Koalitionsvertrag
Das will die neue Ratskoalition

Verwaiste Einkaufsstraßen waren zu Beginn der Corona-Pandemie schon Realität. Kritiker des Koalitionsvertrags befürchten durch die Kappung des Cityrings eine Verödung der Innenstadt. | Foto: Sascha Engst / Bundesstadt Bonn
  • Verwaiste Einkaufsstraßen waren zu Beginn der Corona-Pandemie schon Realität. Kritiker des Koalitionsvertrags befürchten durch die Kappung des Cityrings eine Verödung der Innenstadt.
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Bonn - (mt) „Es drängt sich der Eindruck auf, als wolle die Koalition die
Corona-Pandemie nutzen, um ohne ausreichende Gegenfinanzierung die
Wünsche der Parteien umzusetzen.“ Es sind scharfe Worte von der
Oppositionsbank, mit denen Christos Katzidis (CDU) den neuen
Koalitionsvertrag von Grüne, SPD, Linke und Volt als
„Wunschzettel“ kritisiert. Franziska Müller-Rech,
Kreisvorsitzende der Bonner Freidemokraten, schlägt in dieselbe
Kerbe: „Es wurde ein Wechsel für Bonn versprochen. Herausgekommen
ist eine lose Blättersammlung statt eines zukunftsfähigen
Gesamtkonzepts für unsere Stadt.“

Kritik hagelt es insbesondere für die Schwerpunkte Wohnungsbau und
Verkehr. Dabei ist sich die Ratskoalition der Probleme in Bonn
bewusst. Enrico Liedtke (SPD): „Wohnen in Bonn ist teuer. Die Mieten
sind durchschnittlich 20 Prozent höher als im bundesweiten Vergleich.
Deshalb ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ein zentrales Ziel
dieser Vereinbarung. Wir werden das Bonner Baulandmodell so
entwickeln, dass bereits ab dem Bau von acht Wohneinheiten bezahlbarer
Wohnraum entsteht, die städtische Wohnungsbaugesellschaft VEBOWAG
stärken und die Zweckentfremdungssatzung schärfen.“ Das
Problembewusstsein allein helfe jedoch nicht bei der Suche nach einer
Lösung, kritisiert die Opposition: „Bonn hat großen
Wohnungsbedarf, aber die Koalition vereinbart, keinerlei weitere
Flächen zu versiegeln. Wie sie tausende Wohnungen allein über
Nachverdichtung realisieren will, bleibt ihr Geheimnis“, so
Alexander Graf Lambsdorff (FDP).

„Die Krönung ist allerdings der Wunsch nach der größten
Fußgängerzone der Welt zwischen Reuterstraße, Bonner Talweg,
Kaiser-Karl-Ring und Rhein. Die Kennedybrücke soll im 2,5km-Radius
vom Autoverkehr abgeschnitten werden. Künftig soll man also nur noch
über die Südbrücke oder den Tausendfüßler mit dem Auto nach Beuel
kommen können“, sagt Franziska Müller-Rech von der FDP. Die
Kappung des City-Rings sorge nach Ansicht von Guido Déus und Christos
Katzidis jedoch für mehr Staus in Bonn und führe zu einer Verödung
der Innenstadt.

Anders äußert sich der ADFC Bonn/Rhein-Sieg. Der Verein begrüßt
die Ankündigung, Teile der Innenstadt weitgehend vom
Durchgangsverkehr zu befreien. Denn laut Koalitionsvertrag sollen
dabei Einschränkungen für Anwohner, Handwerker- und Lieferverkehr
vermieden und die Erreichbarkeit der Tiefgaragen und Parkhäuser
unverändert erhalten bleiben. Mögliche Folgen wie
„wirtschaftlicher Ruin für den Einzelhandel in der Innenstadt“
sind daher für den ADFC nicht nachvollziehbar.

Der Koalitionsvertrag enthält zahlreiche Ankündigungen zur
Förderung des Radverkehrs, etwa neue Radpendlerrouten, innerörtliche
Hauptachsen, die neue Radbrücke über den Rhein, eine Unterführung
am Kaiserplatz für den Radverkehr und ein neues Fahrradparkhaus am
Hauptbahnhof. Diese Vorschläge haben die Unterstützung des ADFC.
„Die Erfahrung zeigt jedoch leider, dass die Politik bisher immer
dann zurückgeschreckt ist, wenn es konkret werden sollte“, so
Werner Böttcher, verkehrspolitische Sprecher des ADFC für Bonn.

In Sachen Tausendfüßler fordert der ADFC von der neuen Ratsmehrheit
ein klares Bekenntnis zum Radschnellweg entlang der A565. „Die
Formulierung im Koalitionsvertrag ist windelweich und lässt vermuten,
dass nicht alle Koalitionspartner vom Radschnellweg überzeugt
sind“, so Böttcher. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass der Ausbau
von Radpendlerrouten ins Umland „auf den Weg“ gebracht werden
soll, „beispielsweise entlang der Trasse der A565“. Böttcher:
„Das ist viel zu wenig. Der Radschnellweg entlang der A565 ist die
schnellste Achse, um den Radverkehr aus dem links- und
rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis zu bündeln und barrierefrei nach
Bonn zu lenken. Diese Chance gibt es nur ein einziges Mal: jetzt.“

„Große Sorge“ um Bad Godesberg äußert Bezirksbürgermeister
Christoph Jansen. Er bemängelt, dass der Stadtbezirk im
Koalitionsvertrag keine Rolle spiele und sich nur auf die Innenstadt
konzentriere. So werde etwa die dringend sanierungsbedürftige
Stadthalle mit keinem Wort erwähnt.

Ob und wie weit die Kritik am Koalitionsvertrag berechtigt ist, haben
Grüne, SPD, Linke und Volt jetzt in der Hand. Enrico Liedtke,
Vorsitzender der Bonner SPD, zeigt sich zuversichtlich: „Wir sind
überzeugt, dass Bonn eine Stadt für alle sein muss, und werden in
den kommenden Jahren daran arbeiten, dass diese Vision nun Realität
werden kann.“

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RAG - Redaktion

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