Den Tod mehr ins Leben beziehen
Mehr Normalität für die Themen Tod, Trauer und Sterben

Die beiden Organisatorinnen, die den Aktionstag „Tag des guten Sterbens“ ins Leben gerufen hatten, ergänzten sich gut: Bestatterin Claudia Jäckel (sitzend im Sarg) und Kulturwirtin Tina Damm. | Foto: at
  • Die beiden Organisatorinnen, die den Aktionstag „Tag des guten Sterbens“ ins Leben gerufen hatten, ergänzten sich gut: Bestatterin Claudia Jäckel (sitzend im Sarg) und Kulturwirtin Tina Damm.
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Neuehrenfeld - (at). Als sie ihre Mutter viel zu früh verlor und viele nicht so
richtig wussten, wie sie mit ihr umgehen sollten oder helfen könnten,
gründete Tina Damm das Café Mortel und lernte Claudia Jäckel
kennen. Die beiden merkten, dass das Thema Tod und Sterben viel mehr
in den Alltag gerückt werden muss, und nahmen sich vor, angelehnt an
den „Tag des guten Lebens“ einen „Tag des guten Sterbens“ zu
organisieren.

Da dem WandelWerk der Tod ebenso bevorsteht, weil es Ende September
abgerissen wird und Corona es gerade zuließ, luden sie am
bundesweiten Memento-Tag ein, sich über das Sterben, Trauern und den
Tod zu informieren. Über 300 Besucher, teilweise aus Bonn, Aachen,
Düsseldorf und Hagen, nahmen über den Tag verteilt das kostenlose
Angebot an und setzten sich mit der Vorsorgevollmacht,
Bestattungsvorsorge oder dem Schreiben eines Testaments auseinander.
Bei Bestatterin Claudia Jäckel fragten sie beispielsweise nach, wie
man Diamanten aus sich machen lassen kann oder welche Kriterien es
für einen selbstgebastelten Sarg gibt.

Die ansässige Schreinerei im WandelWerk hatte für den Aktionstag
extra einen Sarg hergestellt, bei dem die Besucher Probeliegen
konnten. Alle stiegen beruhigt und positiv überrascht wieder aus dem
Sarg heraus, berichtete eine ehrenamtliche Helferin. Manche ließen
sogar den Deckel schließen und nutzen diese Zeit, um nachzudenken.
Ein Kind wollte gar nicht mehr heraus, es fand es so warm und
kuschelig darin, erzählte sie weiter.

Die Pänz konnten Särge aus Papier basteln, sich mit Aufklebe-Tattoos
tätowieren oder Vorlagen ausmalen- coronabedingt war es nicht
möglich, sich wie in Mexiko am Tag des Todes das Gesicht schminken zu
lassen. Es gab die Möglichkeit, aus Kleidungsstücken verstorbener
Angehörigen Wimpelketten als Andenken zu basteln. Es konnte eine
normal gefüllte Urne angefasst werden oder sich über nachhaltige
Bestattungsformen, wie einen Pilzsarg, beraten lassen. Eine junge
Mutter informierte mit ihrer Ausstellung über die „stille
Geburt“.

Eddi Hüneke (ex Wise Guys) sang ein Lied für seinen verstorbenen
Vater, der kurz zuvor 92 Jahre alt geworden wäre. Die Marchingband
„Blechkasten“ begann wie bei einer Beerdigung in New Orleans erst
mit bedächtigen und traurigen Liedern, die dann zunehmend fröhlicher
werden, wenn der Sarg unter der Erde ist, berichtete Kulturwirtin Tina
Damm.

Nachdem es Filme für die ganze Familie gab, die die biologischen
Vorgänge zeigen, wenn der Körper stirbt, zeigte Dr. Mark Benecke
seinen Film „Schweinchen“, eine forensische Verwesungsstudie, für
die eher Hartgesottenen beziehungsweise diejenigen, die sich mit dem
Thema näher auseinandersetzen wollten. Er wies außerdem darauf hin,
wie sehr unsere Erde gerade im Minutentakt stirbt.

Da Claudia Jäckel und Tina Damm so viele dankbare Reaktionen von den
Fach- aber auch Privatbesuchern erhielten, die ihre Ängste und
Hemmschwellen abbauen konnten, wird der Tag des guten Sterbens
definitiv wiederholt. Wenn das WandelWerk mit seinen vielen kreativen
und handwerklichen Köpfen keinen neuen festen Ort findet, planen
Jäckel und Damm notfalls einen dezentralen Aktionstag in den Veedeln.

Ihr Fazit: Wenn jemand stirbt, ist es natürlich traurig- aber dem Tod
an sich müssen alle ins Auge blicken. Je mehr man aber über den Tod
weiß, desto weniger Angst hat man davor und erfährt dabei viel über
das Leben, was auch glücklich machen kann.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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