Reurbanisierung ein fester Trend
Stadt oder Land – wo wohnen Familien?

Welche Gründe haben Familien, in der Stadt oder auf dem Land zu leben – und wie zufrieden sind sie damit? | Foto: Bildrechte Betreut.de/Westend61 - Getty Images
  • Welche Gründe haben Familien, in der Stadt oder auf dem Land zu leben – und wie zufrieden sind sie damit?
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Region/Wesseling - Seit Jahrzehnten ist eine ‚Landflucht‘ in Deutschland zu
verzeichnen, doch seit einigen Jahren macht sich auch eine gewisse
Gegenbewegung bemerkbar. Kultur oder Natur, Erreichbarkeit oder
Beschaulichkeit, Großstadtflair oder ländliche Idylle: Die Frage, wo
es sich besser lebt, spaltet seit jeher die Deutschen. Betreut.de hat
sich die Frage gestellt, welche Gründe Familien haben, in der Stadt
oder auf dem Land zu leben – und wie zufrieden sie damit sind.

Von den 810 von Betreut.de befragten Müttern und Vätern leben die
meisten (44%) in der Stadt. Erst danach folgen Vorstadt/Stadtrand mit
32 Prozent und ländliche Gegend mit 23 Prozent. Ausschlaggebend für
die Wahl ihres Wohnorts waren für die befragten Mütter und Väter
dabei vorrangig drei Gründe: die Erschwinglichkeit (Männer: 67%,
Frauen: 54%), die benötigte Zeit von/zum Arbeitsplatz (Männer: 61%,
Frauen: 54%) und die Nähe zu Familie und Freunden (Männer: 48%,
Frauen 52%). Aber wie zufrieden sind sie mit ihrer Wohngegend? Hier
zeigt sich ein recht eindeutiges Stadt-Land-Gefälle: Während
lediglich 21 Prozent der Befragten auf dem Land lieber woanders wohnen
würden, sind es in der Stadt 40 Prozent. Am Stadtrand bzw. in der
Vorstadt sind es durchschnittlich 32 Prozent. Dabei gilt: Je mehr
Kinder, desto unzufriedener sind Eltern in der Stadt bzw. in der
Vorstadt/am Stadtrand. Lediglich auf dem Land steigt mit mehr Kindern
die Zufriedenheit mit der Wohnsituation. Auffällig ist dabei die
klare Tendenz, die weg von der Stadt weist: 68 Prozent der Eltern im
Stadtgebiet, die gerne woanders wohnen würden, zieht es in die
Vorstadt/an den Stadtrand, auf dem Land beträgt dieser Anteil unter
denen, die lieber woanders wohnen würden, 65 Prozent. Für 69 Prozent
der Eltern, die in der Vorstadt/am Stadtrand wohnen und gerne umziehen
würden, ist das Land der favorisierte Wohnort.

Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung ist
Reurbanisierung, also die Bevölkerungs- und Beschäftigungszunahme in
der Kernstadt, ein gefestigter Trend in Deutschland, der vor allem aus
Außenzuwanderung und großräumigen Wanderungsströmen zwischen Stadt
und Land resultiert. Die Studie hält dabei fest, dass die
kontinuierliche Abwanderung aus dem ländlichen Raum insbesondere die
dünn besiedelten ländlichen Gebiete betrifft. Dabei profitieren
nicht nur die großen Großstädte von der Zuwanderung. Auch Klein-
und Mittelstädte verzeichnen einen stärkeren Zuzug. Gleichzeitig
lässt sich eine Zunahme der Bevölkerung im direkten Umland der
Großstädte aus den jeweiligen Städten beobachten.

Einer der Gründe für diese „Überschwappeffekte“ ist die
steigende Anspannung der städtischen Wohnungsmärkte. Das
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hält in einer
Studie aus 2017 fest, dass es hier im Hinblick auf Familien eine
Korrelation zwischen höheren Wohnkosten und einem stärkeren Wegzug
aus der Stadt gibt. Gerade für Familien, die mehr Wohnraum
benötigen, ist der Wohnungsmarkt schwierig. Neben der generellen
größeren Unzufriedenheit der befragten Eltern in der Stadt gibt es
auch konkrete Ergebnisse aus der Betreut.de-Umfrage zur Wohnsituation,
die diese These stützen: Die wenigsten Familien in der Stadt
verfügen über ein eigenes Haus (22%) beziehungsweise ein gemietetes
Haus (4%), sondern wohnen mit Abstand am häufigsten in einer
Mietwohnung (55%). Anders sieht es in die Vorstadt/am Stadtrand aus:
Hier wohnen immerhin 38 Prozent der Befragten in einem eigenen Haus,
13 Prozent in einem gemieteten Haus. 38 Prozent leben in einer
Mietwohnung. Der Großteil der Befragten in ländlichen Gebieten wohnt
hingegen in einem eigenen Haus (60%).

Was sich im Vergleich der Wohngebiete feststellen lässt, ist eine
stärkere klassische Rollenverteilung von einem Voll- und einem
Teilzeit arbeitenden Elternteil in ländlichen Gebieten. Während im
Stadtgebiet mehr als zwei Drittel der befragten Frauen (72%)
vollzeitbeschäftigt ist, ist auf dem Land mehr als die Hälfte der
Frauen (54%) in Teilzeit tätig. Mit 59 Prozent in Vollzeit und 41
Prozent in Teilzeit arbeitenden Frauen liegt die Vorstadt/der
Stadtrand genau zwischen diesen Werten. Homeoffice wird in allen
Wohngebieten kaum genutzt, wobei die Nutzung in ländlichen Gegenden
am geringsten ausfällt: Im Stadtgebiet gaben 52 Prozent der befragten
Mütter und Väter an, nie oder weniger als einen Tag die Woche von
Zuhause aus zu arbeiten. In der Vorstadt/am Stadtrand gaben dies 58
Prozent an und auf dem Land 64 Prozent. Die Mehrheit der Befragten,
die Homeoffice nutzen, sagen jedoch, dass es sich positiv auf ihre
Work-Life-Balance auswirkt – und dabei ist die Zustimmung in
ländlichen Gegenden sogar am größten (Stadtgebiet: 71%/
Vorstadt/Stadtrand: 69%/ Ländliche Gegend: 73%). „Gerade
Homeoffice-Lösungen können dabei helfen, die Teilzeitquote bei
Frauen auf dem Land zu senken. Denn lange Teilzeitphasen führen zu
Nachteilen bei Einkommen, Karriere und Altersabsicherung“, erklärt
Laura Esnaola, Geschäftsführerin von Care.com Europe. „Unternehmen
sollten sich dahingehend mehr öffnen. Leitende Angestellte sollten
hierbei eine Vorbildrolle einnehmen. Letztendlich ergibt sich daraus
eine Win-Win-Situation für beide Seiten: mehr Zufriedenheit und
finanzielle Absicherung bei den Mitarbeiterinnen, während die
Unternehmen von motivierten Arbeitnehmerinnen profitieren.“

Die eingesparte Zeit, die durch die Pendelei wegfällt, nützt allen:
Im Durchschnitt benötigen die Befragten auf dem Land mit 43 Minuten
pro Tag dabei am wenigsten Zeit für den Weg zur Arbeit und zurück.
Im Stadtgebiet liegt der Wert bei 45 Minuten, am längsten brauchen
mit 47 Minuten die Mütter und Väter in der Vorstadt/am Stadtrand.

Unabhängig vom Wohnort ähneln sich die Wünsche der Eltern im
Hinblick auf die Grundbedürfnisse ihrer Kinder. Egal ob in der Stadt,
in der Vorstadt/am Stadtrand oder in ländlichen Gebieten, allerorts
gaben die Befragten an, dass sie mehr Geld für die Zukunft ihrer
Kinder sparen würden, wenn ihnen mehr Geld zur Verfügung stünde
(16%/18%/17%), dicht gefolgt von der Zeit, die sie mehr mit der
Familie verbringen könnten (15%/14%/14%). Und ebenfalls über alle
Wohnorte hinweg sind es vorrangig Familienmitglieder, die um Hilfe
gebeten werden, wenn Eltern Unterstützung bei der Kinderbetreuung
brauchen (Stadtgebiet: 53%/ Vorstadt/Stadtrand: 57%/ Ländliche
Gegend: 50%).

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