„Hohe Strafen für Hundehaufen in Köln!“
Der kölsche Hundeprofi Martin Rütter (53) im Interview

Der kölsche Hundeprofi Martin Rütter (53) im Interview mit Express - Die Woche. | Foto: Klaus Grittner
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Martin Rütter (53) ist der bekannteste Hundetrainer Deutschlands, seine TV-Doku-Reihe „Der Hundeprofi“ erreicht regelmäßig Millionen von Zuschauern. Im Interview mit Express - Die Woche fordert er höhere Strafen für das Hinterlassen von Hunde-Kot, eine finanzielle Umverteilung zugunsten der Tierheime und ein neues Maskottchen für den 1. FC Köln.

von Alexander Büge

Martin, du wirst am 23. Februar in der Lanxess Arena auftreten. Darf sich das Publikum dabei auch auf einige lustige Hunde-Anekdoten aus Köln freuen?
Ich stamme zwar ursprünglich aus dem Ruhrpott, aber ich bin jetzt seit über 30 Jahren in Köln. Mein Auftritt in der Lanxess Arena ist somit ein Heimspiel. Deswegen kann ich natürlich einige lokale Geschichten erzählen, auch weil ich mit meinem Hund regelmäßig am Decksteiner Weiher unterwegs bin. Die Lanxess Arena hat für mich aber nicht nur deshalb eine besondere Wucht. Denn es ist schon verrückt: Ich war oft als Zuschauer in der Arena, wenn Weltstars wie Phil Collins zu Gast sind. Dass ich nun selbst dort auftrete, ist für mich nach wie vor surreal.

Was ist die kurioseste Hunde-Geschichte, die du jemals in Köln erlebt hast?
Vor einigen Jahren haben mich mal die Enkel eines urkölschen Ehepaars aus Lindenthal engagiert. Sie hatten mir gesagt: „Der Hund von unseren Großeltern nervt uns total, deswegen möchten wir ihnen zwei Unterrichtsstunden bei dir schenken.“ Daraufhin bin ich dort hingefahren und die Leute waren 92 und 91 Jahre alt. Sie hatten einen winzigen Toy-Pudel, der ganz freundlich durchs Haus wuselte. Er war nicht aggressiv, hatte keine Angst. Und das Ehepaar hatte sich sehr auf meinen Besuch gefreut und extra einen Kuchen gebacken. Nach der Begrüßung haben wir uns aber erst mal hingesetzt und geplaudert, gar nicht über den Hund. Plötzlich hüpft er auf den Stuhl, dann auf den Tisch und knabbert wie selbstverständlich am Kuchen. Daraufhin habe ich zunächst gar nicht reagiert, sondern das Ganze einfach laufen lassen. Zwei Minuten später hat die Frau dann zu mir gesagt: „Ich weiß ganz genau, warum Sie hier sind. Unsere Enkel nervt es, dass der Hund auf dem Tisch steht. Uns stört das aber überhaupt nicht, wir finden es eigentlich sogar ganz nett. Wir nehmen ihn ja auch nicht mit ins Restaurant.“

Wie hast du darauf reagiert?
Ich greife immer dann ein, wenn ich das Gefühl habe, dass Menschen oder Hunde unter einer Situation leiden. In diesem Fall war es aber so, dass ich einen völlig angstfreien und selbstbewussten Hund mit zwei alten Herrschaften vorgefunden habe, die sehr glücklich waren. Also habe ich ihnen gesagt: „Der Kuchen ist schädlich für den Hund, stellt ihm doch lieber ein gutes Trockenfutter auf den Tisch. Dann könnt ihr den Kuchen mampfen und er kann das Trockenfutter fressen.“ Als ich anschließend dort wegefahren bin, klingelte keine Minute später das Telefon. Die Enkel waren dran und wollten ihr Geld zurück. Das sei eine Unverschämtheit gewesen. Und ich könne ja wohl nicht gutheißen, dass der Hund dort auf dem Tisch steht. Dabei wäre es doch absurd, dass ich über 90 Jahre alten Menschen ihr Glück wegnehme. Und das nur, weil die Enkel meinen, ein solches Verhalten wäre nicht gesellschaftstauglich. Nicht mit mir!

Das war wohl einer der speziellsten Hunde der Stadt. Laut der Stadt Köln gibt es mehr als 43 000 Hunde bei gut 40 000 Haltern. Offiziell hat also ungefähr jeder 25. Kölner einen Hund. Ist das zu viel für Köln?
Grundsätzlich habe ich nicht das Gefühl, dass Köln aus allen Nähten platzt, was Hunde angeht. Einige Menschen nehmen vielleicht wahr, dass die Hundepopulation deutlich größer ist, da sich diesbezüglich vieles in die urbanen Gegenden verschoben hat. Als ich ein Kind war, hatten die Leute auf dem Land einen Hund. Heute werden sie vermehrt auch in Städten gehalten. Und das ist völlig in Ordnung.

Es wimmelt allerdings in vielen Veedeln nur so von Hundehaufen. Wie lässt sich dieses Problem besser in den Griff bekommen?
Durch drastische und vor allem hohe Strafen. Ich hasse das wie die Pest, da es für 95 Prozent der Hundehalter völlig normal ist, die Köttel in der Stadt aufzuheben. Wenn ich durch den Forstbotanischen Garten in Rodenkirchen laufe und mein Hund dort im tiefsten Gestrüpp einen Haufen hinlegt, dann würde ich das auch nicht einsammeln. Wenn er dort aber auf einen Weg oder eine Wiese macht, dann ist das etwas anderes. Ich weiß, dass dort Kinder spielen und dies ein Erholungsgebiet ist. Die fünf Prozent, die das nicht machen, sorgen dafür, dass im wahrsten Sinne des Wortes eine Scheiß-Stimmung entsteht.

Haben immer noch zu viele Hundehalter in Köln ein zu geringes Verantwortungsbewusstsein?
Es gibt vielleicht noch zu viele, aber die meisten haben ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein. Das Problem ist nervig und ich verstehe es auch. Aber ich glaube, dass 95 Prozent der Leute einen Kotbeutel dabeihaben.

Gerade in der Corona-Zeit haben sich viele Menschen einen Hund zugelegt. Anschließend wurden zahlreiche Hunde an Tierheime abgegeben oder gar ausgesetzt. Was müssen potenzielle Hundehalter in Köln mitbringen und wem rätst du dazu, sich lieber keinen Hund anzuschaffen?
Ich glaube nach wie vor, dass das einzige Kriterium für die Haltung eines Hundes ist, genug Zeit zu haben. Denn es gibt ein großes Missverständnis: Angeblich braucht man viel Platz, um einen Hund zu halten. Aber das stimmt schlichtweg nicht. Ich habe während meiner Studentenzeit an der Deutschen Sporthochschule Köln mit meiner Golden-Retriever-Hündin im Wohnheim D in einem winzigen, zwölf Quadratmeter großen Zimmer gewohnt. Ich hatte Mina sogar in den Hallen, in der Mensa und bei jedem Kurs dabei, der draußen stattfand. Da sie gut erzogen war, gab es deshalb auch nie Probleme. Ohnehin: Wenn ein Hund richtig ausgelastet ist, pennt er zu Hause fast nur. Man kann also völlig entspannt in Köln-Kalk im 20. Stock auf 40 Quadratmetern zwei Doggen halten, wenn man genug Zeit hat, um viel mit den Hunden spazieren zu gehen und sie auch geistig zu beschäftigen. Es kann aber auch das Gegenteil der Fall sein.

Inwiefern?
Ich wohne etwas außerhalb von Köln auf einem Reiterhof in Pulheim-Dansweiler auf dem es ein vier Hektar großes Grundstück gibt. Das wäre für meine Hunde sehr langweilig, wenn sie sich nur dort aufhalten, aber eben nicht beschäftigt werden. Der Platz ist also kein Kriterium. Wenn ein Ehepaar sagt: „Wir sind beide berufstätig, sind zehn Stunden am Tag außer Haus und können den Hund nicht mit zur Arbeit nehmen.“ Dann antworte ich ganz klar: „Dann dürfen Sie keinen Hund haben.“ Oft wird dann aber der Fehler gemacht, dass direkt zwei Hunde angeschafft werden. Das ist zwar das kleinere Übel, da sich die Hunde zu zweit beschäftigen, doch sie sind dennoch lange alleine. Und darunter leiden sie, da sie eine sehr intensive Bindung zu Menschen haben. Deshalb sollte ein Umfeld geschaffen werden können, wodurch der Hund maximal vier bis fünf Stunden am Tag alleine ist. Ansonsten sollte man keinen Hund haben.

Was für ein Hund kommt am ehesten als „Einstiegshund“ infrage?
Natürlich gibt es Rassen, die nicht zur Kooperation mit Menschen gezüchtet worden sind. Ein Herdenschutzhund ist beispielsweise dazu gemacht, ausschließlich auf die Herde aufzupassen, alleine und autark. Der trifft aber eben auch eigenständig Entscheidungen und möchte nicht mit Menschen trainieren. Ein solcher Hund wäre für eine Familie also kein Einstiegshund. Ein Re-triever hingegen, der für die Kooperation mit den Menschen gemacht ist, gewöhnt sich viel schneller an sie. Dennoch machen auch Halter von Golden Retrievern oder Labradoren die Hölle durch, weil sie ihren Hund nicht richtig erzogen haben.

Gibt es Hunde, die in einer Stadt wie Köln generell nicht gehalten werden sollten?
Wenn der Hund die Stadt kennt, dann gibt es kein Argument dagegen. Hat er zuvor jahrelang auf einem Bauernhof gelebt, sollte man ihn nicht direkt auf die Schildergasse verfrachten. Ansonsten sind Hunde aber sehr anpassungsfähig. Obdachlose machen uns das immer wieder vor. Es passiert deshalb auch nicht, dass man von einem Hund eines Obdachlosen angebellt oder angesprungen wird. Diese Hunde sind in der Regel gut sozialisiert, prima erzogen und gut an das Stadtleben gewöhnt. Selbst Huskies in Köln zu halten ist kein Problem, wenn man mit ihnen täglich Fahrrad fährt, auch im Winter, wenn es knackig kalt ist. Im Sommer hingegen sollte das in den frühen Morgenstunden passieren, da Huskies sonst bei hohen Temperaturen leiden. Wer diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann, sollte sich einen solchen Hund hingegen nicht anschaffen.

Wo sollte der Kauf eines Hundes am besten erfolgen?
Egal, ob es eine Familie ist oder eine alleinstehende Person: Ich rate immer dazu, zunächst ins Tierheim zu gehen und nicht direkt zum Züchter. Denn es passieren zwei Dinge: Man sieht, wie viel Leid es dort gibt und wie vollgestopft sie sind. Gleichzeitig werden sich zahlreiche Menschen wundern, wie viele unheimlich nette Hunde es in Tierheimen gibt. Gerade nach der Pandemie wimmelt es dort nur so von Tieren, die auch in neuen Familien schnell anpassungsfähig sind.

Welches sind die schönsten Plätze in Köln, um mit seinem Hund unterwegs zu sein?
Generell gibt es in Köln eine unheimlich wohlwollende Stimmung, weshalb ich hier auch nicht mehr weg möchte. Jeder ist stolz auf seine Stadt und sein Veedel. Wenn man im Stadion steht und die Hymne kommt, dann ist das Gänsehaut, weil die Leute die Stadt lieben. Das Ganze spiegelt sich wiederum in einem sehr toleranten Menschenbild wider, was sich auch beim Gassigehen mit dem Hund zeigt. Wenn ich am Decksteiner oder am Adenauer Weiher spazieren gehe, pöbelt nicht jede zwei Sekunden jemand oder schreit: „Nimm den Köter an die Leine!“ Neben den gerade genannten Stellen finde ich es auch im Grüngürtel, an den Poller Wiesen oder im Königsforst schön für Hunde.

Die Stadt Köln plant im Jahr 2023 mit Einnahmen von rund 5,65 Millionen Euro an Hundesteuer. Muss davon aus deiner Sicht auch etwas dafür ausgegeben werden, um die Infrastruktur für Hunde zu verbessern?

Nein. Die Infrastruktur für Hunde ist super. Was mich diesbezüglich ärgert, ist die platte Kategorisierung nach Rassen. Wenn man sich in Köln einen Golden Retriever anschafft, zahlt man Summe X und bei einem Pitbull Summe Y. Aber warum sollte ein sogenannter Kampfhund bei der Steuer teurer sein? Wollen die damit sagen, dass nur reiche Leute dazu in der Lage sind, einen Pitbull zu erziehen? Das ist doch völliger Blödsinn. Logisch wäre es für mich, wenn man für einen kleinen Hund weniger und für einen großen entsprechend mehr Steuern zahlen würde.

Rütter ist mit seinem Hund gerne am Decksteiner Weiher unterwegs. | Foto: Ralf Jürgens/RTL+

Und wie läuft es tatsächlich?
Es wurden sogenannte Rasselisten aufgestellt. Dabei wurde festgelegt, welcher Hund als gefährlich gilt und welcher nicht. Das ist damals noch unter Bärbel Höhn entstanden. Doch die Leute, die diese Listen aufgestellt haben, kommen nicht aus der Hundewelt. Das sind Tierärzte, die Staub auf dem Kopf haben oder Politiker. Diese Leute wissen aber eben nicht, welche Hunderasse besonders gefährlich ist und welche nicht. Denn teilweise sind sogar Hunde auf den Listen gelandet, die ausgestorben sind. Außerdem hat man sich bei der Erstellung dieser Listen nicht an Beißstatistiken orientiert. Die Bordeauxdogge sieht für den Laien vielleicht sehr bedrohlich aus, sie gehört aber zu den harmloseren Rassen, die es gibt. Der Deutsche Schäferhund und seine Mischlinge liegen hingegen in allen Beißstatistiken weit vorn, stehen aber eben auf keiner Liste. Und das hat einfach damit zu tun, dass die Leute, die diese Listen machen, 0,0 Kompetenz besitzen. Dabei müsste in dieses System dringend eine Logik. Es gibt jedenfalls kein Argument, warum ein Pitbull in Köln mehr Hundesteuer kostet als ein Dackel. Die Einnahmen an sich sollte man aber vor allem in einen Bereich investieren.

In welchen?

Wir brauchen Tierschutz und dürfen unsere Tierheime nicht kaputtgehen lassen. Doch wir stehen kurz vor einem Kollaps, deutschlandweit. Wenn das passiert, bekommt unsere Gesellschaft ein großes Problem. Denn was soll denn mit den vielen Tieren passieren, wenn die Heime dichtmachen. Sollen wir die alle einschläfern oder im Wald aussetzen? Auch um das zu vermeiden, wäre es sinnvoll, das Geld aller Tiersteuern in die Tierschutzvereine zu pumpen. Somit wäre die Hundesteuer sogar zweckgebunden – eine optimale Lösung.

Der kölsche Hundeprofi Martin Rütter (53) im Interview mit Express - Die Woche. | Foto: Klaus Grittner
Rütter ist mit seinem Hund gerne am Decksteiner Weiher unterwegs. | Foto: Ralf Jürgens/RTL+
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EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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