Waldbegeistert
Förster Gerald Klamer wandert 6.000 Kilometer durch Deutschland

Gerald Klamer mit seinem minimalistischen Reisegepäck beim Zwischenstopp an der Storcker Hütte in Eitorf. | Foto: Klima-Treff
  • Gerald Klamer mit seinem minimalistischen Reisegepäck beim Zwischenstopp an der Storcker Hütte in Eitorf.
  • Foto: Klima-Treff
  • hochgeladen von RAG - Redaktion

Eitorf -

Der hessische Förster und leidenschaftliche Wildnis-Wanderer Gerald
Klamer ist zu einer 6.000 Kilometer langen Wanderung durch Deutschland
aufgebrochen. Für sein „Waldbegeisterungs-Projekt“ hat er seine
25-jährige Tätigkeit als Forstbeamter aufgegeben. Bis Mitte November
will er fast non-stop nur mit Tarp (Schutzplane), Iso-Matte,
solarbetriebenem Laptop und App unterwegs sein. Für diese acht Monate
hat er rund 60 Treffen mit naturnah wirtschaftenden Forstbetrieben,
Wissenschaftlern und Bürgerinitiativen eingeplant. Auf dem Weg
zwischen Siegen und Siebengebirge durchquerte er das Eitorfer
Gemeindegebiet und traf sich an der Storcker Hütte mit dem
Klima-Treff Eitorf zum Gespräch über naturnahe Waldnutzung in Zeiten
des Klimawandels.

Klima-Treff: Herr Klamer, warum leben wir hier im „Land der toten
Fichten“?

Gerald Klamer: Ursache des Fichtensterbens ist sicher die
zunehmende Hitze und Trockenheit aufgrund des Klimawandels, denn die
Fichte liebt es feucht und kühl, der Borkenkäfer aber trocken und
warm. Bei den Sommern der letzten drei Jahre ist klar, wer im Vorteil
ist. Aber es kommen hausgemachte Gründe dazu: Denn der Borkenkäfer
konnte sich nur so massiv ausbreiten, weil Fichten-Monokulturen
gepflanzt wurden.

Wie sollte man mit dem Totholz umgehen?

Wenn riesige Flächen von sämtlichem Holz geräumt werden,
entsteht ein steppenähnliches Kleinklima mit 40°C Hitze und
Trockenheit im Sommer sowie stark gefrorenem Boden im Winter, was es
der nächsten Waldgeneration schwer macht. Belässt man dagegen die
abgestorbenen Bäume – deren Holz meist ohnehin am Markt kaum noch
etwas wert ist – im Wald, können sie die Startbedingungen für den
neuen Wald verbessern.

Inwiefern?

Erstens, weil das stehende Totholz den Waldboden beschattet und vor
Wind schützt. Das hilft beides, den Boden feucht genug zu halten, so
dass neue Bäume leichter nachwachsen können. Zweitens, weil dann
keine großen Waldmaschinen den Boden zusammendrücken. Denn
verdichteter Boden kann die wenigen Sommer-Niederschläge kaum
aufnehmen. Und drittens ist Totholz sehr lebendig, denn hier leben
zahlreiche Pilze, Käfer und Mikroorganismen, die den
Wertstoffkreislauf schließen. Um die biologische Vielfalt zu
erhalten, muss daher Totholz in ausreichendem Umfang im Wald
verbleiben. Wenn aus Gründen der Verkehrssicherheit die toten Bäume
gefällt werden müssen, können sie immer noch als liegendes Totholz
im Wald bleiben.

Sollten wir eher auf natürliche Verjüngung setzen oder
aufforsten?

Beides. Natürliche Verjüngung hat Vorrang. Denn junge Bäume, die
aus Samen an Ort und Stelle keimen, entwickeln ein üppigeres
Wurzelwerk als gepflanzte, und sind daher stabiler gegen Stürme und
Dürren. Aber ohne Anpflanzungen kommen wir nicht aus. Denn die vom
Borkenkäfer befallenen Flächen sind oftmals derart groß, dass der
natürliche Waldaufbau mit Birke oder Aspe sehr lange dauern kann,
wenn kaum Samen dazu in der Nähe vorhanden sind. Mit Anpflanzungen
können wir den Waldumbau zum Mischwald beschleunigen. Dann sollten
aber stets nur kleine "Trupps" als Initialzündung gepflanzt werden
und nicht ganze Flächen, wie das noch üblich ist.

Holz zu nutzen kann das Klima schützen - vor allem als Baustoff,
da das im Holz gebundene CO2 so aus der Atmosphäre entfernt bleibt,
und als Ersatz für klimaschädlichen Beton.

Holznutzung kann sinnvoll sein, ja. Doch in Realität geht viel
Holz derzeit in die Papierindustrie und wird zu Kartons, die nur
einmal benutzt werden. Wir müssen Holz in langlebigen Produkten
verwenden. Dann können wir uns auch mehr naturnahe Wälder
leisten.

Was halten Sie von Hackschnitzeln, Pellets und Scheitholz?
Schließlich müssen wir auch klimaschädliches Heizöl und Erdgas
ersetzen.

Bei der Verbrennung von Holz entsteht CO2, das das Klima global
erwärmt. Zwar haben die Bäume dieses freiwerdende CO2 kurz vorher
aus der Luft gebunden, so dass es im Unterschied zur Verbrennung von
Millionen Jahre altem Heizöl und Erdgas ein Nullsummenspiel ist. Aber
durch stoffliche Holznutzung ist dem Klima deutlich mehr geholfen, da
das CO2 gebunden bleibt. Beim Ersatz von Heizöl und Erdgas würde ich
daher eher auf Solarthermie oder Erdwärme setzen.

Zum Blog von Gerald Klamer geht es
hier

Der Klima-Treff führt derzeit einen Dialog mit privaten
Waldbesitzern, dem Staatsforst und Naturschutzverbänden, um besser zu
verstehen, wie wir Menschen den Identität stiftenden Wald auch bei
zunehmender Hitze und Dürre bewahren können. Wer in der Gruppe
mitarbeiten möchte, kann sich unter dialog@klimatreff.info melden.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

25 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.