Harlekin-Theater
Achterbahnfahrt in die „Mördergrube“

Was wird hier gespielt? Kirsten Palmer, Heinz Horst, Sebastian Dederichs, Martin Sobetzko, Claudia Werner und Claudia Sobetzko (v.l.) in der Harlekin-Inszenierung „Die Mördergrube“. | Foto: Ressing
  • Was wird hier gespielt? Kirsten Palmer, Heinz Horst, Sebastian Dederichs, Martin Sobetzko, Claudia Werner und Claudia Sobetzko (v.l.) in der Harlekin-Inszenierung „Die Mördergrube“.
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Frechen - Im Haus am Bahndamm feierte das Theaterensemble Harlekin Premiere des
Kriminalstücks „Mördergrube“.

Steckt hinter jedem Zufall ein tieferer Sinn? Das behauptet
Zeitungsverleger Robert Habeck (Hans Huppertz). Sein Nachbar,
Kriminalkommissar Walter Oehme (Andreas Grahl), hält das für Unsinn,
er verlässt sich lieber auf seinen Verstand. Habeck aber wettet sogar
darum mit Kulturredakteur Paul Dürlich (Martin Sobetzko).

Dieser wählt eine zufällige Todesanzeige aus und will hinter dem
Vorwand, eine Reportage über Trauerarbeit zu schreiben, die
Geschichte hinter dem Todesfall herausfinden.Doch im vermeintlichen
Trauerhaus ist nichts wie erwartet. Die Anwesenden sprechen fröhlich
dem Wein zu und bereiten einen Spieleabend vor. Noch seltsamer: Sie
haben Paul offenbar erwartet. Er soll das Spiel „Mördergrube“
leiten, bei dem schlimme Taten den Mitspielern zugeordnet werden
müssen. Dafür winkt ihm viel Geld. Paul willigt nach einigem Zögern
ein, doch als das Spiel Fahrt aufnimmt, wird ihm langsam mulmig.So
ging es auch dem Publikum im Theater am Bahndamm, das die Premiere der
neuen Produktion des Theaterensembles „Harlekin“ mit Spannung
verfolgte.

Die Kriminalgroteske von Christina Calvo, ursprünglich ein Hörspiel,
soll die Zuschauer mit auf eine Achterbahnfahrt nehmen, und das gelang
den Regisseuren Daniel Lemke und Mirco Leibig sowie dem Ensemble
hervorragend. „Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen
Anfang“, zitierte Sebastian Dederichs als Gymnasiallehrer Richard
Wolf passend Rilke.

So erzeugt der Einstieg in einem „Restaurant“ bei leiser Musik
Gemütlichkeit. Erstaunen macht sich breit, als die angebliche
Trauergesellschaft so gut gelaunt wirkt.

Man fühlt mit, als die gelöste Stimmung umschlägt, während
Gastgeberin Constanze Alban (Kirsten Palmer) leise ihre schlimmste Tat
gesteht: Sie fuhr eines Abends ein Kind an und beging Fahrerflucht.
Man zuckt zusammen und hebt innerlich den moralischen Zeigefinger, als
die Mitspieler, abgesehen von Paul, Constanze beispringen und die Tat
bagatellisieren: Das Kind sei selbst schuld gewesen, was habe es auch
im Dunkeln draußen zu suchen gehabt.

Solche Szenen wiederholen sich, etwa als Rechtsanwalt Edward Range
(Heinz Horst) berichtet, wie er einer Familie vom Prozess gegen einen
Chemiekonzern abriet, weil der Konzern darum „gebeten“ hatte, und
wie in der Folge ein Kind an Leukämie starb.

Auch Edwards Frau Pamela (Claudia Werner) sowie Richard Wolf und seine
Frau Marlene (Claudia Sobetzko) haben kein reines Gewissen. Einerseits
erschrecken die menschlichen Abgründe, die sich auftun - man könnte
auch sagen, die moralische Flexibilität der Charaktere –,
andererseits verleitet das Verharmlosen der Taten teils zum
unfreiwilligen Schmunzeln. Dies regt dazu an, die eigenen
Moralvorstellungen zu hinterfragen.

Den Schauspielern gelang es, die Charakterzüge ihrer Figuren gut
herauszuarbeiten. So konnte man sich in Martin Sobetzkos Journalisten
hineinversetzen, nahm man Dederichs den schlecht gelaunten,
aufbrausenden Lehrer ab und Claudia Sobetzko die leicht überdrehte
Naive. Wie üblich war die Bühne, als stilvoll eingerichtetes
Wohnzimmer inklusive Gemälde und Weinregal, sparsam mit Requisiten
versehen, um nicht von der Darstellung abzulenken.

„Wir haben mal einen etwas anderen Stoff ausgesucht“, erläuterten
Mirco Leibig und Daniel Lemke. Für die beiden, die sich über das
Improtheater kennenlernten, ist es die erste gemeinsame Inszenierung,
für Lemke die erste überhaupt. Leibig führte schon einmal beim
Erftstädter Theater Szene 93 Regie. „Schön, dass wir das Vertrauen
des Vereins bekommen haben“, betonten die Regisseure.

Wer wissen möchte, auf welches effektvolle Ende das Stück
hinarbeitet, hat bis zum ersten November-Wochenende noch Gelegenheit,
eine Aufführung zu besuchen. Die nächsten Termine sind am Freitag
und Samstag um 20 Uhr, am Sonntag um 18 Uhr, weitere unter:
www.harlekin-theater.de

- Britta Ressing

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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