Caritasverband
Massiver Mangel an Pflegekräften

Die Vorstände des Caritasverbandes Euskirchen, Martin Jost (l.) und Bernhard Becker, präsentierten die Zahlen für das Jahr 2017. | Foto: Petra Grebe
  • Die Vorstände des Caritasverbandes Euskirchen, Martin Jost (l.) und Bernhard Becker, präsentierten die Zahlen für das Jahr 2017.
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Euskirchen - "Wir sind gut aufgestellt“, betonte Martin Jost, der seit einem
halben Jahr neuer Geschäftsführender Vorstand des Caritasverbandes
für das Kreisdekanat Euskirchen ist, „aber es gibt auch
Herausforderungen, vor denen wir stehen.“

Zusammen mit seinem Stellvertreter Bernhard Becker stellte Jost jetzt
den Jahresbericht 2017 des Verbandes vor. Die Caritas Euskirchen war
im vergangenen Jahr erneut wichtiger Anlaufpunkt für die Menschen in
der Region zwischen Eifel und Zülpicher Börde. Rund 13.000
Bürgerinnen und Bürger suchten Rat und Hilfe bei dem katholischen
Wohlfahrtsverband. 214 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
haben in rund 40 verschiedenen Diensten und Hilfen den Menschen zur
Seite gestanden. Unterstützt wurden sie dabei von 481 ehrenamtlichen
Helfern.

Das Spektrum der Tätigkeiten ist breit bei der Caritas: von
Schwangeren und Neugeborenen über Kinder, Jugendliche und Erwachsene
bis ins hohe Alter. Ihren großen Schwerpunkt in der Caritas-Arbeit
sehen Becker und Jost in den ambulanten Hilfen. Junge Familien werden
zu Hause besucht und betreut. Durch die ambulanten Pflegestationen
wird außerdem gewährleistet, dass die Menschen auch im Alter so
lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden wohnen können.

Manchmal mangelt es an finanziellen Mitteln, um Angebote ausweiten zu
können. Für die Pflege gilt dies allerdings nicht. Hier fehlen die
Fachkräfte. „Wir können Anfragen nicht mehr bedienen“, sagte
Becker, und die Caritas steht im Kreis Euskirchen offenbar nicht
alleine mit diesem Problem. In ganz Nordrhein-Westfalen klagen die
Wohlfahrtsverbände; der Markt ist einfach leergefegt. Für viele
Menschen sei der Beruf unattraktiv geworden, erklärte Becker. Es
fehlt an Ausbildungsplätzen und die Gehälter müssten angehoben
werden.

Dagegen sind es in der Schuldner- und Insolvenzberatung fehlende
finanzielle Mittel, die nicht nur die Caritas vor große Probleme
stellt. Viele Beratungsstellen in NRW bemängeln die fehlende
finanzielle Unterstützung seitens der Regierung. Zwei Mitarbeiter
stehen dem Verband im Kreis Euskirchen zur Verfügung, doch die
Anfragen steigen stetig. Zwar bekommen Hilfesuchende innerhalb einer
Woche einen Termin für eine Kurzberatung, doch für ausführliche
Gespräche müssen sie sechs bis sieben Monate warten.

80 Prozent der Fälle betreffen inzwischen die Privatinsolvenz.
Früher hätten die Mitarbeiter mit fünf bis sechs Gläubigern
verhandeln müssen, heute seien es häufig bis zu 90, erklärte Becker
die Problematik für die Insolvenzberater. Schuld an den
Schuldenbergen sei meist der Internetkonsum.

Eine weitere Herausforderung für den Verband betrifft die eigenen
Reihen: In den nächsten drei Jahren werden 17 Mitarbeiter in den
Ruhestand gehen, sechs davon befinden sich in strategischen Positionen
als Fachbereichs- oder Einrichtungsleiter. Es handele sich meist um
langjährige Mitarbeiter, die über viele Kontakte verfügten und
nicht einfach zu ersetzen seien, meinte Jost.

Gute Erfahrungen hat die Caritas in der Vergangenheit mit Praktikanten
und Hospitanten gemacht, die damit in den Beruf „schnuppern“ und
auf diese Weise einen Beruf im Gesundheitswesen für sich entdecken
können. Auch in den Hochschulen präsentiert sich der Verband. „Bei
der Caritas existiert ein breites Arbeitsfeld“, betonte Jost.

Ein Herzensanliegen ist Becker die Notschlafstelle in Euskirchen. 92
Personen mit 1932 Übernachtungen waren in 2017 auf dieses Angebot
angewiesen. Diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren etwa
gleichgeblieben. Angestiegen sind dagegen die Menschen, die ein
Postfach bei der Fachberatungsstelle nutzen: 2017 waren es 305 Bürger
ohne festen Wohnsitz, vor zehn Jahren waren es noch 120.

„Es sind viele junge Leute dabei“, sagte Becker. Von diesen kämen
viele bei Freunden und Verwandten unter, doch es werde immer
schwieriger, für Wohnungslose geeigneten Wohnraum zu finden. Die
jährliche finanzielle Unterdeckung der Notschlafstelle in Höhe von
30.000 bis 40.000 Euro musste auch im vorigen Jahr durch Spenden
kompensiert werden.

Auch in der Migrations- und Flüchtlingshilfe ist die Caritas tätig.
828 Zuwanderer wurden im vergangenen Jahr betreut. Allerdings steht in
diesem Bereich eine Verdoppelung der Klientenzahl eine Halbierung der
ehrenamtlichen Helfer im Vergleich zu 2016 gegenüber.

Zum einen habe sich die gesellschaftliche Stimmungslage verändert,
zum anderen seien die fachlichen Anforderungen an die Ehrenamtler
gestiegen und manche seien inzwischen auch einfach ausgebrannt und
bräuchten eine Pause, erklärte Carsten Düppengießer, Leiter der
Migrations- und Flüchtlingshilfe im Caritasverband Euskirchen. Zum
Teil komplizierte Prozesse müssen die Ehrenamtler hier bewältigen,
doch mit Qualifizierungsmaßnahmen und fachlicher Begleitung steht der
Verband den freiwilligen Helfern zur Seite.

Weitere Zahlen: Im Bereich Familien und Kinder suchten 1987 Menschen
die Hilfe der Caritas. 360 Schwangerschaftsberatungen wurden
durchgeführt. 335 Erwachsene und Kinder wurden durch das Netzwerk
Frühe Hilfe - den Familienhebammen, der Kurberatung und in der
Kleiderstube - betreut. Das Jugendzentrum „Jugendvilla“ besuchten
im vergangenen Jahr 1102 Jugendliche.

Die Suchtberatungs- und Behandlungsstelle verzeichnete im
Berichtszeitraum 1651 Hilfesuchende. Die Hilfen für psychisch
erkrankte Menschen nahmen 517 Personen in Anspruch, und 134 Menschen
mit unterschiedlichen sozialen und gesundheitlichen Problemlagen
beziehungsweise Behinderungen konnten durch die Caritas im
„Betreuten Wohnen“ ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen.

- Petra Grebe

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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