Frohe Weihnachten in Italien
Italienische Weihnacht - Mythische Figuren - Traditionen

"Presepio" Ausschnitt 01 | Foto: Bildrechte: Stefania Herod
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Weihnachtszeit, Zeit der Erinnerung, der inneren Einkehr. Kinder genießen die aufregende Weihnachtszeit. Und ja, man erinnert sich immer wieder mal zurück in die Kindertage. Unsere Kinderzeit in Rom war ganz besonders stimmungsvoll, dafür sorgten vor allem meine Eltern. Auf dem schwarzen, kühlen Marmorboden im Wohnzimmer stand der liebevoll geschmückte Weihnachtsbaum aus Deutschland. Im Flur wurde in italienischer Tradition unser Presepio, (Krippe) auf einer großen, alten Kommode aufgebaut.
Wir Kinder stachen Moos ab, Berge und Landschaft bastelten wir aus Karton und Packpapier, das wir mit dem Moos auskleideten. Spiegelstücke stellten Wasserflächen dar. Dann wurden die Figuren aufgestellt: die Heilige Familie, Engel, die Heiligen drei Könige, Schafe, Hirten, Ochs, Esel und Kuh. Der Eselskarren, eine kleine Landschaft, ein kleiner Brunnen, Heu, Lichter, der Stern, halt alles, was zu einer Krippe gehört vervollkommnete unseren Presepio. Und wenn wir Besuch hatten, schauten wir uns die Krippe gemeinsam lange an und es war immer eine große Freude.

Wir Kinder fieberten der Adventszeit und Weihnachten mit dem krönenden Besuch von Babbo Natale, dem italienischen Weihnachtsmann entgegen, der heimlich im Wohnzimmer die Geschenke unterm Baum legte. Kurz vor der Bescherungszeit hörte man seine Glocke läuten, seine sonore Stimme, die den Rentieren den Befehl zum Weiterfliegen gab.  Wir durften noch nicht einmal in die Nähe der Wohnzimmertür kommen, sollten brav im Kinderzimmer auf den Ruf meiner Mutter warten. Einmal habe ich mich aber doch getraut und durch das Schlüsselloch der Wohnzimmertür geschaut, obwohl das verboten war. Da war er! Der Weihnachtsmann! Er klingelte sein Glöckchen, legte die Geschenke unterm Baum, trug aber keine rote Kleidung, ich sah eine graue Hose und einen gelben Pullunder. Babbo Papá trat dann auf den Balkon und verschwand in Richtung Schlafzimmer. Als mein Vater dort herauskam, war er genau so gekleidet wie Babbo Natale. Damit endete mein kindlicher Glauben an den Weihnachtsmann.

Santa Lucia. Am 13. Dezember sangen wir das Lied „Santa Lucia“, gemeinsam mit dem italienischen Sängerkind Robertino, das aus dem Radio erklang. Lucia war Christin, blond und Sizilianerin. Die Heilige der Augen, und des Lichts wird noch heute in Messen am 13.12. in Italien gefeiert. Sie trägt reine, weiße Kleidung, eine Kerzenkrone auf ihrem Haupt sowie Kerzen in ihren Händen. Früher, vor der gregorianischen Kalenderreform, war der 13. Dezember der kürzeste Tag des Jahres. Noch heute heißt es in Italien: „Santa Lucia, il giorno più corto che ci sia“ ( der kürzeste Tag den es gibt). Aber ist nicht der 21. Dezember der kürzeste Tag? Ach was soll's! Wir wollen doch alle  endlich wieder Licht sehen nach der langen, dunklen Winterzeit. Santa Lucia wird als „Lichtbringende Gestalt“ geliebt, mit ihr werden die Tage wieder länger und heller. Da die Heilige Lucia den Armen Essen gab, bekommen italienische Kinder kleine Leckereien und Geschenke.

La Befana, die gute sizilianische Hexe soll der Sage nach von Schafhirten die frohe Botschaft erfahren haben. Der Stern zeigte den Weg, aber sie zögerte. Auf ihrer zu späten Suche nach dem Jesuskind war der Stern verloschen. Sie begann ihre Suche, die bis heute andauert. Immer noch ruhelos fliegt die Befana auf ihrem Besen jedes Jahr in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar umher, beschenkt Kinder aus ihrem Sack, das sie über die Schulter trägt, hofft immer noch darauf, das Jesuskind zu finden. Dabei verteilt sie Süßigkeiten an alle braven Kinder, Kohle und Asche schmiert sie den Kleinen die rüpelig waren ins Gesicht.
Dazu gibt es auch ein italienisches Gedicht:

La Befana vien' di Notte            Die Befana kommt bei Nacht
con le scarpe tutte rotte           trägt Schuhe, die echt kaputt sind
il cappello alla romana             Der Hut auf römische Art
viva viva la Befana                     Hoch soll sie leben, la Befana!

Noch viele Jahre später sprachen meine Mutter und ich in der Weihnachtszeit über eine unvergessene gemeinsame seltsame Begegnung. Es war ein 5. Januar, abends spät, im weihnachtlich geschmückten Rom. Die alten Gebäude strahlten Lichter aus, versanken dann zurück in geheimnisvolle Dunkelheit. Der Duft von verbrannten Kerzen, modrigen Kellerfenstern, Zypressen und regennasser Strasse vermischte sich in der Luft, die wir atmeten. Mamma trug Taschen voller Geschenke nach Hause. Am 6. Januar sollte die hässliche Hexe „Befana“ die Kinder Roms besuchen. Es fing leicht zu nieseln an, was unsere Schritte beschleunigte. 
Plötzlich stand sie vor uns, eine dunkle Gestalt. Aus einer dunklen Gasse hervorgetreten, schaute uns die schwarzgekleidete Frauengestalt an, ihr großer schwarzer Hut war spitz und breit. In ihren wachen, kleinen Augen, spiegelte sich das Mondlicht unwirklich silbern. Wir erstarrten. War sie es, die Befana? Gab es sie wirklich? Sie sah genau so aus, wie tausendfach beschrieben. Zeit wurde Raum, eine seltsame Ruhe umfing uns. Da lächelte sie und ihr zerfurchtes Gesicht wurde heller und sanfter. Mit verrunzelter Hand griff sie in ihren Sack und zog eine „Caramella“ hervor, die sie in meine Hand legte. Wieso hielt ich ihr automatisch die Hand hin? Mamma hatte es mir immer streng verboten, von fremden Menschen etwas anzunehmen ging ja gar nicht! Noch erstaunlicher war, dass plötzlich statt dem einen Bonbon ein reines, weißes Säckchen Caramelle wie aus Zauberhand in meiner Hand lag. Mamma schrie überrascht auf, wir schauten uns kurz erstaunt an. „Grazie Befana“ kam es leise aus meinen Lippen, danke.
Wer immer sie gewesen sein mag, alles war noch da, die dunkle Gasse, der Mondschein, das römische Pflaster, la Befana aber war verschwunden, so unwirklich wie sie aufgetaucht war, verschwand sie geräuschlos, unbemerkt. Meine Mamma und ich aber blieben angenehm verwirrt zurück und hatten eine „pelle d'oca“, eine Gänsehaut, wie man in Italien sagt. Noch ungläubig lächelnd und Kopf schüttelnd gingen wir nach Hause.

Die Silvesterfeier (Capodanno) beginnt man in Italien schon früh am Abend traditionell mit Familie und Freund*innen. Es wird viel geredet, gelacht, gegessen, getrunken, alle bereiten sich gemeinsam auf das Neue Jahr vor. Linsen essen steht für Reichtum im nächsten Jahr. Spumante, (Sekt) trinken dazu, ein Tröpfchen davon hinters Ohr tupfen ist ganz wichtig und darf nicht vergessen werden.
Für den Start ins Neue Jahr sollte man unbedingt geschenkte rote Unterwäsche tragen. Nur geschenkte rote Kleidungsteile sind wirksam. Am Neujahrstag muss die rote Kleidung wieder weggeschmissen werden. Auch diese Tradition darf nicht in Vergessenheit geraten, denn eine neue Liebe, Glück, Zufriedenheit, Gesundheit, was immer auch der Neujahrs-Wunsch war, kann nur so in Erfüllung gehen.

Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Weihnacht, "Buon Natale" und alles Gute für das Neue Jahr, vor allem Gesundheit!

LeserReporter/in:

Stefania Herod aus Nümbrecht

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