Akkordeon-Weltklasse: Mozart, Strauß und Piazzolla
Besonderer Sound des Rizol Quartet aus Kyiv

- Das Rizol Quartet der Nationalen Philharmonie der Ukraine in Kyiv gastierte im Wesselinger Rheinforum.
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Wesseling. Das letzte Eichholzer Schlosskonzert war etwas ganz Besonderes, nicht nur weil es an einem Donnerstag stattfand. Zu Gast war das Rizol Quartet - das ist ein Akkordeonensemble der Weltklasse, die Musiker gehören zur Nationalen Philharmonie der Ukraine in Kyiv. Es wurde Musik aus drei Jahrhunderten geboten, die man nicht unbedingt mit dem Akkordeon verbindet. Da gab es in Perfektion und absoluter Leichtigkeit spritzigen Johann Strauß Sohn zum 200. Geburtstag, bekannten Wolfgang Amadeus Mozart und grandiosen Astor Piazzolla zu hören.
Schon die Eröffnung mit dem Wiener Walzer "An der schönen blauen Donau" begeisterte die 60 Zuhörer - die inoffizielle österreichische Nationalhymne wurde in großartigem Zusammenspiel und mit etwas Agogik dargeboten. Die vier Musiker fühlten sich auch sichtlich wohl auf der Bühne im großen Saal des Rheinforums - zwar nicht mit Blick auf die Donau, aber auf den Rhein. Und sie füllten den Saal mit einem grandiosen Sound, der anders ist als selbst bei großen Akkordeonorchestern. Der künstlerische Leiter mit dem Titel "Verdienter Künstler der Ukraine" Oleg Shyjan, 1. Stimme, und Viacheslav Moseichuk, Preisträger internationaler Wettbewerb, 2. Stimme, spielten ein normales Bajan, ein Knopfakkordeon in B-Griff, wie es in Osteuropa üblich ist. Sie umrahmten die beiden Spieler, die für die tiefen und mittleren Frequenzen zuständig sind: Ivan Kharchenko, erst seit einigen Wochen im Ensemble, spielt ein Bariton-Akkordeon, das es hier so nicht gibt, und Roman Molchenko/Роман Молоченко, ebenfalls "Verdienter Künstler der Ukraine", spielt ein Bass-Akkordeon, so wie es heute in den meisten Akkordeonorchestern im Einsatz ist. Durch das Bariton-Akkordeon werden auch Frequenzen in den Gesamtklang gebracht, die zwischen dem Spektrum eines Bajan und des Bass-Akkordeons liegen und runden ihn so ab.
Von Johann Strauß Sohn erklangen außerdem die "Annen-Polka", das "Perpetuum mobile" und die Ouvertüre zur Operette „Die Fledermaus“, wurde er doch nicht nur als "Walzerkönig“, sondern auch als „König der Wiener Operette“ weltweit bekannt. Und dabei hatte er keine behütete Jugend. Seine Eltern trennten sich, die musikalische Förderung ihres hochtalentierten Erstgeborenen übernahm die Mutter. Der Vater war entschieden dagegen, dass sein Ältester eine Musikerlaufbahn einschlägt. Dieser kam dann aber doch noch im Wesselinger Konzert "zu Wort": Es erklang als Zugabe der Radetzky-Marsch, ein dem österreichischen Feldmarschall Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz gewidmeter Marsch, der traditionell auch das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker beendet.
Von Wolfgang Amadeus Mozart erklang zunächst eine nicht so bekannte "Fantasie in f-Moll". Im Winter 1790/91 schrieb Mozart für ein Wiener Wachsfiguren- und Kuriositätenkabinett mehrere Stücke für die „Flötenuhr“, die er auch „Orgelwerk in einer Uhr“ oder „Orgelwalze“ nannte. Sie werden heute meist auf der Orgel oder vierhändig am Klavier gespielt. Die düsteren Klänge dieser beiden Spätwerke Mozarts erklären sich daraus, dass sie Trauermusiken sind zu einer gigantische „Trauershow“ zu Ehren von Österreichs berühmtestem Feldherrn, Feldmarschall Laudon. Dieses Stück in großem Orgelklang ließ erahnen, wie die Menschen in der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg leiden. Das Rizol Quartet bestreitet Konzerte in den Frontgebietern, um die Ukrainer auch moralisch zu unterstützen. Bei den anderen Werken von Mozart handelte es sich um die “Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur”, Köchelverzeichnis 525, bekannt unter dem Namen "Eine kleine Nachtmusik", und den "Türkischen Marsch" aus der Sonate Nr. 11 in A-Dur. Sie stehen für das Schöne in der Musik. Und hier kamen zwei ganz besondere Instrumente zum Einsatz, die schon seit Beginn des Konzertes auf der Bühne standen. Oleg Shyjan spielte ein Oboen-Akkordeon und Viacheslav Moiseichuk ein Klarinetten-Akkordeon. Sie brachten durch ihre besondere Resonanz-Konstruktion wieder andere Klänge in den Sound, ähnlich der Holzblasinstrumente.
Als jüngsten Komponisten hatte das Rizol Quartet Astor Piazzolla gewählt, den argentinischen Bandoneonspieler und Komponisten aus dem 20. Jahrhundert, der den Tango nuevo begründet hat. Die Harmonie des Tango weitete er mit Mitteln des Jazz aus sowie nach den Vorbildern Igor Strawinsky und Béla Bartók, außerdem nahm er bei der Spieltechnik der Instrumente auch Anleihen aus der Neuen Musik. Seine Kompositionen wirken in einem Akkordeonorchester oder auch -ensemble immer besonders gut. Beeindruckend schon der zunächst gespielte 3. Satz aus "Las Cuatro Estaciones Porteñas (Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires)": "Invierno Porteño" (Winter, Lento). Es ist ein lateinamerikanisches Gegenstück zu Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" und charakterisiert die Jahreszeiten auf der Südhalbkugel der Erde. Der "Violentango" ist ein virtuoses Meisterwerk von Piazzolla, sehr kraftvoll, manchmal auch aggressiv. Ganz besonders gefiel dann der Tango nuevo "La Muerte del Angel", den Astor Piazzolla normalerweise mit Solo-Bandoneon und seinem Quintett mit Violine, Gitarre, Klavier und Kontrabass gespielt hat. Er gehört zu einer 1962 komponierten Schauspielmusik und damit in die Anfänge seines Schaffens. Es ist ein glänzender Beleg für die satztechnische Vielfalt in Piazzollas Tangos, denn es beginnt mit einer Fuge. Im Mittelteil beruhigt sich die Bewegung und macht einer schwärmerischen und hoffnungsfrohen Melodie Platz. Im Schlussabschnitt kehrt die Fuge wieder und mit ihr der aggressive Charakter massiver Klangballungen.
Standing Ovations für das 1939 von Professor Mykola Rizol gegründete Quartett, das seit 1946 Teil der Nationalen Philharmonie der Ukraine ist. Schön, dass diese großartigen Musiker auf ihrer kleinen Europatour 2025 nach Pilsen/Tschechien und Konstanz am Bodensee Station im Rheinland gemacht haben.
LeserReporter/in:Anita Brandtstäter aus Köln |
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Konzert am 15. Mai in der Akkordeonschule Petr Vacek in Pilsen/Tschechien: https://www.facebook.com/photo?fbid=1520748792636719&set=pcb.1520749782636620