Kinderärztin in Sierra Leone
Kampf um Kinderleben

- Nicht immer überleben in Sierra Leone Zwillingskinder die Geburt. Diese beiden Helden haben es mithilfe der German Doctors geschafft.
- Foto: www.german-doctors.de
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Frechen - „Aus der einen Welt in die andere geworfen und dann wieder zurück
katapultiert“, so beschreibt die aus Frechen-Habbelrath stammende
Kristina Langhammer im Nachgang ihren Einsatz in Sierra Leone. Die
Kinderärztin an der Kölner Universitätsklinik war unter dem Dach
der Organisation „German Doctors“ diesmal in Sierra Leone im
Einsatz.
„Es war merkwürdig, plötzlich wieder in Köln zu sein“,
beschreibt Langhammer das Gefühl, nachdem sie in dem
bürgerkriegsgebeutelten Land Sierra Leone sechs Wochen lang mitten im
Nirgendwo am Rande eines Dorfes gemeinsam mit ihrem Team um
Kinderleben gekämpft hatte. Wenige Tage nach ihrer Rückkehr ging es
dann unter völlig anderen Rahmenbedingungen wieder an die Arbeit in
Köln. „Der Unterschied war in der Schnelligkeit des Wechsels kaum
zu fassen“, erklärt Langhammer, immer noch unter dem Einfluss der
intensiven Erlebnisse. „Die Versorgungssituation von Kindern ist
hierzulande hervorragend. Das kann man gar nicht genug schätzen“,
ist ihr heute noch klarer, als es ihr vorher schon war.
Nach dem 16-stündigen Flug ab Düsseldorf über Paris konnte sie nach
Ankunft in der Hauptstadt Freetown einen ersten Eindruck vom Land
gewinnen. „Ich fand eine quirlige bunte Stadt vor, in der aber Strom
und Wasser keineswegs zu jeder Zeit verfügbar sind.“ Untergebracht
in einem privaten Gasthaus war nicht viel Zeit zum Ausruhen oder
Sightseeing. Am nächsten Tag ging es mit dem Auto über holprige
Straßen in einer etwa siebenstündigen Tour heraus aus der Stadt
mitten in den Busch hinein.
Die Krankenstation der German Doctors ist nahe eines Dorfes
angesiedelt und verfügt unter anderem über eine Kinderklinik,
Säuglingsstation und eine Notaufnahme. Die Ausstattung der
Medizintechnik ist so, dass es gerade einigermaßen geht. „Da ist
noch viel Luft nach oben“, sagt Langhammer und berichtet, dass die
weltweit engagierte Organisation plant, die Kinderstation mithilfe von
Spenden zu erneuern. Derweil: „Die Menschen kommen teils von weit
her angereist“, berichtet Langhammer. „Manche nehmen gewaltige
Fußmärsche auf sich, weil sie sonst keine andere Möglichkeit haben,
medizinische Versorgung zu erhalten.“ Etwa 50 Kinder werden pro Tag
stationär behandelt, mehrere 100 seien es, die häufig aufgrund von
Folgeerkrankungen der weit verbreiteten Malaria über die Notaufnahme
kämen. Oftmals hatten die Menschen zuvor ihre traditionellen
heimischen Heiler zurate gezogen. „Manchmal mit schwerwiegenden
Folgen“, weiß Langhammer heute. „Vergiftungen durch Kräuter oder
Amputationen aufgrund von Infektionen sind nicht selten.“ In einem
Land, in dem monetär arme Menschen für staatliche
Gesundheitsversorgung zur Kasse gebeten werden, sei es nicht
verwunderlich, wenn Menschen zunächst andere Möglichkeiten
versuchen.
„Auch Unterernährung ist hier noch ein Thema“, so die Erfahrung.
Dabei könnte das Land aufgrund der klimatischen Bedingungen
vermutlich fruchtbar sein und viel Nahrung hervorbringen. „Es war im
November heiß, aber trotzdem sehr grün“, hat die Wahlkölnerin
erstaunt wahrgenommen.
Untergebracht war das Team der drei deutschen Ärzte in einer Art
Bungalow nahe der Krankenstation. Eine einheimische Mitarbeiterin
stellte den Medizinern, die quasi im Dauereinsatz um jedes Kinderleben
kämpften, Mahlzeiten bereit. Es gab meistens Reis mit einer Art
Pesto, basierend auf Blättern der Region. Körperhygiene erfolgte
über eine Regentonne. Die größte Herausforderung allerdings war:
„Innerhalb der sechs Wochen habe ich gerade drei Nächte
durchgeschlafen. In unserem gemeinsamen Kampf für die Kinder und
Familien sind wir alle manchmal an unsere Grenzen gekommen“,
erinnert sich Langhammer. Nach den ersten zwei Wochen habe sie noch
bezweifelt, dass sie ihren Auftrag durchhalten könne. An einem Tag
seien sieben Kinder hintereinander verstorben. Und dies trotz aller
Anstrengungen des ehrenamtlichen Teams, bestehend aus den German
Doctors mit drei Ärzten sowie mit den einheimischen Clinical
Officers, die von der Organisation ausgebildet werden.
Aber dann gab es auch Fälle wie der des neunjährigen Jungen, der mit
Nierenversagen vom staatlichen Krankenhaus geschickt wurde und wider
alle Erwartungen gerettet werden konnte. Und auch die Geburt des
kleinen Mädchens, das die Eltern aus lauter Dankbarkeit nach der
deutschen Ärztin benannt haben, gab wieder Mut. Seither heißt das
Baby „Little Kristina“ und wird hoffentlich ebenso wie ihre
Geburtshelferin zu einer „Great Kristina“ heranwachsen.
Nirgendwo seien Leben und Tod so nah beieinander gewesen, wie hier in
Sierra Leone. Und nirgendwo sonst habe sie Trauer und Klage so
natürlich und nah an Fröhlichkeit, bunter Lebensfreude und
herzlichem Lachen erlebt. „Bei meiner Abschiedsparty wurde noch
einmal ganz deutlich: Der Tod gehört hier zum Leben, aber das Leben
wird sehr fröhlich zelebriert. Fast niemand glaubt an morgen – also
lebt man im hier und jetzt!“
Info:
Die Organisation German Doctors möchte die Kinderstation aufgrund des
hohen Patientenaufkommens aufstocken. Dabei ist sie auf Spenden
angewiesen.
Jährlich werden im Hospital in der Ortschaft Serabu über 15.000
Behandlungen mithilfe der German Doctors vorgenommen. Täglich
arbeiten hier deutsche Fachärzte aus den Bereichen Anästhesie,
Chirurgie, Geburtshilfe, Kinderheilkunde und Public Health mit, die
ebenso wie Kristina Langhammer ehrenamtlich dabei sind.
Die häufigsten gesundheitlichen Probleme sind Malaria,
Unterernährung, Lungenerkrankungen und chirurgische Probleme.
Insbesondere ist Unterstützung im Bereich der Geburtshilfe gefragt,
um die Säuglingssterblichkeit zu bekämpfen.
Kontakt:
www.german-doctors.de
- Christina Stemmermann


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