Mehr Tempo für Erneuerbare
Experten zeigen Wege aus der Energiekrise auf

Jedes Windrad sorgt für Unabhängigkeit: Sieben Experten referierten in Weilerswist über die Lage im Energiesektor, über technische Neuerungen und über Chancen der energetischen Transformation für Unternehmen. Die einhellige Meinung: Es braucht mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren. | Foto: pixabay
  • Jedes Windrad sorgt für Unabhängigkeit: Sieben Experten referierten in Weilerswist über die Lage im Energiesektor, über technische Neuerungen und über Chancen der energetischen Transformation für Unternehmen. Die einhellige Meinung: Es braucht mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren.
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Steigende Preise für Gas, Strom und Benzin belasten die Unternehmen und Bürger zusehends. Ein Ende der steigenden Preise ist nicht absehbar. Die Gemeinde Weilerswist hatte nun unter der Federführung von Wirtschaftsförderer Henning Hand zu einer Informationsveranstaltung mit dem Titel „Energiekrise. Status quo und Lösungsansätze“ eingeladen.

Kreis Euskirchen (lk). Die einhellige Meinung der sieben eingeladenen Experten: Es braucht mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren: „Jede Wärmepumpe, jedes Windrad, jede Photovoltaikanlage sorgt für Unabhängigkeit“, sagte Christian Krebs von der Geschäftsleitung Energiebeschaffung bei der e-regio.

2020 habe man durchschnittlich für die Megawattstunde Strom 45 Euro bezahlt, zitiert Tom Steinicke den Beschaffungsexperten. Aktuell liege der Durchschnittspreis für das Jahr 2022 bei 284 Euro. Im August sei die Megawattstunde Strom sogar für 1000 Euro gehandelt worden. Auch der Gaspreis habe sich verzehnfacht.

Der Trend, dass der Gaspreis aktuell falle, habe mit den gut gefüllten Gasspeichern und der noch recht warmen Witterung zu tun. Die Gasspeicher seien zu 93 Prozent voll. Die von der Bundesregierung angestrebten 95 Prozent bis zum 1. November seien „sehr gut machbar“, wenn es nicht plötzlich sehr kalt werde. Der e-regio-Manager forderte die Unternehmen nochmals auf, konkrete Notfallpläne zu erarbeiten, sollte die Gasmangellage eintreffen. Wenn die Versorgung eingestellt werden müsse, sollten beispielsweise Überstunden und Urlaubstage abgebaut werden, so Krebs.

Derweil wolle die e-regio die erneubaren Energien „massiv ausbauen“. Bis 2035 will das Unternehmen, das gerade einen Windpark bei Reetz eröffnet hat, zu 100 Prozent auf Ökostrom setzen, um autark gegenüber Börsenschwankungen und Lieferengpässen zu sein. Bis 2040 wolle man klimaneutral sein. Fünf Jahre später soll die Region sogar klimapositiv sein – also mehr CO2 kompensieren, als zu verursachen. „Wenn nicht unsere Region das schafft, dann wird es für Ballungszentren schwer, überhaupt ihren Energiebedarf zu decken“, so Krebs.

„50 Prozent der Unternehmen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland“, berichtete anschließend Raphael Jonas, Geschäftsführer Innovation, Umwelt und Standort der IHK Aachen, der innerhalb seines Vortrags auch über das Ziel eines klimaneutralen Gewerbegebiets sprach. Die IHK Aachen spricht sich unter anderem dafür aus, alle verfügbaren Kohle- und Ölkraftwerke in den Markt zurückzuholen. Die Strom- und Energiesteuer solle zudem auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden.

„Der Ausbauplan für erneuerbare Energien ist ambitioniert. Der Weg ist aber alternativlos. Wir müssen allerdings viel schneller werden beim Ausbau. Was heute noch nicht geplant ist, werden wir vor 2030 nicht sehen “, so Jonas.

Zu Gast war auch Professor Tanja Clees vom Institut für Technik, Ressourcenschonung und Energieeffizienz an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Klimafreundlich hergestellter Wasserstoff soll eine entscheidende Rolle bei der Energiewende und dem Erreichen der Klimaziele spielen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Transport-Infrastruktur. Der Frage zum Transport des Wasserstoffs in die Region geht die Netzspezialistin intensiv nach. Allerdings stellte sie fest: „Es ist traurig, wie langsam Deutschland beim Ausbau von erneuerbaren Energien oder dem Wasserstoff ist.“

Denn Clees ist auch Expertin für Wasserstoff und macht sich dafür stark, vorhandene Gasleitungen als Speicher für Wasserstoff zu nutzen. Bis ein Anschluss des Kreises an ein großes Wasserstoffnetz erfolgen könnte, vergehen laut Clees aber noch mindestens acht Jahre.

Sebastian Pönsgen, Geschäftsführer des Zülpicher Unternehmens Priogo, stellte in seinem Vortrag fest: „Wir schaffen das.“ Gemeint war damit allerdings nicht eine Analogie zum Kanzlerinnen-Zitat, sondern die Skihalle in Neuss, die sein Unternehmen so ausrüstet, dass die Halle im kommenden Jahr klimaneutral ist. Dafür wird etwa die Abwärme der Kälteanlage genutzt – in Kombination mit dem Löschwasserbunker, der als Energiespeicher genutzt wird.

Mithilfe solcher Mittel oder auch Photovoltaikanlagen hätten kleine und mittelständische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, wird Pönsgen weiter zitiert. Der Preis für Strom werde nicht wieder auf das Niveau von vor der Krise fallen, prognostizierte Pönsgen. Deshalb sei es sinnvoll, nun in diesen Bereich zu investieren. „Die meisten Unternehmen beschäftigen sich immer noch nicht mit der Energiewende“, so der Experte: „Wir brauchen einen Ausbildungsmarkt für erneuerbaren Energien in der Region.“

„Jede Krise ist auch eine Chance. In dem Fall für erneuerbare Energien“, sagte Peter Gier, Abteilungsleiter „Energie“ bei der Aachener Gesellschaft für Innovation- und Technologietransfer (AGIT). Er hatte Positivbeispiele im Gepäck – etwa die „Grüne Talachse Stolberg“ oder die MultiTess-Anlage der FH Aachen in Jülich. Während es im ersten Projekt darum geht, die energetische Transformation auch mit energieintensiven Industrieunternehmen in der Kupferstadt Stolberg voranzutreiben, handelt es sich bei dem zweiten Projekt um eine innovative Speicherlösung. Für Peter Gier von der AGIT gibt es für all diese Projekte ein Erfolgsrezept: „Die Akteure müssen zusammenspielen. Politik und Unternehmen.“

Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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