Gesichter eines besonderen Vereins in Brühl:
Martin Surjanto von Keinkauf e.V.

- hochgeladen von Susanne Bourier
Ausgerechnet Tomaten. Genauer: Bio-Tomaten. Im Glas. Sie lockten Martin Surjanto zum Brühler Verein für unverpackte Bio-Lebensmittel in Brühl: Keinkauf e.V. Dort fand er, was er suchte. Bio Tomaten im Glas. Warum denn unbedingt Tomaten im Glas? „Ich bin Chemie-Ingenieur“, erzählt der 44jährige, „Ich weiß, dass in Lebensmitteln-Dosen Weichmacher wie Bisphenol A nachgewiesen wurden. Diese Weichmacher sind schädlich für die Gesundheit. Das“, sagt Martin, „wollte ich unbedingt vermeiden. In meiner Familie und in meinem Freundeskreis gab es mehrere schwere Erkrankungen. Auch deshalb möchte ich mich so gesund und chemiefrei wie möglich ernähren. Das ist sehr wichtig für mich und meine Familie.“ Fast alle Lebensmittel kaufen Martin und seine Frau in Bio-Qualität. Aber Bio-Tomaten im Glas zu finden, das war erstaunlich aufwändig. Die Suche beschäftigte ihn eine Weile. Dann machte ihn ein Kollege auf Keinkauf e.V. aufmerksam. Das passte auf Anhieb. Es gibt wohl kein anderes Mitglied von Keinkauf e.V., das über Bio-Tomaten im Glas dazu stieß. Seit Mai 2024 ist Martin Keinkauf-Mitglied. Er freut sich darüber. Unübersehbar. Martin lacht oft. Dann funkeln die braunen Augen, eine perfekte Reihe weißer Zähne blitzt. Das nennt man wohl Leidenschaft. Nicht nur für Bio-Tomaten im Glas.
Wir treffen uns im Keinkauf-Laden in der Brühler Kirchstraße. Im hinteren Bereich sitzen wir an einem großen Holztisch. Hier schlägt das Herz von Keinkauf e.V. In meterlangen, 3 Meter hohen Schwerlast-Regalen stapeln sich rund 190 Produkte. Die meisten in den bewährten Gläsern mit Schraubdeckeln, die unter den rund 50 Vereinsmitgliedern rotieren. Die Gläser sind das Markenzeichen des Vereins. 4000 Gläser befinden sich in einem steten Kreislauf. Das spart Verpackungsmüll und ist ein Statement des Vereins gegen die Plastikmüll-Lawine. Auch dieses Konzept begeistert Martin. Wieder Lachen, wieder funkeln die Augen. Dass beispielsweise Tofu nur in Plastikfolie angeboten werden kann, ist ein notwendiger Kompromiss. Kommt selten vor.
Martin stammt aus Indonesien und wuchs in Jakarta auf. Ein Moloch mit 11,5 Millionen Einwohnern. Der Smog ist grausam und so dicht, dass die Sonne es oft nicht schafft, ihn zu durchdringen. Als Katholik gehörten er und seine Familie dort zu einer religiösen Minderheit. Sein Studium führte ihn nach Deutschland. Ein paar Jahre lebte er mit seiner Frau und seiner Tochter (9) in Köln. Die hohen Mieten und die schlechte Luft bewegten die Familie, im Umland nach einem neuen zu Hause zu suchen. Sie entdeckten Brühl, fanden ein Haus. „Ich finde Brühl super“, grinst Martin. Schon wieder funkeln die Augen. „Wir fühlen uns hier wohl.“ Sogar Karneval macht ihm Spaß. Und dann auch noch Keinkauf e.V. zu entdecken, das war für ihn ein Volltreffer. Das Konzept, Bio-Lebensmittel unverpackt anzubieten, so viel wie möglich saisonal und regional ein zu kaufen und ohne die sonst im Lebensmittelhandel übliche Gewinnmarge anzubieten, das macht das Konzept von Keinkauf e.V. für ihn zu einer runden Sache.
Martin gehört zum sogenannten Frische-Team. 4 Menschen arbeiten wechselweise Woche für Woche daran, den Mitgliedern eine möglichst breite Palette an hochwertigem Bio-Obst und Gemüse anzubieten. Das Angebot ist vielfältig, im Winter eingeschränkter. Paprika beispielsweise sucht man dann unter rund 190 Produkten vergeblich. Hat ja keine Saison. Bananen gibt’s auch nicht bei Keinkauf. Mit ihrer tausende Kilometer langen Reise zu uns fallen sie durch das Raster „regional“. Konsequent. Stolz ist Martin darauf, in anderen Bereichen für mehr Vielfalt sorgen zu können. Sein Ideen haben das Sortiment erweitert. Zum Beispiel gibt es dank seiner Initiative Skyr, Kefir, Ziegenjoghurt. Und auch Tofu. Der wird in der Region Freiburg mit Sojabohnen aus Deutschland, Österreich und Frankreich hergestellt. Auch Nüsse, etwa Paranüsse und Cashewkerne stehen dank Martin’s Vorschlag im Keinkauf-Regal. Martin ist bekannt für gute Ideen. Was ihm fehlte war Tempeh. Die fermentierten Sojabohnen entwickeln sich dank bestimmter Pilzkulturen zu einer schnittfesten Masse. Martin schwört darauf. In Indonesien ist Tempeh das Grundnahrungsmittel für arme Menschen. Dem Mann konnte geholfen werden. Ein Keinkauf-Kollege hat angefangen, Tempeh selbst zu produzieren. Eine weitere Bereicherung im Keinkauf-Sortiment. So versteht Martin Kundenfreundlichkeit. Ganz wichtig für ihn. Das Angebot muss breiter und kundenorientierter werden, meint er. Mehr anzubieten, werde mehr Mitglieder anziehen. Und mehr Mitglieder senken den Kostenbeitrag für alle. Die Gemeinschaft wird wachsen, die anstehenden Aufgaben lassen sich auf mehr Schultern und Hände verteilen. Denn, und das unterscheidet das Keinkauf-Konzept von anderen Vereinen, alle müssen mit anpacken. 3 Stunden im Monat ist das Soll. Also machbar. Nur so funktioniert die Idee, unverpackte Bio-Produkte ohne Gewinnaufschlag anzubieten. Bio und unverpackt für alle, das ist der Anspruch.
Zu Martins Job gehört vor allem, zu prüfen, was bestellt werden muss. Ein wichtiges Kriterium sind die vorgegebenen Mindestbestellmengen der Großhändler. Ein Beispiel: Champignons. Der Großhändler verlangt eine Bestellung von mindestens 2,5 Kilogramm. Haben die Vereinsmitglieder zu wenig bestellt, muss storniert werden. Um diesen Prozess zu steuern, nutzt er Excel-Tabellen. Seien wir ehrlich: Martin liebt Excel-Tabellen. Er ist ein Excel-Freak im besten Sinn. Damit kann er das durchaus komplexe Bestellsystem perfekt steuern. Kommen die Mindestbestellmengen nicht zustande, geht das für Martin erst Mal gar nicht. Unermüdlich bietet er diese Produkte immer wieder an, bis genug Bestellungen eingegangen sind. Oft klappt das, manchmal auch nicht. Ein Spiel, das jede Woche läuft.
Ein aktuelles Angebot des Vereins findet Martin großartig: 3 Monate Schnuppermitgliedschaft ohne Kostenbeitrag. Wer einfach mal ausprobieren will, ob das Keinkauf-Angebot passt, kann 3 Monate schnuppern und bestellen. Danach muss eine Entscheidung her. Vereinsmitglied - hopp oder topp. Martin hofft auf viele Schnupperinteressenten. Denn dann kann er noch besser mit seinen Excel Tabellen arbeiten. Und Mindestbestellmengen werden spielend übersprungen. Mit Martins besonderem Augenfunkeln und blitzenden Zähnen. Und der Leidenschaft, mit der er diesen ehrenamtlichen Job macht.
LeserReporter/in:Susanne Bourier aus Brühl |
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