Porträt eines Nazi-Emporkömmlings
„Macht will ich haben“

Nicole Bernstein und Dr. Martin Rüther im Interview. Foto: Robert Scheuermeyer
2Bilder
  • Nicole Bernstein und Dr. Martin Rüther im Interview. Foto: Robert Scheuermeyer
  • hochgeladen von Angelika Koenig

Rösrath. Wie kam es dazu, dass Jugendliche im Dritten Reich zu glühenden Hitler-Verehrern wurden und sich zu Denunzianten und Rassisten entwickelten? Dieser Frage spürte der Geschichtsverein Rösrath mit seiner Veranstaltung „Macht will ich haben“ am Beispiel des 1924 geborenen Brühlers Günther Roos nach, dessen Tagebucheintragungen eindrücklich Zeugnis von dieser Entwicklung geben. Der in Rösrath lebende Historiker Martin Rüther hat über die Erziehung von Roos zum Nationalsozialisten ein informatives Buch geschrieben. „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten. Jeder der mich daran hindert, muss unauffällig verschwinden“ – so lautete der beklemmende Tagebucheintrag des damals 18-jährigen Roos, der gezielt seine persönliche Karriere als Jungvolkführer plante und dabei keine Intrige scheute. Eindringlich vorgelesen wurden die teils entlarvenden Tagebucheinträge von Mirko Wittka. Reiner Grünjes und Marina Wittka vom Geschichtsverein setzten sie in szenischer Lesung in den historischen Kontext. Fotos von Roos und Szenen aus der damaligen Zeit ergänzten die Vorträge.
Der Bergische Saal in Schloss Eulenbroich war voll besetzt, gebannt verfolgten die Zuhörenden – darunter auch einige Schüler*innen der Gesamtschule Kürten mit ihrer LK-Geschichtslehrerin – die Erzählungen über die zunehmende Radikalisierung des jungen Mannes. Erschreckend auch die Schilderung eines damaligen Parteigenossen von Roos über die Pogromnacht in Brühl 1938. „Die Schülerinnen und Schüler waren wohl sehr beeindruckt. Die Tagebucheinträge haben sie sehr berührt und nachdenklich gemacht“, freut sich Marina Wittka, die langjährig Lehrerin für Geschichte und Deutsch am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium war. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von der Rösrather Pianistin Paula Muthig, die unter anderem auch ein Werk des jüdischen Komponisten Mendelssohn-Bartholdy darbot. Die anschließende rege Diskussion mit Fragen an den Verfasser des Buches, Dr. Martin Rüther, moderierte Nicole Bernstein vom Vorstand des Geschichtsvereins. Eine zentrale Frage „Wie konnte es zu dieser Radikalisierung kommen“ wird in einer weiteren Veranstaltung des Geschichtsvereins am 8. Mai, um 18 Uhr, in Schloss Eulenbroich beantwortet. Titel: „Blicke nach vorn? NS-Vergangenheit und Traumabewältigung“. Dort wird auch darüber berichtet, wie der 2013 verstorbene Günther Roos in der Nachkriegszeit begann, sich intensiv und kritisch mit seiner eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen.

Nicole Bernstein und Dr. Martin Rüther im Interview. Foto: Robert Scheuermeyer
(v.l.) Reiner Grünjes,  Marina Wittka, Mirko Wittka und Paula Muthig.  Foto: Robert Scheuermeyer
Redakteur/in:

RAG - Redaktion

28 folgen diesem Profil