Karnevalisten in den Startlöchern
Ein erster Lachmuskel-Test für die Literaten

Waschecht kölsch: Annegret vom Wochenmarkt begeisterte mit schnoddrigen Erzählungen vom Wochenmarkt und Ehemann „Häbbett“. | Foto: Christina Stemmermann
  • Waschecht kölsch: Annegret vom Wochenmarkt begeisterte mit schnoddrigen Erzählungen vom Wochenmarkt und Ehemann „Häbbett“.
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Pulheim. Da war bereits im September schon Remmidemmi in der
„Fastelovendbarack“! Im Zusammenhang mit dem Dr. Hans Köster-Saal
von einer Baracke zu sprechen ist zwar verwegen, aber Karnevalisten
wie „Prinz Beukelar- der Erste von der Rolle“ dürfen das zum
Zwecke der Lachmuskelaktivierung mal sagen. 

Statt wie sonst ins gerade wasserschadengeplagte Haus Burgpark
einzuladen, hatte der Karnevalsverbund Rhein-Erft 1957 e.V. in diesem
Jahr kurzfristig mit dem großen Vorstellabend der Bühnenkünstler im
Karneval nach Pulheim ausweichen müssen. „Das Umdisponieren war
natürlich eine größere Kraftaktion, aber der Hans Köster-Saal hat
sich dann mit seinen um die 130 mehr Sitzplätzen als ideal
erwiesen“, sagte der Pressesprecher des Karnevalsverbundes Jürgen
Sender. „So konnten sich noch mehr Vereine anmelden.“ Neben den
160 Vereinen des eigenen Verbandes kamen zahlreiche Literaten aus
Köln, der Eifel, dem Ruhrpott und dem restlichen Rheinland, um die
teilweise gestandenen, aber vor allem die Newcomer der Bühnenkunst zu
begutachten und womöglich für eigene Veranstaltungen zu buchen. In
diesjähriger Kooperation mit der Künstlervermittlung der
Bundesagentur für Arbeit Köln hatte das Literatengremium zuvor 60
Bewerber aus ganz Deutschland gekastet. Es traten schließlich in
Pulheim 21 Künstler vor ein kritisches Fachpublikum, das überwiegend
aus Programmgestaltern bestand. 
Nach der Begrüßung der Honoratioren und der Karnevalisten durch
Verbandspräsident Peter Neukirchen und Jürgen Sender, hier in der
Funktion als Moderator, ging es zügig zur Sache. Innerhalb von
jeweils 10 Minuten durften Musik- und Tanzgruppen sowie Redner zeigen,
ob sie das Publikum auf Touren bringen können. Durchgängig begleitet
wurde das komplette über dreistündige Programm hervorragend von der
Kapelle „Kölsch Ton“, die jeweils flexibel und punktgenau auf die
einzelnen Auftritte eingehen konnte. „Auch Kölsch Ton ist
buchbar“, erläuterte Sender, „und das zu leistbaren
Konditionen.“ Bezahlbarkeit sei ein zunehmend wichtiges Thema für
die Karnevalsgesellschaften. 
Das Vorprogramm mit dem wortgewaltigen kölschkundigen Entertainer
Karl Timmermann stimmte die Gäste bereits auf eine spannende Abfolge
von Shows mit Musikcorps, Bands, Literaten, Comedy-Künstlern und
Tanzgruppen ein. Den Start lieferte das Musikcorps Kölner Husaren
grün-gelb, bereits gegründet in 1959 als Musikcorps der KG
Köln-Longerich grün-gelb von 1895. Die 13-jährige Josephine Ohly
als Vertreterin der karnevalistischen Jugend lieferte moderne
Karnevalssongs nach dem Motto: „Kölsch met Hätz“, die trotz
Moderne den urigen Einschlag nicht vermissen ließen. Prinz Beukelar-
der Erste von der Rolle, betonte auf der Bühne, er habe lange nicht
mehr einen so schönen Einlauf erlebt, wie im Köster-Saal. Mit viel
Wortwitz und immer knapp vorbei an der Grenze des Knigge-Codex stellte
er sich als „Mietprinz“ mit der Aufforderung: „Rent a prince“
und unter Einfluss des einen oder anderen „flüssigen
Hefeteilchens“ beim „Verstellabend“ vor. Musikalisch glänzten
darauf wieder Uwe E., der ein dynamisches, mitreißendes Lied extra
für den „starzen Buur“ im Dreigestirn geschrieben hat sowie die
jungen Musiker von Kölschraum, die mit ihrem rockigen Kölsch
modernes Liedgut für junge sowie junggebliebene Karnevalisten bereit
halten. Die Tanzgruppen Rezag-Girls und Fidele Fordler zeigten
ebenfalls, dass moderne Choreografien zu ebenso moderner, wie auch zu
klassischer Karnevalsmusik machbar sind. Beachtliche Wurf- und
Hebefiguren waren inklusive. Anders dann: Wortakrobatik mit
Plastiktüten! Frischen Wind lieferte Brian O`Gott, der das Publikum
gewitzt durch die Welt der großen Handelsketten führte, seine
Erzählung aber gekonnt abseits derselben präsentierte.
„Bürofachkraft Helga Raspel“ kam als Tischfeuerwerk der Erotik
mit dem Vorsatz an: Humor ist, wenn man trotzdem locht! Ihre
feinsinnigen Gags aus dem Leben einer Angestellten, deren Kollege
wegen „mangelndem Desinteresse“ gefeuert worden ist, bedürfen
allerdings der Fähigkeit, genauer hinzuhören, um die witzigen
Nuancen neben all dem offensichtlich Witzigem wahrzunehmen. Gutes
Programm für Karneval mit Schwerpunkt Hören! „Annegret vom
Wochenmarkt“ hatte mit ihrer geradlinigen kölschen Mundart wieder
leichteres Spiel. Sie hat zwar „die Potenz vom Häbbett“ (Herbert)
fortgeräumt, kann aber dafür gut kochen. Es schmeckt halt nur nicht.
Auch die folgenden Darbietungen mit „Jot Drop“, Peter Kolb, Musik
der Altreucher sowie Kai Kramosta, dem Pfundskerl, kamen gut an. Ein
besonderer Höhepunkt war neben den Tanzgruppen Rot-Weiß Bechen,
Tanzgarde Marialinden und den Steinenbrücker Schiffermädchen noch
„Labbes on Drickes“, die im Zwiegespräch die dollsten Thesen
aufstellten. Die Vollblutmusiker mit der kölschen Band „Paroli“
lieferten ab, was das Publikum wollte: Modernes, poppiges Liedgut aus
eigener Feder, immer mit Anknüpfung an das klassisch-traditionelle
Karnevalsempfinden. Die Drummerholics boten mit ihrer fulminanten
Percussion-Show zum Schluss noch ein ganz anderes Genre auf und
demonstrierten ein rhythmisches Feuerwerk beeindruckender
Showelemente, die begeisterten. „Wir probieren bei unserem
Vorstellabend gerne einmal etwas aus, damit die gewünschte
Abwechslung auf die Karnevalsbühnen kommt. Das hat sich auch diesmal
bewährt“, resümierte Jürgen Sender. „Jetzt entscheiden die
Programmgestalter, wen sie buchen möchten!“
www.k-r-e.de 

 

- Christina Stemmermann

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RAG - Redaktion

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