Nachdenkliches
Kampf der Erinnerung …

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… oder nur noch ein müdes Lächeln? Wenn alte Wunden wieder aufreißen!

Ich bin stolz! Mit Recht! Auf Anregung eines Stammtisch-“Freundes“ und dann auf Grund eigener Bewerbung durfte ich einen langen Beitrag im Oster-Pfarrbrief einer großen katholischen Kirchengemeinde schreiben! Zusätzlich, ebenfalls auf Bewerbung, auch im Pfarrbrief unserer altehrwürdigen ehemaligen Benediktiner-Abtei, der ich angehöre. Auflage je um die 5.000 Stück! Meinen Beitrag habe ich geschmückt mit dem wunderschönen Blütenmakro einer Rhododendron-Knospe!

Ein anderer Beitrag eines männlichen Schreibers in unserem Pfarrbrief zum Thema „Bleiben oder gehen?“ (Kirchenaustritte) mit dem Schwerpunkt „... oder gehen?“ hat mich sehr verwundert! Sehr tolerant und welt- und realitätsoffen, diesen Beitrag GEGEN die katholische Kirche zu veröffentlichen! Das hätte es früher nicht gegeben!

Und mit diesem Beitrag war die Lawine bei mir los getreten! Nun sitze ich an meinem Lieblingsplatz am Teich mit den großen bunten Koi-Karpfen, und es rattert unaufhörlich in meinem Kopf! Es hämmert! Und es tut weh! Tränchen kullern.

Katholische Kirche! Ich war neun Jahre lang, 1957 bis 1966, auf der strengsten katholischen Nonnenschule von Köln! Die meisten Lehrkräfte waren Nonnen. Wenige weltliche Lehrer. Die Direktions-Nonne ging auf die achtzig zu und hatte trotzdem alles fest im Griff! Ihren Adleraugen entging nichts!

Jeden Morgen und mittags nach der großen Pause sammelten sich alle etwa 400 Schülerinnen oder mehr (die genaue Zahl weiß ich nicht mehr) in der Aula, klassenweise in Zweierreihen, und die Direx-Nonne stand vorne vor uns, erhöht auf einer Treppenstufe und jagte Respekt und Angst ein. Alles und alle hatte sie im Blick! Sogar die meisten Schülerinnen mit Namen seltsamerweise! Eine reine Mädchen-Schule! Jungens waren kein Thema! Hatten für uns nicht zu existieren!

Keine langen Hosen! Auch nicht in der dicksten Kälte! Keine ärmellosen Kleider! Auch nicht in der dicksten Hitze! Keine zu kurzen Kleider! Mindestens knielang! Beim Sport „sportliche“ schwarze weite Turnhosen bis über die Knie, meint ... bis unterhalb vom Knie! Schminke nein! Auch nicht in den oberen Klassen! Schön züchtig alles! „Kein evangelisches Toilettenpapier für katholische Schülerinnen!“ Ein Ausspruch der Direx-Nonne bei einem Elternabend! Voller Ernst!

Als ich ungefähr elf oder zwölf Jahre alt war, bin ich beim Sport aus ca. zwei Metern Höhe beim Schwingen von den Ringen auf den Boden und auf den Rücken geknallt! Ein Ledergurt war gerissen! Die Direx-Nonne wurde gerufen und hat sich rührend um mich gekümmert! „Wenn Du jetzt tot wärst“, meinte sie, „dann würde die ganze Klasse mit zu Deiner Beerdigung gehen! Wäre das nicht schön !??“ Meine Eltern sind im Quadrat gesprungen, als sie das hörten!

Ich komme aus einer etwas künstlerisch angehauchten Familie. Mein Großvater hat große phantastische Ölbilder gemalt. Meine Großmutter und mein Vater haben wunderbar Klavier gespielt. Das zeichnerische Talent meines Großvaters habe ich wohl geerbt. Somit hatte ich im Zeichnen immer sehr gute Noten! War einfach so und nichts Besonderes für mich! Und dann kam Frau Krause! Auf dem nächsten Zeugnis hatte ich in Zeichnen eine FÜNF! Meine Eltern staunten nicht schlecht. Und haben über diese Note nur gelacht! Nach den Ferien fragte mich Frau Krause vor der ganzen Klasse, was denn meine Eltern zu meiner Note gesagt haben. Meine ehrliche Antwort, ich war noch klein, „.... sie haben gelacht.“ Zack, griff Frau Krause nach meinem Hinterkopf und schlug mich ein paar Mal mit der Stirn auf das Pult!

Unser Religionslehrer war ein „toller Typ“, wie man heute sagen würde! Es gab keine Klassenkameradin, die nicht verliebt in ihn war! Wir waren ungefähr 12, 13 oder 14 Jahre alt. Seine Spezialität, wenn ihm etwas nicht passte: Ein langes Kunststoff-Lineal in der Hand nach hinten spannen und dann auf unsere Hand oder Finger, die wir auf das Pult legen mussten, mit Karacho flitschen lassen. Die größte Dummheit oder Frechheit hätte diesen plötzlichen Schmerz nicht gerechtfertigt! Züchtigung nennt man das wohl, oder?

Ich ging in die Tanzschule mit 13, 14 oder 15 Jahren! Wann ging man früher in die Tanzschule? Und an einem Sonntag ging ich zum Tanztee. Mit klarem farblosem Nagellack auf den Fingernägeln. Am nächsten Tag, Montag, der Lack war noch drauf. Erste Stunde Mathematik! Bei der Direx-Nonne! Da ich groß war, saß ich in der Klasse immer hinten. Ein Röntgenblick von Schwester Maria Co..., und ein Donner ging durch die Klasse! „Ellen, geh sofort auf die Toilette, und mach den Nagellack von Deinen Nägeln !!!“ So stand ich dann in der Toilette und knibbelte und knibbelte, mit Angstgefühlen in der Magengegend und grottenschlechtem Gewissen und Schuldgefühlen, weil ich den Nagellack nicht ab bekam! Wie auch?

Unsere Schule, streng katholische Nonnen! Erwähnte ich schon! Einige Meter gegenüber war ein Jungen-Gymnasium, Apostel-Gymnasium, kurz APG. In der großen Pause kamen dann schon mal ein paar Jungs zu uns herüber an den Zaun oder an die Hecke zwecks näheren Kontaktes. Herzklopfen pur! Ergebnis: UNSERE Pausen wurden zeitlich verlegt!, weil Kontakt mit Jungens unmoralisch war und nicht geduldet wurde!

Katholische Kirche! Streng katholische Nonnenschule! Gebetet wurde jeden Morgen und mittags um 12 Uhr (den „Engel des Herrn“, hab ich im Kopf!). Und wenn sich noch andere Möglichkeiten boten, wurde wieder gebetet! Jeden Sonntag, fast jeden Sonntag, habe ich um 9 Uhr die Kindermesse in unserer Kirche vorgebetet! Meine Pfarrkirche war ein paar Meter von unserer Schule entfernt. Ich stand am Anfang der Bank. Neben mir saß Schwester Maria M... unsere Handarbeitsnonne! In meiner Erinnerung eine „liebe“ Nonne! Unsere Erstkommunion war der schönste Tag in unserem Leben !!! Wurde uns eingebläut! In diesen neun Jahren habe ich für mein ganzes Leben genug gebetet! Bis an mein Lebensende!

Unsere Geschichtsnonne konnte mich wohl nicht leiden! Sie musste ziemlich zu mir hoch schauen. Sie war klein und ich groß! Sie hat mich gezwiebelt! Und sie hat mich gezwungen zu lernen und mir ganz klar zu verstehen gegeben, dass sie mich in der Abschlussprüfung dran nehmen wird. Geschichte mochte ich nicht! Oder diese kleine „biestige“ Nonne mochte ich nicht !?? Ich habe gelernt und gelernt, Nächte hindurch! Und sie hat mich schlussendlich NICHT in die Prüfung genommen! Reine Schikane! Geschichte mag ich heute noch nicht! Mit Geschichte kann man mich jagen!

Ich könnte noch endlos weitere Begebenheiten aufschreiben, aber ich denke, es reicht! Außerdem greift mich die Erinnerung in meinem Innern, wie ich gerade merke, nach inzwischen über 60 (sechzig !!!) Jahren immer noch ziemlich an, tut weh und macht traurig und etwas verzweifelt. Die Schulzeit prägt für ein ganzes Leben!

Meine Eltern haben mich auf diese Schule geschickt, weil sie das nächst gelegene Gymnasium zu meinem Zuhause war! Und nicht, weil meine Eltern streng katholisch waren und Wert auf diesen „Drill“ gelegt hätten! Ich konnte zu Fuß zur Schule gehen. Der Weg war nicht weit.

Als ich die Schule mit 18 Jahren, immer als jüngste Schülerin meiner Klasse, mit bestandenem Abitur verlassen habe, habe ich keine Kirche mehr betreten !!!! Endlich war ich frei! Es hat lange Zeit gedauert ... Jahre, bis ich begriffen hatte, dass nun aller Zwang, täglich und seit Jahren, aller Druck, das Arbeiten seitens der katholischen Schule und der Nonnen mit schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen, mit Sünde und Strafe, endlich ein Ende hatte! Manchmal sitzt mir dieser Drill immer noch in den Knochen! Ganz verlieren werden sich meine Erinnerungen an neun Jahre strengsten katholischen Nonnen-Drill möglicherweise nie. Das hat sich irgendwie festgefressen!

Wie nun mein Verhältnis zur katholischen Kirche durch diese neun Jahre geprägt wurde, muss ich wohl nicht näher erläutern !??

Ende vom Lied:
Ich habe kirchlich geheiratet! Ökumenisch! Mit katholischem Priester und evangelischem Pastor. In Niedersachsen. Meinen Schwiegereltern zu Liebe. Meine Kinder sind getauft, katholisch von mir erzogen, zur Kommunion gegangen und gefirmt.

Heute gehe ich gerne in eine Kirche … wenn sie LEER ist !!! OHNE Messe! OHNE Menschen! Ich genieße die Ruhe und den Frieden, meditiere, besinne mich auf mich selbst, finde zu mir und fühle mich MEINEM LIEBEN GOTT nahe! Ich habe im Laufe meines Lebens meine EIGENE Religion entwickelt, meinen EIGENEN Glauben! Natürlich aber angelehnt an meine Erziehung! Und damit bin ich bisher immer gut gefahren! Ich habe „meinen lieben Gott“ immer und überall in meiner rechten Westentasche! So denke und sage ich das! Und er hat sich bisher darüber noch nie beschwert! Und mit dabei ist immer mein Schutzengel! Michael.

Mein jüngerer Sohn hat NICHT kirchlich geheiratet! Wohl aber mit einem wunderbaren katholischen Priester, der aus der Kirche ausgetreten war, ausgetreten wurde, weil er eine Frau kennen- und lieben gelernt hatte und sich dazu bekannt hat! Und somit nur noch als Religionslehrer arbeiten durfte, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Eine TRAUMHOCHZEIT! So wunderschön, warmherzig, menschlich und liebevoll gestaltet von einem ehemaligen Priester, der weiß, dass er vom Leben spricht und von der Liebe zwischen Mann und Frau, Frau und Mann! Bei kaum einem der achtzig Gäste blieben die Augen trocken! Bei mir schon gar nicht! Unbeschreiblich schön! Bei Traumwetter. Auf der Kölner Pferderennbahn! Mit einer Art Altar und einer wunderwunderschönen Zeremonie! Diesen Ex-Priester, der meine Kinder aus vollem Herzen und mit Liebe getraut hat, habe ich nach der Trauung mit Tränen der Rührung, der Begeisterung und der Dankbarkeit ganz feste und lange umarmt! Und mit einiger Mühe hat meine zitternde Stimme auch die entsprechenden Worte gefunden!

Im Laufe der Jahre war ich auf vielen Beerdigungen! Liebe Menschen waren verstorben. Viele „meiner“ Senioren und Seniorinnen, die jahrelang Teilnehmer bei meinen Reiseleitungen waren und die mir treu gefolgt sind auf jeder Reise. Bei diesen Beerdigungen habe ich zahlreiche katholische Geistliche mit ihren Grabreden erlebt. Aber auch sehr viele private, NICHT kirchliche Trauerredner*innen, falls das so richtig ausgedrückt ist. Die Ansprachen von diesen nicht-kirchlichen Trauerrednern, teilweise Frauen, in der Trauerhalle und am Grab waren so von Mitgefühl getragen, vom Wissen um das Erlebte in einem Leben, vom Einblick in Familie, Lebensprobleme, Nöte und Traurigkeiten, von der Begeisterung und Freude im Leben des/der Verstorbenen … einfach wunderschön, berührend, voller Empathie und Mitgefühl für die Hinterbliebenen! Es war eine absolute Bereicherung, diesen privaten Trauerrednern zuzuhören, wenn ich das einmal so sagen darf! Für MEIN Lebensende habe ich mich für einen privaten, nicht-kirchlichen Trauerredner entschieden und nicht für einen Priester der katholischen Kirche!

Ob ICH inzwischen bei all meinen unguten Erfahrungen mit der katholischen Kirche aus dieser ausgetreten bin? Nein, bin ich nicht! Noch nicht!

(C)eth

LeserReporter/in:

Ellen Thoms aus Pulheim

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