Neues Ernteverfahren
Brasilien könnte dank TH Köln nachhaltiger werden

Beim Abbau von Zuckerrohr in Brasilien entstehen aktuell noch eine Menge Abfallprodukte.	 | Foto: Foto: JR Slompo - stock.adobe.com
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Brasilien ist mit Abstand der weltweit bedeutendste Zuckerrohrproduzent. Etwa 715 Millionen Tonnen wurden dort im Jahr 2021 geerntet. Das Problem dabei: Währenddessen fällt eine große Restmasse an, die zum größten Teil verbrannt wird. Doch genau dafür haben einige Forscher der TH Köln nun eine Lösung.

Denn das internationales Projekt TRABBIO unter Beteiligung der TH Köln hat neue Erntetechniken und Prozesse entwickelt, um aus dem bisherigen Abfallprodukt ein attraktives Geschäft zu machen. „Pro verarbeiteter Tonne Zuckerrohr bleiben etwa 150 bis 300 Kilogramm an ausgepressten, zerfaserten Stängeln übrig, die sogenannte Bagasse“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Schlüter vom Institute for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics (ITT) der TH Köln. „Bei keiner anderen Kulturpflanze fällt so viel Biomasse an. In der Mehrzahl der zuckerrohrverarbeitenden Betriebe wird diese ineffizient im Zucker- und Alkoholherstellungsprozess verbrannt. Um die Bagasse höherwertig weiterzuverwenden, muss der gesamte Prozess ab der Ernte neu gedacht werden. Das war unsere Aufgabe.“

Dafür hat die Hochschule eine Erntemaschine entwickelt, die vor allem für bäuerliche Kleinbetriebe geeignet ist. Diese brennen bisher kontrolliert ihre Felder ab, um die scharfkantigen Blätter der Pflanze zu entfernen. Anschließend ernten sie das eigentliche Zuckerrohr mit der Machete.

Alternativ zur manuellen Vorgehensweise werden auf großen Betrieben schwere Vollernter eingesetzt. Diese effizienten Maschinen zerstückeln die Zuckerrohrstangen, was die Logistik in der hochmechanisierten Ernte vereinfacht, aber auch Nachteile mit sich bringt. „Unsere Maschine geht anders vor: Die Zuckerrohrstange wird gegriffen und Bürsten entfernen die Blätter; die Stange wird an der Basis abgeschnitten und abgelegt“, schildert Carl-Friedrich Gaese, Projektmitarbeiter des ITT die Vorgehensweise. „So benötigt man kein Feuer und die Stangen bleiben am Stück. Da kein Saft austritt, ist der Zuckerertrag hoch.“

Die bestehende Technologie entwickelten die Projektpartner nun nochmals weiter und reduzierten vor allem die Komplexität des Prototyps, sodass dieser einfacher zu bedienen ist. Zudem konzipierte der Projektpartner Schumacher Group ein neues Schnittsystem, das die Pflanze nicht so stark verletzt. Dadurch können weniger Krankheiten in die Schnittstellen eindringen und die Regeneration bis zur nächsten Ernte ist besser.
Außerdem intessant in diesem Zusammenhang: Die Maschine ist als Anhänger für den Traktor aufgebaut, wiegt so nur etwa eine Tonne und verursacht deutlich weniger Bodenverdichtung als herkömmliche Erntemaschinen, die bis zu 16 Tonnen wiegen können.

Zudem sorgt die Neuentwicklung dafür, dass die Stängel deutlich weniger mit Erde verunreinigt sind, was die angestrebte Weiterverarbeitung der Bagasse mittels Pyrolyse erleichtert. „Bei der Pyrolyse werden organische Substanzen ohne Sauerstoffzufuhr stark erhitzt und dabei gespalten ohne zu verbrennen“, erläutert Prof. Dr. Frank Rögener vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik der TH Köln. „Das Ergebnis ist unter anderem Biokoks. Unser Partner REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH hat eine Anlage errichtet, die diese Behandlung in einem vor Ort sinnvollen Maßstab erlaubt.“

Biokoks kann entweder deutlich effizienter verbrannt werden als die Bagasse selbst oder von Bauern als Dünger eingesetzt werden. Nach einer weiteren physikalisch-chemischen Behandlung ist auch die Verwendung als Adsorber in der Wasseraufbereitung möglich.

Durch die Veredelung mittels Pyrolyse entsteht somit ein Produkt, das als Pellet oder Brikett leicht zu transportieren ist und für das es einen internationalen Markt gibt. „Durch unsere Forschungen ist es uns gelungen, einen Prozess von der Ernte bis zum fertigen Produkt aufzubauen“, so Schlüter. „Dessen Wirtschaftlichkeit wurde in einer Masterarbeit an unserer Hochschule bestätigt.“

Entsprechend stolz sind alle Beteiligten der TH Köln. Denn dank ihnen könnte der Zuckerrohrabbau in Brasilien zukünftig flächendeckend deutlich nachhaltiger werden.

Redakteur/in:

EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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