Anhebung der Tierarztgebühren
"Pferde sind Luxus und Luxus muss man sich leisten können"

Für Tierhalter bedeutet die Anpassung Preissteigerungen für tierärztliche Leistungen zwischen 20 bis 100 Prozent.  | Foto: romul014/AdobeStock
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  • Für Tierhalter bedeutet die Anpassung Preissteigerungen für tierärztliche Leistungen zwischen 20 bis 100 Prozent.
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Viele Tierhalter in Deutschland klagen aktuell über die stark gestiegenen Tierarztkosten. Der Grund: Die gesetzliche Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) wurde im Herbst vergangenen Jahres angepasst. Eine Studie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hatte im Vorfeld ergeben, dass die alten Gebührensätze nicht mehr ausreichen würden, die anfallenden Kosten in den Praxen zu decken. „Die erste umfassende Änderung seit 1999“, erklärt die Bundestierärztekammer (BTK). Für Tierhalter bedeutet die Anpassung Preissteigerungen für tierärztliche Leistungen zwischen 20 bis 100 Prozent.

Region. „Längst überfällig“, sagen die einen - „absolut zur falschen Zeit“, die anderen. Während sich Tierhalter über die teilweise eklatanten Preissteigerungen ärgern, erklärt die BTK, dass nur durch diese Anhebung eine Tierarztpraxis noch wirtschaftlich geführt und eine flächendeckende Versorgung der Tiere gewährleistet werden kann.

„Manchmal lohnt ein Blick ins benachbarte Ausland“, erklärt eine Tierärztin der Redaktion. Namentlich genannt werden möchte sie nicht. In Österreich, der Schweiz oder Skandinavien seien die Tierarztkosten deutlich höher. „Wer ordentliche Versorgung will, der muss auch bereit sein, ordentliche Versorgung zu bezahlen“, so die Tierärztin weiter.

Sie rät zum Abschluss einer Tierkrankenversicherung und verweist auf die Eisbaumtabelle. Unter www.eisbaumtabelle.de werden Hunde- und Katzenkrankenversicherungen wissenschaftlich ausgewertet. Die Kosten je nach Tier, Rasse und Leistungsstärke der Versicherung liegen für Hunde und Katzen bei 20 bis 100 Euro pro Monat.

„Für Pferde sind die Versicherungskosten deutlich höher“, gibt eine Pferdehalterin aus Frechen zu bedenken. Auch sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung sehen. Sie müsste für ihr Pferd monatlich über 200 Euro bei ihrer Versicherung zahlen. Nicht nachvollziehen kann sie, dass zum Beispiel die halbjährlich notwendige Herpes/Influenza-Impfung ihres Pferdes im vergangenen Jahr noch 80 Euro gekostet hat und jetzt 170 Euro. Das Resultat: Sie überlegt, ob sie ihr Pferd in Zukunft nicht mehr gegen Herpes und Influenza impfen lässt. Ähnlich würden viele Pferdebesitzer in ihrem Umfeld denken. „Warum konnten die Kosten in den vergangenen Jahren nicht sukzessive erhöht werden? Dann hätte ich mir die Anschaffung eines eigenen Pferdes vor ein paar Jahren vielleicht noch überlegt“, gibt sie zu bedenken. Wer hätte vor drei Jahren ahnen können, dass die Tierarzt- und Haltungskosten derart in die Höhe schießen würden.

„Pferdehaltung ist Luxus und Luxus muss man sich leisten können“, erwidert die angesprochene Tierärztin. Wer sich ein eigenes Pferd leisten wolle, müsse hohe Kosten bereits im Vorfeld einkalkulieren. Es sei schon ungewöhnlich, dass sich Tierärzte aktuell dafür rechtfertigen müssten, dass sie ihre Praxis wirtschaftlich führen, Mitarbeiter bezahlen und am Ende noch etwas für sich und ihre Familien übrig haben wollten.

„Aufgrund der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage explodieren Haltungs- sowie Tierarztkosten“, klagt auch das Kreistierheim Mechernich. Um seine vierbeinigen Bewohner mit dem Nötigsten zu versorgen, sei man gezwungen, wichtige Bauvorhaben im Tierheim zurückzustellen. Jährlich würden circa 350.000 Tiere in deutschen Tierheimen abgegeben und die Zahl würde rapide steigen.

„Ich kann die Tierärzte total verstehen“, sagt Tierschützerin Babette Terver. Sie leitet das Tierheim Dormagen und das Federheim, Deutschlands erstes und einziges Gefieder-Heim. Für Tierschutzorganisationen in Deutschland sei die Anhebung, in Verbindung mit den hohen Futterkosten und der geringeren Spendenbereitschaft, allerdings „ein harter Brocken“. Die Kosten für die medizinische Versorgung der Tierheimtiere seien um etwa 50 Prozent gestiegen, die Getreidekosten für das Gefieder um mehr als 60 Prozent. Sie glaubt, dass die Tierarztgebühren für die meisten Halter zu verkraften seien und nicht zu einer verstärkten Abgabe führen werden. Den Tierheimen würde über kurz oder lang aber wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als die Vermittlungsgebühren für Tierheimtiere anzupassen.

LESERMEINUNG:

Dass die kostenlose Zeitung Blickpunkt auch hervorragend recherchierten Journalismus kann, zeigt der Beitrag von Redakteur Lars Kindermann zum Thema „Tierarztgebühren“.
Obwohl die Meinungsfreiheit durch Grundgesetz besonders geschützt, ist es bedauerlich, dass sowohl die befragte Tierärztin als auch die Pferdehalterin nicht namentlich genannt werden möchten.
Fakt ist, dass es noch nicht einmal Benzin- und Gaspreise sowie Wohnungsmieten geschafft haben, Kostensteigerungen von jetzt auf gleich teilweise um mehr als einhundert Prozent zu generieren. Die Tierärztin, welche „die Pferdehaltung“, also auch Haflinger und Ponys als „Luxus“ charakterisiert, den „man sich leisten können muss“ verkennt, dass sich die Zuwendung zum Pferd durch rund 1,5 Millionen Pferde begeisterte Menschen, davon rund 700.000 organisierte Mitglieder bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, wohl kaum als Ausdruck überbordender Einkommensverhältnisse darstellen lässt.
Es ist richtig, dass Tierärzte adäquate Einkommen haben sollen und müssen. Ob dies sichergestellt ist, mag folgendes dokumentieren:
Das Impfen von sieben Pferden in meinem Stall ist binnen 30 Minuten erledigt. Die vom Blickpunkt abgebildete Rechnung weist einen Betrag von 170 Euro für ein Pferd aus; bei sieben Pferden wären das rund 1000 Euro pro halbe Stunde, was in etwa einem Umsatz von rund 2000 Euro pro Stunde entsprechen würde. Ich hoffe, dies ist ein kleiner Beitrag für den Lebensunterhalt des Tierarztes. Die überbordende tierärztliche Fürsorge gilt natürlich auch mir als Pferdehalter, der sich im grenzdebilem Stadium befindet, da im Minutentakt beim Wechsel zum nächsten zu impfenden Pferd ich eine eingehende, erneute „tierärztliche Beratung“ und dies siebenmal kostenpflichtig erhalte
Dass der gefahrene Doppel-Kilometer dem Tierarzt mit 3,50 Euro vergütet wird und die zusätzlichen Abschreibungen für das Geschäftsauto des Tierarztes den Steuerzahlern, also auch Pferdehaltern zugerechnet werden, davon träumt der Berufspendler.
Dass Tierärzte, nicht wie in der Humanmedizin, ein gedeckeltes Budget verordnet bekommen und sie auch noch zusätzlich den Arzneimittelhandel in der Hand haben, macht niedergelassene Humanmediziner neidisch.
Wenn die Tierärztin im Artikel feststellt, dass es im Ausland teurer sei, so ist dies insgesamt nicht stimmig.
Beispiel: Obwohl der Herpes Virus stressbedingt auf internationalen Turnieren vermehrt zum Ausbruch kam, verzichtet die Internationale Reiterliche Vereinigung, vergleichbar im Fußball mit der FIFA, auf die Anordnung einer Herpes Zwangs-Impfung, auch weil die gefährliche neurologische Variante des Herpes Virus nicht sicher beseitigt wird. International ist auch nur eine Influenza Impfung pro Jahr erforderlich, da der Wirkstoff ein Jahr hält.
Auf Betreiben der Deutschen Tierärzteschaft muss „Lieschen Müller“, welche mal ein zwei Basis beziehungsweise Anfängerprüfungen im Jahr reiten möchte (im Fußball wäre das Kreisliga C), zwangsweise im ersten Jahr inklusive Grundimmunisierung drei Mal Herpes Impfen und drei Mal Influenza Impfen, was bei rund. 130.000 Turnierpferden in Deutschland zu einer Kaufkraftabschöpfung von rund 50 Millionen Euro führt. Wer Impfungen anordnet, haftet für Impfschäden. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung lehnt eine Haftung aber ab.
Dass durch 5 Prozent der zwangsweise zu impfenden Pferdepopulation sich keine Herdenimmunität herausbilden kann und die Frage der Bildung von Mutanten bei der Herpes-Impfung, welche erst dann für nicht geimpfte Pferde zur Gefahr werden können, ist sicherlich der Aussage der Tierärztin geschuldet: „Wer ordentliche Versorgung will, der muss auch bereit sein, ordentliche Versorgung zu bezahlen“. Dass auch die Pferdehalter durch ihre Steuermittel das Studium der Tierärzte finanzieren, während die meisten, welche eine Meisterprüfung ablegen, dies aus eigener Tasche bezahlen müssen, sollte für etwas mehr Demut gegenüber den sich „Luxus“ leistenden Pferdehaltern führen.

Rolf Radzuweit,
Euskirchen

Für Tierhalter bedeutet die Anpassung Preissteigerungen für tierärztliche Leistungen zwischen 20 bis 100 Prozent.  | Foto: romul014/AdobeStock
Krasse Preissteigerung: Für eine Herpes/Influenza-Impfung zahlte eine Pferdehalterin im vergangenen Jahr noch 80,31 Euro und jetzt, ein halbes Jahr später, 170,07 Euro.  | Foto: privat
Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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