"Der Baustoff der Zukunft"
Erste Brücke ohne Stahl

Aus dem 3-D-Drucker kommt das Modell der „VariBridgeLW“: „Lebensgroß“ wird die erste stahlfreie Carbonbeton-Fertigbrücke in Nordrheinwestfalen im nächsten Jahr in Heimbach-Vlatten stehen.  | Foto: Montserrat Manke
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  • Aus dem 3-D-Drucker kommt das Modell der „VariBridgeLW“: „Lebensgroß“ wird die erste stahlfreie Carbonbeton-Fertigbrücke in Nordrheinwestfalen im nächsten Jahr in Heimbach-Vlatten stehen. 
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Wesseling - Leichter, langlebiger, umweltfreundlicher, und viel schneller
verbaubar: Die Technische Universität Chemnitz hat zusammen mit dem
Wesselinger Traditionsunternehmen Graf einen Baustoff aus Beton und
Carbon entwickelt, der gänzlich ohne Stahl auskommt:
„Carbonbeton“

Carbon? Moment mal, das kennen wir doch: Von Skiern zum Beispiel. Oder
vielen anderen Sportgeräten. Aber auch in der Autoindustrie kommt die
Kohlenstofffaserverbindung zum Einsatz, oder bei Flugzeugen: Halb so
leicht wie Aluminium aber härter als Stahl sei Carbon:
„Zukunftsmaterial“ titelte das Handelsblatt schon vor sieben
Jahren.

Ein Beton ohne Stahlinnenleben, aber dafür mit Carbon sei sehr viel
langlebiger, denn Carbon rostet nicht. Mindestens 100, aber
wahrscheinlich eher 200 Jahre sei ein solcher Beton haltbar, sagte
Hennig Funke, Materialingenieur der TU Chemnitz, der zusammen mit der
Bauingenieurin Susanne Viertel den staunenden Gästen vor Ort in
Berzdorf demonstrierte, wie das Ganze funktioniert.

Schon seit 20 Jahren forsche man an dem Thema, sagte Dr. Ing. Sandra
Gelbich, die federführend die Projektleitung für die TU hat. In
Chemnitz arbeiten die Wissenschaftler seit zehn Jahren am Stoff und
mit der Wesselinger Firma Hans Graf habe man einen zuverlässigen
Partner auf Herstellerseite gefunden – die Bauunternehmung besteht
seit 92 Jahren und in vierter Generation, nach dem Tod von Hans Graf
führt seine Witwe Jutta Graf die Geschäfte.

Zwar koste ein Kilo Carbonbeton etwa 15 mal mehr, als ein Kilo
„normaler“ Beton, den es für gut 1 Euro gibt, aber man reduziere
den Betonanteil um gut die Hälfte, denn das korrisionsfreie Carbon
braucht weit weniger Ummantelung als der Stahl. Weniger Beton bedeute
auch weniger CO2 Ausstoß, denn Zementverarbeitung sei für etwa 10
Prozent des weltweiten CO2 Ausstoßes verantwortlich, so Dipl. Ing.
Volker Salentin von der Graf Bauunternehmung.

Als NRW weit erstes Pilotprojekt soll im nächsten Jahr eine etwa 8
Meter lange Fußgängerbrücke in Heimbach-Vlatten im Kreis Düren
aufgestellt werden. Der Clou an der ganzen Sache: Die komplette
Brücke wird in Berzdorf auf dem Gelände der Firma Graf
zusammengebaut werden. Dann kommt das Brückenstück auf einen
Tieflader und wird in Vlatten aufgestellt. Für die dortigen Bürger
übrigens kostenlos – da es sich um ein Versuchsobjekt handelt, muss
die Gemeinde lediglich die seitlichen Brückenaufleger bezahlen.

Das geht, denn das gesamte Projekt wird mit gut 500 000 Euro vom
Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, kurz „ZIM“ genannt
gefördert. Hierbei handelt sich um ein bundesweites technologie-
sowie branchenoffenes Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Energie.

Ein Patent könne man nicht bekommen, auf den Carbonbeton, da Carbon
schon in der Flugzeugtechnik eingesetzt wird, wohl aber auf die Fuß-
und Radbrücke „VariBridgeLW“ (LW steht für light weight), dieses
Modell haben sich die Uni Chemnitz gemeinsam mit der Firma Graf
schützen lassen.

Interessant am Rande: Da die neuen Verbundbaustoffe bislang
normentechnisch nicht geregelt sind, muss eine Genehmigung der
obersten Baubehörde des Landes NRW eingeholt werden und das wird in
Form einer „zerstörenden Prüfung“ geschehen, wie Harald
Nauroschat von der Graf Bauunternehmung erläutert. Unter
Laborbedingungen wird die Vlattener Brücke eins zu eins nachgebaut
und aufgestellt werden – ob in Wesseling oder in Chemnitz ist noch
unklar – und dann werden - laienhaft ausgedrückt - immer weiter
Gewichte aufgelegt, bis die Brücke zusammenkracht.

Redakteur/in:

Montserrat Manke

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