Freie Kölner Kulturszene vor dem Absturz?
„Theater sind keine Corona-Hotspots!"

Die freie Kulturszene befürchtet, dass viele kleinere Häuser durch die neuen Corona-Schutzmaßnahmen das nächste Jahr nicht überleben werden. Dabei seien die Häuser sicher, betonen ihre Vertreter. | Foto: Broch
  • Die freie Kulturszene befürchtet, dass viele kleinere Häuser durch die neuen Corona-Schutzmaßnahmen das nächste Jahr nicht überleben werden. Dabei seien die Häuser sicher, betonen ihre Vertreter.
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Köln - (sb). „Das Theaterpublikum liegt sich nach den Aufführungen
nicht besoffen in den Armen. Es sind gesittete Leute, sie halten sich
an die Regeln. Man kann da nicht jeden Tag mit neuen Verordnungen
kommen“, erklärte Kabarettist Jürgen Becker auf der
Pressekonferenz der freien Kulturszene zu den aktuellen
Corona-Schutzmaßnahmen im Bürgerzentrum Ehrenfeld. Vor allem die
kleineren Häuser sehen sich durch die neuen Anordnungen massiv in
ihrer Existenz bedroht.

Zudem herrscht Verwirrung, weil alle paar Tage neue Anordnungen
kommen, vom Land oder von der Stadt. Nachdem die Theater nach der
Sommerpause hofften, ein wenig durchatmen zu können, hieß es am 10.
Oktober, nur noch 33 Prozent der Sitze dürften belegt werden, vier
Tage später wurde vom Land noch einmal reduziert auf 20 Prozent
Maximalbelegung. „Das bricht uns das Genick“, sagte dazu Gabriele
Fischer von der Kölner Theaterkonferenz e.V. Die Maßnahmen sind an
den sogenannten Inzidenzwert gekoppelt.

In einer gemeinsamen Erklärung der Kölner Theaterkonferenz, der
plattform kölner theater e.V. und der Initiative Freies Theater Köln
wiesen alle Betroffenen auf die hochdramatische Lage hin und baten das
Land, die 20-Prozent-Regel wieder zu kippen. Das sei wohl inzwischen
auch geschehen, allerdings liege dies noch niemanden schriftlich vor
und niemand wisse genau Bescheid, wie Thorsten Schlosser vom
Ateliertheater auf der Pressekonferenz sagte. Durch den geforderten
Mindestabstand von 1,50 Meter in alle Richtungen kämen manche Häuser
nur auf zehn Prozent zulässige Auslastung, erklärte er. „Dabei
haben wir jetzt Hauptspielzeit. Vom Oktober bis April müssen die
Theater viel erwirtschaften, um über den Sommer zu kommen. Deswegen
sind auch alle sehr gut vorbereitet und an Corona angepasst. Die Leute
sind im Theater sicher!“, betonte er

„Wir gehen bewusst und diszipliniert mit den Maßnahmen um und sind
ein Schutzraum für soziales Zusammensein“, schilderte Bernd Rehse
vom Arttheater. Gute Belüftung und Rückverfolgung von
Infektionsketten seien in den Theatern bestens gewährt, erklärte er.
„Aber man treibt die Theater in den Abgrund. Dann werden die Leute
im Privaten feiern, da, wo es keine Kontrolle gibt. Das ist
fahrlässig und dumm“, ärgerte er sich. „Wenn die Entwicklung so
weitergeht, kommt es zu einem Lockdown, wie wir ihn noch nicht erlebt
haben. Dann geht gar keiner mehr ins Theater“, befürchtete
Kabarettist Wilfried Schmickler. Er forderte die Stadt auf, jetzt
Finanzierungspläne für die kleinen Theater aufzustellen bis Anfang
kommenden Jahres. „Es muss eine verbindliche Zusage kommen von der
Stadt oder dem Land oder wem auch immer, die da heißt: „Wir halten
euch am Leben!“, verlangte er.

Becker forderte, die Stadt solle den kleinen Theatern, die aufgrund
der neuen Reglungen vielleicht nur zehn Gäste einlassen, Hallen zur
Verfügung stellen, wie zum Beispiel am Tanzbrunnen – und zwar
umsonst. „Aber sie nehmen die volle Miete, sind knallhart, obwohl
man nur einen Bruchteil des Raumes nutzen darf. Die hauen die Theater
zu Klump!“, kritisierte er.

Alexandra Kassen vom Senftöpfchen und Corinne Walter vom Kabarett A
– beklagten, dass die Leute aus Angst vor Ansteckung nicht ins
Theater gingen. Tatsächlich weisen die Theaterleute immer wieder
darauf hin, dass es bisher keinen einzigen bekannten Fall von
Ansteckung mit Corona in einem Theater gebe. „Theater sind keine
Hotspots! betonte Lydia Schneider-Benjamin, die die Veranstaltung
moderierte.

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