Feuerwerke - Rechtsgrundlagen überdenken
Offener Brief des Siegburger Bürgermeisters

Foto: Pixabay

Siegburg - In einem offenen Brief wendet sich Bürgermeister Franz Huhn am 30.
Juli an Bundesinnenminister Horst Seehofer zum
Thema Feuerwerke.

Feuerwerke

Sehr geehrter Herr Bundesminister Seehofer,

der Umwelt, Natur- und Klimaschutz ist das derzeit alles
beherrschende Thema in Politik und Öffentlichkeit. So rufen immer
mehr Städte und Gemeinden in diesen Tagen und Wochen öffentlich den
Klimanotstand aus. Dies ist auch der grundsätzlich verständliche und
an sich nachvollziehbare Versuch, die drängenden Fragen und Probleme
des nicht mehr zu leugnenden Klimawandels ins öffentliche Bewusstsein
zu heben und werbend auf die Menschen einzuwirken, ihrerseits im
persönlichen Alltag mehr Verantwortung zu verspüren und zu
übernehmen bzw. entsprechend den Handlungsdruck auf politische
Akteure zu erhöhen.

Politik, egal auf welcher Ebene, darf sich nicht auf symbolische
Akte beschränken. Auf die richtige Sachpolitik kommt es am Ende an,
auf die mutigen Einzelschritte und die beharrliche Realisierung der
Gesamtkonzeption. Symbolische Akte sind nur da sinnvoll, wo sie nicht
von der inhaltlichen Anstrengung ablenken oder das falsche und
trügerische Gefühl vermitteln, nunmehr vermeintlich Entscheidendes
auf den Weg gebracht zu haben.

Die Politik ist in der Pflicht, alles Handeln auf umweltpolitische
Gesichtspunkte zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen. Selbst
der kleinste Baustein ist wichtig und darf nicht unangetastet bleiben.
Wir dürfen uns nicht mehr leisten, was wir uns leisten wollen.

Einer dieser Aspekte sind Feuerwerke, nicht nur anlässlich der
Feierlichkeiten zum Jahreswechsel, sondern auch bei
Großveranstaltungen. Hier sind im Rheinland insbesondere „Rhein in
Flammen“ in der Bundesstadt Bonn, Bingen/Rüdesheim, Koblenz,
Oberwesel und St. Goar sowie die „Kölner Lichter“ in Köln zu
nennen.

Zu Feuerwerken führt beispielsweise das Umweltbundesamt in einer
Veröffentlichung vom 27. Dezember 2018 aus, dass am ersten Tag des
neuen Jahres die Feinstaub-Konzentration vielerorts so hoch ist wie
sonst im ganzen Jahr nicht. Bei den Silvesterfeuerwerken werden rund
4.500 Tonnen Feinstaub (PM10) freigesetzt, diese Menge entspricht etwa
15,5 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegeben Feinstaubmenge
und circa 2,25 Prozent aller PM10-Emmissionen (2016).

Das Einatmen von Feinstaub gefährdet die menschliche Gesundheit.
Die Wirkungen reichen von vorübergehenden Beeinträchtigungen der
Atemwege über einen erhöhten Medikamentenbedarf bei Asthmatikern bis
hin zu Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen.

Zudem landen jedes Jahr Menschen mit Verletzungen durch
Feuerwerkskörper in den Notaufnahmen – mit Verbrennungen oder
Augenverletzungen bis hin zu dauerhaften Hörschäden. In Deutschland
erleiden jährlich 8.000 Menschen zu Silvester Verletzungen des
Innenohrs durch Feuerwerkskörper. Rund ein Drittel dieser Menschen
behält bleibende Schäden, so eine Meldung im Deutschen Ärzteblatt
im Jahre 2013.

Die lauten Explosionen sind auch für Tiere schädlich und werden
von ihnen als lebensbedrohliche Situation wahrgenommen. Feuerwerke
versetzen Tiere in Todesangst und Panik.

Feuerwerke setzen viel Feinstaub frei und sind damit letztendlich
ein Vergiften der Luft, das nicht mehr zeitgemäß ist.

In einer Onlineerhebung des Instituts Civey für die
Funke-Mediengruppe sprachen sich knapp 60 Prozent von mehr als 5.000
Befragten für ein generelles „Böllerverbot“ in dicht besiedelten
Umgebungen an Silvester aus. Der Beschuss von Menschen mit Raketen und
Böllern, die enorme Feinstaubbelastung und illegale Feuerwerkskörper
sind den Menschen ein Ärgernis.

Rechtsgrundlagen für das Abbrennen von Feuerwerken bilden das
Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) und die
Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV).

Für die Städte besteht keine Möglichkeit, über den vorgegebenen
Rahmen der 1. SprengV hinaus durch eigene Anordnungen tätig zu werden
und entsprechende Verbote zu erlassen.
Den Städten wurde lediglich in § 24 Absatz 2 der 1. SprengV die
Möglichkeit gegeben, das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen
einzuschränken. Demnach ist das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk in
der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandgefährlich
sind, auch am 31. Dezember und am 1. Januar nicht erlaubt. Zudem kann
die zuständige Behörde anordnen, dass pyrotechnische Gegenstände
der Kategorie 2 in bestimmten dicht besiedelten Städten oder Teilen
von Städten auch am 31. Dezember und 1. Januar nicht abgebrannt
werden dürfen. Dies gilt jedoch nicht für Raketen und die immer
beliebter werdenden Feuerwerksbatterien, sondern nur für Kracher.

Somit bieten die in der 1. SprengV vorgesehenen Ermächtigungen
keine Möglichkeit – insbesondere auch aus Gründen des Umwelt- und
Naturschutzes – zum Erlass eines generellen Abbrennverbotes von
pyrotechnischen Gegenständen.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich dafür einsetzen würden,
dass Legitimationen für Städte, Feuerwerke insbesondere aus Umwelt-
und Klimaschutzgründen zu verbieten, in die Erste
Sprengstoffverordnung aufgenommen werden.

Ich freue mich auf Ihre Stellungnahme.

Freundliche Grüße

(Franz Huhn) 

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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