Anlage zukünftig hochwassergeschützt ist. Zwei größere Einheiten auf dem Gelände der Radmacher Straße konnten mit vertretbarem Aufwand wieder hergerichtet werden. Diese werden nach Lechenich zum Standort Brabanter Straße versetzt."

  • Feuerwehrgerätehäuser

Gerd Schiffer: "Darüber hinaus gilt es, die geschädigten Feuerwehrgerätehäuser wiederaufzubauen. Das Gerätehaus in Bliesheim hat einen statischen Totalschaden erlitten, so dass hier ein neuer Standort absehbar zu finden ist. Bis dahin gilt, das Gerätehaus als Provisorium wiederherzustellen. Auch das Gerätehaus in Blessem wird wieder in den Zustand versetzt, dass die Löschgruppe wieder dorthin zurückziehen kann. Beim Gerätehaus in Friesheim ist eine erhebliche Beschädigung des Daches zu sanieren."

  • Straßen

Gerd Schiffer: "Im Bereich der Straßen hat die Wiederherstellung der Kallenhofstraße in Bliesheim unlängst begonnen. Die Sanierung und Wiederherstellung des städtischen Straße- und Wegenetzes wird noch etliche Jahre andauern."

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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