Nordeifelwerkstätten
Einblick in den Arbeitsalltag gewährt
Euskirchen-Kuchenheim - (epa). Nicht immer muss der runde Geburtstag einer sozialen
Einrichtung mit großen Feierlichkeiten begangen werden, zumal die
Feierlichkeiten selten ein getreues Bild vom alltäglichen
Arbeitsleben vor Ort vermitteln. Aus diesem Grund hatte man sich am
Standort der Nordeifelwerkstätten (NEW) in Kuchenheim dazu
entschieden, sich am 30. Geburtstag den Gästen im ganz normalen
Arbeitsprozess zu präsentieren.
Viele Kunden und Förderer, aber auch interessierte Mitbürger nutzten
die Gelegenheit, einen Blick in die Werkstätten zu werfen und den
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei der Verpackung und
Konfektionierung von Drogerieartikeln, bei der Montage von
Elektrogeräten oder bei der Arbeit im Gewächshaus zuzuschauen.
Rita Witt, Direktorin des Vorstandsstabs der Kreissparkasse Euskirchen
(KSK), überbrachte bereits am frühen Morgen die Geburtstagsgrüße
des Vorstands in Form einer finanziellen Unterstützung und kam in den
Genuss, von NEW-Geschäftsführer Wilhelm Stein und dem Leiter der
Werkstattstandorte Kuchenheim und Kall, Markus Wilden, persönlich auf
einen Rundgang durch die Einrichtung begleitet zu werden.
Selbstverständlich war auch ein Stand der NEW-Bonbonmanufaktur vor
Ort vertreten. Bei der Grundsteinlegung dieses Geschäftszweigs war
die KSK 2015 nicht unerheblich beteiligt gewesen. Denn ein erster
Großauftrag für das regionale Kreditinstitut diente quasi auch
gleichzeitig als Anschubfinanzierung für das ehrgeizige Projekt, das
Bonbons nach bewährter Tradition und in hochwertiger Handarbeit
herstellt. Mittlerweile kann man die Bonbons auch im Internet
bestellen.
Der Rundgang führte die Besucher zunächst zur Garten- und
Landschaftsbauabteilung. Dort hatten die Mitarbeiter zahlreiche
Geräte ausgestellt, die erkennen ließen, dass vor Ort in den
Gewächshäusern nicht nur Gemüsepflanzen und Blumen für die
alljährlichen Märkte gezogen werden, sondern dass man sich auch mit
Baumfällarbeiten und größeren Erdbewegungen bestens auskennt. „In
unserer Kaller Abteilung haben wir uns neuerdings auch auf den
Obstbaumschnitt spezialisiert“, berichtete Markus Wilden.
Noch vor ein paar Jahren sei es kaum möglich gewesen, den
Mitarbeitern bei der Arbeit zuzuschauen, ohne dass dies wie eine
Vorführung gewirkt hätte, so Wilden weiter, „doch mittlerweile
sind unsere Leute sehr selbstbewusst geworden und zeigen mit Stolz
ihre Arbeiten.“ Man gehe in der Gesellschaft auch deutlich offener
mit Menschen mit Behinderungen um, es gebe kaum noch
Stigmatisierungen.
Das konnte Rita Witt nur bestätigen. Denn die Kantine im S-Forum der
KSK wird von NEW-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern bewirtschaftet.
„Von Anfang an herrschte dort eine sehr ungezwungene und entspannte
Atmosphäre“, so Witt. Die Arbeit der Menschen mit
Beeinträchtigungen vor Ort sei mittlerweile so normal geworden, dass
sie eigentlich niemandem mehr explizit auffalle, was der beste Beweis
für eine gelungene Integration sei.
„Wir legen vor allem Wert auf die Vermittlung von
Alltagskompetenzen“, berichtete NEW-Leiter Wilhelm Stein. Und wie
man sich dies vorstellen durfte, zeigte er anschließend im
hauswirtschaftlichen Bereich der Einrichtung. Dort gibt es
beispielsweise eine Lehrküche, in der die Mitarbeiter nicht nur
lernen, sich gesund zu ernähren, sondern auch ganz praktisch mit
Zerkleinerungs-, Verarbeitungs-, Gar- und Haltbarmachungstechniken
vertraut gemacht werden. Hygiene spiele dabei natürlich eine
besondere Rolle. „Wer selber kochen kann, der geht einfach
selbständiger durchs Leben“, so Markus Wilden.
Alltagskompetenzen kann man sich auch im NEW-Nähstudio erarbeiten.
Dort kann man lernen, wie man mit der Nähmaschine umgeht, kleinere
Reparaturen an der Kleidung selber bewerkstelligt oder sich gar selbst
Kleidung nähen. „Diese Angebote werden sehr gern angenommen“, so
Stein.
Eine Halle weiter wurden Lüfterschienen für die Solarindustrie
zusammengebaut, Kabelsets vorkonfektioniert und Batteriepole gelötet.
In der Abteilung „Geräteprüfung“ standen Nasssauger für
Teppichreinigungen auf dem Prüfstand. Überall herrschte emsige
Geschäftigkeit.
Einer der Schwerpunkte im Werkstattbetrieb besteht in der
Konfektionierung von Drogerieartikel für die dm-Märkte. Fast bei
jeder Sonderaktion des Drogeriemarkts sind die NEW-Werkstätten
mittlerweile involviert. Da werden Seifen, Rasierwässer,
Hygieneartikel und Deodorants zu immer neuen Gebinden
zusammengestellt. Darüber hinaus werden rund 35.000 Klappboxen der
dm-Märkte in Kuchenheim täglich einer Industriewäsche unterzogen,
auf Mängel überprüft und gegebenenfalls repariert. „Zu Muttertag,
vor Weihnachten oder Ostern kommen hier auch schon mal doppelt so
viele Boxen an“, berichtete Wilhelm Stein, der die NEW bereits seit
September 1982 leitet.
Ebenfalls spannend war ein Blick in die hauseigene Druckerei. Neben
modernem Digitaldruck versieht dort noch immer eine alte Heidelberger
Druckmaschine ihren Dienst. Komplette Collegeblöcke werden in
Kuchenheim bedruckt, gestanzt und mit einer Spiralbindung versehen.
Vermittels des Tampondrucks können aber auch Feuerzeuge und
Kugelschreiber mit Schriftzügen ausgestattet werden.
Mit gerade einmal 60 Werkstattplätzen waren die NEW vor 30 Jahren im
alten Kasino an der Kommerner Straße in Euskirchen gestartet. Doch
die Nachfrage wuchs beständig. Nach dem Umzug in den Neubau nach
Kuchenheim wurden schon bald weitere Anbauten und Hallenübernahmen
nötig. Heute können mehr als 330 Menschen mit psychischen
Erkrankungen einer Tätigkeit in den Kuchenheimer Werkstätten
nachgehen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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