Brieftauben-Reisevereinigung Bergisch Gladbach
Ende nach fast 100 Jahren

- Der Heimatschlag der Reisevereinigung wird in wenigen Monaten nicht mehr das heimische Ziel von Brieftauben sein. Foto: Hoeck
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Bergisch Gladbach (hh). Seit über 50 Jahren besteht die Einsatzstelle der im Jahr 1927 gegründeten Brieftauben-Reisevereinigung (RV) Bergisch Gladbach an der Hornstraße. Jahr für Jahr wurden hier zwischen April und September Brieftauben in den vereinseigenen LKW-Transporter verladen und zu Abflugorten (sogenannte „Auflassplätze“), auch bis ins niederösterreichische St. Pölten und nach Wien, gebracht, von wo sie ihren Heimflug antraten. Nach dem Ablauf des diesjährigen Reiseplans müssen die Tiere indes umdenken, denn nach fast 100-jährigem Bestehen wird der Verein im Herbst aufgelöst und der Heimatschlag, auch Ort zahlreicher Treffen und Versammlungen, aufgegeben.
In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, die Ende März im Vereinslokal „Zum Horn“ stattgefunden hatte, wurde entschieden, die RV Bergisch Gladbach nach den Wettflügen dieser Saison aufzugeben. „Wir haben zurzeit nur noch fünf reisende Schläge, das heißt Mitglieder, die noch Brieftauben besitzen und sie auf Distanzflüge schicken. Die weiteren Mitglieder haben ihre Tauben altersbedingt abgegeben. Bei so wenigen Leuten ergibt ein Fortbestand leider keinen Sinn mehr“, bedauert Vereinsvorsitzender Alfred Seak das bevorstehende Vereinsende. Zu Hoch-Zeiten gehörten der RV bis zu zwölf Ortsvereinen mit insgesamt rund 350 Mitgliedern an, doch dies ist lange vorbei. Aktuell gibt es über 30.000 Brieftaubenzüchter in Deutschland, deren Dachorganisation der „Verband Deutscher Brieftaubenzüchter e.V.“ mit Sitz in Essen ist.
Es ist das Zusammenspiel der Bereiche Haltung, Distanzflüge, Ausstellungen und Zucht, die die Faszination für dieses Hobbys ausmachen. Seak erinnert sich, im Alter von neun Jahren eine Strassertaube von seinem Großvater erhalten zu haben, bevor ihm später ein beruflicher Vorgesetzter Brieftauben schenkte. Seitdem ist der ehemalige Architekt, der seit 18 Jahren der RV angehört, seiner Leidenschaft treu geblieben. Mehrere Dutzend Brieftauben befinden sich in seinem Besitz, die er professionell in einem Taubenschlag hält und hierfür auch das Wohlwollen seiner Nachbarn genießt.
Während Brieftauben, die bis zu 20 Jahre alt werden können, früher zur Übermittlung von Nachrichten verwendet wurden, werden sie heutzutage auf Distanzflüge trainiert. Dabei können Tauben mehrere hundert Kilometer an einem einzigen Tag gemäß dem vorher festgelegten Reiseplan zurücklegen. Brieftaubenzüchter verstehen ihr Hobby als Sport, angelegt etwa an Pferde- oder Hundesport. Für größere Veranstaltungen, etwa Bezirksflüge, sind Auflassplätze ideal, auf denen mehrere Spezial-LKW mit Tausenden Brieftauben geparkt werden können, von wo diese ihren Heimflug bei möglichst idealen Witterungsverhältnissen starten. Ein an den Vögeln befestigter Chip erlaubt es den Besitzern, Auskunft über den Standort ihrer Tauben zu erhalten und ihre Flugstrecke einschließlich möglicher Abweichungen überwachen zu können. „Manche Brieftaube fliegt nicht den direktesten Weg, und es kann auch vorkommen, dass sie wieder zum Startpunkt zurückkehrt“, weiß Alfred Seak aus jahrzehntelanger Erfahrung zu berichten.
Die noch aktiven Mitglieder der RV Bergisch Gladbach hoffen, sich gegen Ende des Jahres der RV in Overath anschließen zu können, mit der seit zwei Jahren bereits eine Fluggemeinschaft existiert. Der Standort an der Hornstraße wird dann jedoch der Vergangenheit angehören, denn da für die Einsatzstelle, das Grundstück und die Halle kein Bedarf mehr besteht, soll das Gelände nach Beschluss der Mitglieder verkauft werden. „Wenn sich ein Interessent für das Eckgrundstück findet, bleibt das Gebäude unter anderer Nutzung vielleicht erhalten. Ansonsten gehe ich davon aus, dass es abgerissen und das Gelände neu bebaut wird“, vermutet der Noch-Vorsitzende.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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