Handel und Gewerbe ein Jahr nach der Flut
Hürden der Bürokratie

Ein Bild der Zerstörung: Die Koblenzer Straße am Tag nach der Flut.  | Foto: Archivfoto: art
  • Ein Bild der Zerstörung: Die Koblenzer Straße am Tag nach der Flut.
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Rheinbach/Region (red). Erst Corona und dann die Flut – Wie ist die Situation von Rheinbachs Gewerbetreibenden heute? Mit dem Gewerbevereinsvorsitzenden Oliver Wolf sprach darüber unsere Autorin Gerda Saxler-Schmidt.

Blickpunkt: Erst im Oktober vergangenen Jahres hat der BLICKPUNKT mit Ihnen über die Situation der Gewerbetreibenden nach Corona und nach der Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 gesprochen. Damals hatten Sie gesagt, dass viele Geschäfte betroffen gewesen seien. Wie ist der Sachstand heute kurz vor dem Jahrestag der Jahrtausendflut? Oliver Wolf: Leider sind die Sanierungsarbeiten auch ein Jahr nach der Flutkatastrophe noch nicht vollständig abgeschlossen. Wir haben vereinzelte Geschäfte und Einrichtungen die so stark geschädigt waren, dass die Sanierung noch Monate dauern wird. Der Großteil unserer Geschäfte hat aber wieder ganz normal geöffnet und konnte wenige Tage nach der Flutkatastrophe schon wieder Kunden bedienen.

Blickpunkt: Wie konnte der Gewerbeverein seine Mitglieder in dieser Extremsituation unterstützen?Oliver Wolf: Der Gewerbeverein und viele Vorstandsmitglieder waren ja selber direkt oder indirekt Betroffene dieser Katastrophe. Fast alle Unterlagen des Gewerbevereins waren bei den langjährigen Kassierern oder bei den Mitgliedern des Vorstandes gelagert. Gerade diese Unternehmen sind aber leider stark von der Flut getroffen worden. Viele Unterlagen sind daher leider für immer verloren. Obwohl wir also selber betroffen sind, haben wir wochenlang Hilfsgüter transportiert, notwendige Geräte und Werkzeuge vermittelt und versucht, den noch stärker betroffenen Mitgliedern, Hilfestellungen zu geben wo es nur ging.

Blickpunkt: Wie ist es denn bisher mit den staatlichen Wiederaufbauhilfen gelaufen für die Rheinbacher Unternehmen?Oliver Wolf: Die erste Soforthilfe von 5000 Euro pro Unternehmen wurde sehr unbürokratisch und nach kurzer Prüfung durch die Stadt Rheinbach ausgezahlt. Das war wirklich klasse und vor allem schnell! Der Betrag ist aber natürlich für die meisten Unternehmen verschwindend gering. Für die weiteren Wiederaufbauhilfen hat man mit weitaus mehr Hürden und vor allem Bürokratie zu kämpfen. Da verzweifelt man schon mal, oder beantragt erst gar nicht. Spenden und Versicherungsleistungen müssen sowieso angerechnet und abgezogen werden.Blickpunkt: Gibt es trotz aller Hilfen und Unterstützung auch Geschäfte, Gastronomien oder andere Gewerbetreibende, die nach der doppelten Katastrophe Corona und Flut keine Perspektive mehr sehen und aufgeben werden?Oliver Wolf:

Wir haben in Rheinbach konkret zwei bis drei Geschäfte die nicht mehr aufmachen werden. Das ist natürlich sehr schade, aber bei allem was die Geschäftsleute durchmachen mussten auch absolut verständlich! Man brauchte schon viel Kraft und Durchhaltevermögen um die letzten 2,5 Jahre geschäftlich zu überstehen.Blickpunkt: Was ist aus den Forderungen des Gewerbevereins an die Verantwortlichen auf den verschiedenen politischen Ebenen geworden?Oliver Wolf: Ich bin der festen Überzeugung, dass für viele Geschäftsleute die schwierige Zeit noch kommt, wenn die Überbrückungshilfen auslaufen und die Unternehmen wieder ohne Fremde Hilfen „funktionieren“ müssen. Viele Unternehmer haben die Steuervorauszahlungen ausgesetzt, sonstige Zahlungsverpflichtungen - wie zum Beispiel die Miete - stunden lassen und auch sonst viele Kosten gesenkt. Diese Dinge müssen aber irgendwann dennoch bezahlt werden und die erhaltenen Hilfen müssen am Ende auch noch versteuert werden. Von steuerlichen Vorteilen bei der Gewerbesteuer oder Einkommenssteuer ist mir nichts bekannt und das die Hilfen leider nicht unkompliziert funktionieren, erkennt man daran, dass viele Hilfen noch nicht komplett ausbezahlt wurden.

Blickpunkt: Im Februar dieses Jahres hat der Ausschuss für Standortförderung und Feuerwehr (ASF) nach Corona und Flut „Maßnahmen zur Stärkung der Innenstadt“ empfohlen, darunter die moderate Erweiterung der Flächen der Außengastronomien bei reduzierten Gebühren. Was ist daraus geworden?Oliver Wolf: Die Stadtverwaltung hat potentielle Plätze dafür gesucht und mit den ansässigen Gastronomen und Geschäften die Möglichkeiten besprochen. Wahrscheinlich werden die Maßnahmen diesen Sommer testweise umgesetzt und im Herbst sprechen wir mit den Betroffenen wie das Projekt gelaufen ist.

Blickpunkt: Wie unterstützt die Stadt beziehungsweise die Wirtschaftsförderung das Rheinbacher Gewerbe derzeit?Oliver Wolf: Es sollen regelmäßige Treffen von der Wirtschaftsförderung einberufen werden, bei denen wir gemeinsam konkrete Maßnahmen zum Stadtmarketing besprechen. Darunter könnten dann auch Themen wie die Zukunft der Weihnachtsbeleuchtung sein.

Blickpunkt: Welche Aktionen plant der Gewerbeverein – auch in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren – in diesem Jahr?Oliver Wolf: Wir freuen uns besonders, in diesem Jahr wieder einen Verkaufsoffenen Sonntag am 17. Juli in Zusammenarbeit mit Rheinbach Classics veranstalten zu können. Ein weiterer Verkaufsoffener Sonntag am 3. Adventswochenende ist in Planung. Unsere - bei Unternehmern und Handwerkern besonders beliebten - Unternehmerbierchen werden im Jahr 2022 wieder zweimal stattfinden. Für alle Teilnehmer ist das immer ein informativer Abend zum Netzwerken. Weitere geplante Aktionen sind ein „Black Weekend“ und ein langer Einkaufsabend. Ob es wieder das beliebte „Blue Shopping“, den „Autosonntag“, oder den Weihnachtsmarkt geben wird, steht leider noch nicht fest. Das hängt von vielen Faktoren und nicht zuletzt auch immer noch von der Corona Lage im Herbst/Winter ab.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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