Arbeits-Urlaub
Wolfgang Steimel fährt jährlich zur Fronarbeit in die Schweiz

Mittagsrast am Bahnhof Oberwald - rechts vorne Wolfgang Steimel. | Foto: privat/Steimel
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  • Mittagsrast am Bahnhof Oberwald - rechts vorne Wolfgang Steimel.
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REGION - Hobby-Arbeits-Urlaub könnte man als Überschrift wählen, es
würde allem Rechnung tragen, dem Hobby, der Arbeit und dem Urlaub.
Ein Arbeitskollege aus der Schweiz hatte Wolfgang Steimel aus
Ruppichteroth mit seinen Erzählungen im Jahre 2011 regelrecht
„heiß" gemacht auf diese Art produktive Freizeit.

Sein Hobby, wie bei vielen Schweizern, ist die Eisenbahn, aber viel
mehr als nur die HO Spur. Wie könnte man auch sagen: richtige Männer
spielen mit richtigen Eisenbahnen – auch in der Schweiz durchaus
machbar.

Hobby-Arbeits-Urlaub könnte man als Überschrift wählen, es würde
allem Rechnung tragen, dem Hobby, der Arbeit und dem Urlaub. Ein
Arbeitskollege aus der Schweiz hatte Wolfgang Steimel aus
Ruppichteroth mit seinen Erzählungen im Jahre 2011 regelrecht
„heiß" gemacht auf diese Art produktive Freizeit.

Sein Hobby, wie bei vielen Schweizern, ist die Eisenbahn, aber viel
mehr als nur die HO Spur. Wie könnte man auch sagen: richtige Männer
spielen mit richtigen Eisenbahnen – auch in der Schweiz durchaus
machbar.

Die Vorgeschichte

1983 hat sich in der Schweiz, in der Region Furka (Kanton Uri und
Wallis), aus einer solchen Interessengemeinschaft „Dampfbahn" der
Verein zur Wiederinbetriebnahme und Erhaltung der Furkabahn
gegründet. Ein Riesenprojekt, das sich aber nicht ausschließlich mit
Geld stemmen ließ: Freiwillige Arbeiter mussten her, sogenannte
„Frondienstler", die ohne Entgeld, nur gegen Essen und Schlafen ihre
Arbeitskraft zur Verfügung stellen, Leute aus ganz unterschiedlichen
Berufszweigen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten. Diese
Mitstreiter hatte man schnell gefunden, nicht nur in der Schweiz, auch
in Deutschland, Belgien und in den Niederlanden - der Verein zählt
heute mehr als 8.000 Mitglieder.

Dieses Erfolgsrezept hat dazu geführt, dass die Bahn schon nach
wenigen Jahren ihre Fahrt wieder aufnehmen konnte. Inzwischen verkehrt
sie in den Sommermonaten zwischen den Orten Realp und Oberwald, bei
jeder Fahrt klettert sie den Furkapass bis 2.160 m hoch und auf der
anderen Seite wieder runter, gehalten, neben den üblichen
Wagenrädern, von einem großen Zahnkranz mittig unter der Lok, der
sich auf der mittleren Zahnstange zwischen den Schienensträngen
abwälzt. Technik pur, konstruktiv gelöst auf engstem Raum.

 

Der Einsatz

So hat Steimel sich zum Arbeitseinsatz als Frondienstler 2012 erstmals
angemeldet mit der Sektion Ostschweiz. Anreise war sonntags, schönes
Wetter und gute Fernsicht erwarteten ihn bereits in Basel an der
Grenze, der Kofferraum voll mit Arbeitsklamotten, Hut, festem
Schuhwerk, Regensachen und Gummistiefel – natürlich durfte auch
Sonnencreme mit sehr hohem Lichtschutzfaktor nicht fehlen.

An der Station Realp waren alle „Frondienstler" einfach, aber sauber
untergebracht, ein Mehrbettzimmer wurde bezogen und erste
Bekanntschaft mit dem sehr schwer verständlichen „Schwyzerdütsch"
gemacht, so auch mit dem Zimmernachbar von Steimel, der, so stellte
sich später heraus, noch etwas ganz Besonderes darstellte. Er hatte
sein Musikinstrument dabei, das er jeden Morgen kurz vor 6 Uhr
zusammenbaute, um allen mit den Alphornklängen seiner „Suiss Lady"
zu wecken, begleitet vom Glockenklang der Kühe, die rundherum auf den
Bergweiden grasten.

Minutiös ausgearbeiteter Plan

Welcher Urlauber hat das schon? Am ersten Morgen - ca. 30
Frondienstler saßen im Frühstücksraum - wurden die geplanten
Arbeiten für die KW 26 von Manfred Willi, Chef der Bauabteilung, nach
einem minutiös ausgearbeiteten Plan vorgelesen und verteilt.

Nicht alles hat man verstanden, aber dafür gab´s ja Spezialisten,
die sich schon 20 Jahre und mehr für diese Sache einsetzen, der eine
war Elektroingenieur, der andere Diplombauingenieur, andere wieder
waren gelernte Gleisbauer oder Maschinenbauingenieure, geballtes
Wissen, das hier zum Nutzen der Sache „Dampfbahn" eingesetzt wurde.

Baustellenlärm begleitet vom Klang der Kuhglocken

Schnell verteilten sich alle auf die diversen Baustellen, einige
fuhren mit dem Bauzug auf die Strecke, andere mit Kleinlastern, der
Rest hatte genügend Arbeit an der Station Realp selbst.
Kohlenschütten wurden ins Lot gebracht, Fundamente gegossen,
Absauganlagen installiert, Beton aufgeschnitten und Schienen verlegt,
an allen Ecken wurde gewerkelt. Die Frondienstler waren immer gut zu
erkennen: die orangefarbene Warnkleidung machte sie weithin sichtbar.
Der Baustellenlärm wurde im Hintergrund begleitet vom Klang der
Kuhglocken. Auch eine Sicherheitseinweisung gehörte zum Programm für
neue Fronis, also auch für Steimel.

Mittagsverpflegung und „Nachtessen", wie die Schweizer so schön
sagen, gab´s stets gemeinsam in der Kantine. Jeder hatte etwas zu
berichten vom Tag. An den ersten Tagen wurde meistens über das Wetter
gesprochen. Spätestens abends dann beim Bierchen im „Pöschtli" war
auch dieses Thema durch. Man war froh, zufrieden, natürlich auch
müde, aber stolz, dass man an diesem großen Werk Teil haben konnte.

Spitzhacke schwingen umgeben von Zweitausendern

Spannend wurde es am dritten Tag, als es hieß: heute geht es mit dem
Bauzug hinaus. Große 450 mm Kunststoffrohre, sechs Meter lang,
sollten quer unter den Schienensträngen verlegt werden um das viele
Wasser aus den Bergen kontrolliert ab zu leiten, um ein Unterspülen
der Schienen zu verhindern.

Draußen im Gelände, umgeben von Zweitausendern mit Schneefeldern und
Gletschern, standen die Fronis knöcheltief im Wasser, schwangen die
Spitzhacke und die Schippe bei inzwischen sommerlichem Wetter und
Temperaturen von mehr als 25 Grad. Aber umgeben von einer Natur, wie
man sie sonst ja nur aus Urlaub in den Bergen kennt, wurden auch
solche mühsamen Arbeiten besser erträglich.

Nach getaner Arbeit hieß es Handwerkszeug verladen und aufsitzen, die
Diesellok, die die Fronis zur Arbeitsstelle gezogen hatte, musste
jetzt alle zur Station Realp zurück schieben.

Schafe verhindern die Rückfahrt zur Heim-Station

Doch sie kam nicht weit, plötzlich standen mehr als ein Dutzend
Schafe auf den Schienen, die in dieser Region im Sommer frei herum
laufen. Also hieß es für alle „absitzen" und die Schafe in ein
sicheres Refugium treiben.

Das Feierabendgläschen im Dorfwirtshaus Pöschtli schmeckte immer
besser, hatte sich doch inzwischen besser kennen gelernt, und man
verstand vom sogar Schweizer Dialekt schon einiges mehr als am ersten
Tag. Einige „Fronis" aus der Sektion Schwaben gesellten sich an den
Tisch, sie waren es dann auch, die das alte Liedchen von der
„Schwäb´schen Eisenbahne" anstimmten, mindestens 15 Strophen
beherrschte der Vorsänger.

Am nächsten Tag ging es bis zur Station Gletsch, wo der Verein ein
großes Gebäude unterhält, das so genannte „Blauhaus" am Fuße des
Rhônegletschers. Der Zimmernachbar von Steimel, der Alphornbläser,
hatte vorsorglich sein Instrument dabei, vor imponierender
Alpenkulisse rief er mit seinen unnachahmlichen Klängen zum
Mittagstisch. So etwas kann man nicht als Urlaub buchen, so etwas ist
einmalig.

Dampflok stand bereit zum ersten Einsatz

An den beiden letzten Tagen war noch Drainagerohr verlegen angesagt,
erneut musste die Schippe geschwungen werden, als der Beton
angeliefert wurde. Freitags wurde es auf einmal unruhig auf der
Baustelle, eine der vier Dampfloks war bereits vorgeheizt, sie stand
bereit zu ihrem ersten Einsatz an diesem Wochenende. Als sie den
Lokschuppen verlies, legte jeder sein Arbeitsgerät nieder und zückte
sein Handy oder auch eine Kamera, um schnell ein paar Schnappschüsse
zu machen. Ein bewegendes Bild, diese mehr als hundert Jahre alte
Dampflok vor dem Hinterrund der Schweizer Alpen. Als sie dann zur
Ausfahrt mit Gästen startete, winkten alle Fronis hinterher, um sich
danach wieder an die Arbeit zu machen.

Schon heute steht fest, er fährt im Jahr 2017 in der Kalenderwoche 26
wieder zu einem Frondiensteinsatz, das wäre dann bereits der fünfte
Einsatz an der Furka.

Nähere Infos zur Bahn unter Tel.: 0041 – 848 000 144 oder via
Internet unter: www.dfb.ch

Viele Fotos unter:

www.extra-blatt.de

Mittagsrast am Bahnhof Oberwald - rechts vorne Wolfgang Steimel. | Foto: privat/Steimel
Täglich weckte der Zimmernachbar die Schlafenden mit den Alphornklängen seiner „Suiss Lady".  | Foto: privat
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