Trockensommer fordert seinen Tribut
Borkenkäfer machen den Fichten den Garaus

Kahlschlag im einstigen Fichtenwald. Die Stadt Bad Honnef hat sich entschieden, die Fichtenbestände auszuholzen. | Foto: Zumbusch
  • Kahlschlag im einstigen Fichtenwald. Die Stadt Bad Honnef hat sich entschieden, die Fichtenbestände auszuholzen.
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Bad Honnef - Fabian Pinto, Geschäftsbereichsleiter Städtebau, versucht es bei
einer Begehung im vom Borkenkäfer befallenen Stadtwald von Bad Honnef
mit einem naturphilosophischen Ansatz: „Eigentlich tut der
Borkenkäfer nix Böses, er lebt ja nur.“ In gesunden Wäldern sei
der Borkenkäfer durchaus im Lebensraum Fichte anzutreffen. Eine
Fichte könne sich gegen den Käferbefall wehren. Sie umharze den
ungebetenen Gast und entzöge ihm damit den Lebensraum Baumstamm.

Die trockenen Sommer im vergangenen und in diesem Jahr indes
schwächten den Fichtenbestand. Der Wassermangel mache die natürliche
Abwehr hinfällig, weil Harz nicht mehr in dem Maße gebildet werden
könne. „Das Wetter hat gegen uns gearbeitet“, greift Stephan
Schütte vom Regionalforstamt Rhein-Sieg Erft auf. Bis zu 1,80 Meter
seien die Böden ausgetrocknet. Der Borkenkäfer findet also beste
Bedingungen und kann als Paar vereint mit seiner vierten Generation
bis zu über eine Million Nachkommen zeugen.

Das Szenario, was wäre, wenn der Mensch nun nicht in diese
Naturdramatik eingriffe, sondern den Fichtenwald sich selbst und damit
seinem Schicksal überließe, will sich Schütte nicht vorstellen.
Zunächst gelte es, die betroffenen Bäume abzuholzen, um
Erholungssuchende zu schützen. Abgestorbene Bäume knicken leicht um,
die Sicherungspflicht habe oberste Priorität. „Man muss sich
entscheiden“, so der Forstdirektor - und die Stadt Bad Honnef hat
sich entschieden, die Fichtenbestände auszuholzen. Das bedeutet: Da
zwei Drittel des Stadtwaldes mit Fichten bestellt ist, werden
voraussichtlich rund 20.000 Fichten abgeholzt. Mit modernstem Gerät
wie Vollroder schaffen es zwei Waldarbeiter täglich bis zu 400 Bäume
zu fällen. Über 8.000 sind bereits gerodet und entsprechend ihrer
Bestimmung auf Länge gesägt. Natürlich sei der ökonomische Aspekt
ein wesentlicher. Eine gesunde Fichte bringt an die 100 Euro. „Der
Stadtwald ist ja auch ein Wirtschaftsbetrieb“, so Pinto. Ein
befallener Baum indes kann allenfalls für die Hälfte verkauft werden
- immerhin.

Und es gibt Abnehmer: Die Chinesen brauchen Holz. Da sie ohnehin Waren
aus China nach Europa in zahllosen Containern verschicken, so die
Argumentation der chinesischen Wirtschaft, sei es nach dem Motto
„keine Leerfahrten“ durchaus sinnvoll, den günstigen Fichtenbruch
in die freien Container zu verladen und damit für den heimischen
Gebrauch einzukaufen. So reisen also die Bad Honnefer Fichten ins
Reich der Mitte.

Und der mit reisende Borkenkäfer? Der werde andernorts noch chemisch
abgetötet, erklärte Schütte. Wie geht es den nun ungeschützten
Böden nach dem massiven Befahren durch schwere Maschinen?
Schließlich sind Wettereinflüsse wie Hitze, Sturm und Kälte auf
nackten, nunmehr stark verdichteten Böden durchaus nicht zu
unterschätzen. Die Zeit bringe eine Verjüngung etwa in Form kleiner
Birken, lautet die Einschätzung. In deren Schutz könne dann mit
Neuaufforstungen begonnen werden. Wenngleich: „Heimisch ist heute
anders“, sieht Schütte den künftigen Umschwung auf andere
Baumarten.

Forstleute würden noch experimentieren, offenbart der Fachmann die
Unsicherheit im Umgang mit der Reaktion der Natur. Wälder stünden
auch für die Zeit, in der sie angelegt worden sind, betrachtet Pinto
den historischen Kontext. Holz wurde etwa zu Beginn der 1950er Jahre
viel genutzt, weil die Stollenanlagen im Ruhrgebiet damit gestützt
wurden. Da kam die Fichte gerade recht. „Eine Waldgeschichte ist
auch eine Nutzungs- und Kulturgeschichte“, so Pinto. Indes jedes
Problem berge einen Neuanfang. Eine Aufforstung könne allerdings bis
zu 800 Millionen Euro kosten. Ob es dann angesichts dieser enormen
Kosten nicht doch sinnvoll wäre, die Natur erst mal selbsttätig
wirken zu lassen. Der Lebensraum Totholz könne überdies für viele
Populationen attraktiv sein, kommt der Waldbesucher ins Grübeln. Und
überhaupt: Was ist eigentlich mit der Fauna auf den Kahlflächen. Die
Tiere suchten sich neue Lebensräume, lautet die Erklärung. Das seien
sie gewohnt.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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