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Heißes Konzert in der Erlöserkirche Rodenkirchen
Tango de Cologne - argentinisch und rheinisch

Voll besetzter Großer Saal des Ernst-Moritz-Arndt-Hauses der evangelischen Erlöserkirche: Tango de Cologne.  | Foto: Anita Brandtstäter
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Köln-Rodenkirchen. Tango de Cologne gastierte wieder einmal im Gemeindesaal der evangelischen Erlöserkirche Rodenkirchen. Kantorin Barbara Mulack freute sich, eines der gefragtesten deutschen Tango-Ensembles begrüßen zu können. Der Zuspruch war groß - es wurde noch Stühle dazugestellt, die linke Seite des Saals blieb aber frei, um Tangotänzern eine Tanzfläche zu bieten, was auch eifrig genutzt wurde - trotz der Hitze, die im Saal stand.

Der Komponist Henrik Albrecht spielte Bandoneon und moderierte. Aufenthalte in Argentinien vertieften sein Verständnis für diese besondere Musik. 1905 kam der Tango nach Europa, wurde wegen seiner "Obszönität" verboten. Papst und Kaiser wetterten gegen den neuen Tanz; er erschien nicht gesellschaftsfähig. Die Aufnahme in die Tanzordnung des Balles der Stadt Wien wurde ihm noch 1913 verwehrt. Die Zeiten haben sich aber geändert. Albrecht zitierte aus einem letzten Wort von Papst Franziskus - kurz vor seinem Tod am 21. April 2025: 

"In meiner Heimat Argentinien gibt es einen Tanz, den ich sehr liebe und den ich in meiner Jugend oft getanzt habe: den Tango. Tango ist ein wundervolles, freies Spiel zwischen Mann und Frau, voll erotischer Ausstrahlung und Anziehungskraft. Tänzerin und Tänzer umwerben einander, erleben Nähe und Distanz, Sinnlichkeit, Achtsamkeit, Disziplin und Würde. Sie freuen sich an der Liebe und ahnen, was es heißen könnte, sich hinzugeben. Vielleicht habe ich in ferner Erinnerung an diesen Tanz mein großes Lehrschreiben über die Ehe „Amoris Laetitia“ genannt: Freude der Liebe."

Henrik Albrecht erfand 1990 im Hafenviertel von Köln den rheinischen Tango. Die Themen der kölschen Karnevalslieder und des argentinischen Tangos sind doch sehr ähnlich. Und so gab es nicht nur in höchster Brillianz klassische Tangos, Tangowalzer sowie schnelle und langsame Milongas aus der goldenen Ära der Tangokultur der 30er- und 40er-Jahre zu hören - allesamt gut tanzbar -,, sondern auch "Dejamos la Catedral - Mer losse d'r Dom in Kölle" - mit einer Assoziation an den Einsturz des Historischen Archivs in der Severinstraße 2009. Bei "Ich bin ene kölsche Jung" agierte Henrik Albrecht sogar als Sänger - hat er doch an gleicher Stelle im Kinderchor der Kantorei eine gute Gesangsausbildung genossen. Und das kam bestens an. Als zweite Zugabe gab es dann ein typisches kölsches Abschlusslied „En nuestro Barrio - In unserem Veedel“ - im Tangostil. 

Bei einem der populärsten Tangos, geschrieben von einem Dänen, "Jalousie" von Jacob Gade, brillierte besonders mit der Violine Wolfgang Richter. Beim originalgetreuen Arrangement spielte er frei und ging in den Saal, so dass auch die Gäste in der letzten Reihe ihn ganz von nah erleben konnten. Im Gürzenichorchester spielte er die erste Geige, bei Tango de Cologne glänzte er mit zarten Klängen aber auch mit Feuer und Leidenschaft. Sogar perkussive Klänge können der Geige entlockt werden - das Ensemble braucht dafür kein Schlagzeug. 

Stefan Thomas am Flügel ist nicht nur in klassischer Musik zu Hause, sondern als arrivierter Avantgarde-Komponist auch in Neuer Musik. Seine Arrangements sind deshalb immer etwas Besonderes. Henrik Albrecht bat ihn dann schon mal ans Mikro, damit er die Hintergründe erläuterte, so z.B. bei dem wohl meist gespielten und gesungenen Lied "La Paloma", einer Habanera von 1863. Nach dem Abschlussstück, seinem neuen Arrangement von "El Choclo" von Ángel Gregorio Villoldo, durfte er auch die erste Zugabe schmunzelnd ansagen "Für et Lisbeth", der "älteste Tango", gefunden in den Bonner Archiven, von Ludwig van Beethoven. 

Der vielseitige Markus Gantenberg am Kontrabass bildete das solide Fundament des Ensembles. Neben Musical, Sinfonieorchester und Jazz ist der Tango für ihn mit seinen besonderen Spieltechniken reizvoll. So auch bei den Kompositionen des Tango nuevo von Astor Piazzolla. Da können sie in dieser Besetzung die Original-Arrangements des Piazzolla-Quintetts spielen - das Fehlen der E-Gitarre ist zu verschmerzen. Beeindruckend vor der Pause sein "Invierno Porteño", der "Winter", der ja zur Zeit in Argentinien herrscht, aus "Las Cuatro Estaciones Porteñas". Dieses konzertante Werk war einigen Tangopaaren aber wohl bekannt, und obwohl es eigentlich keine Tanzmusik ist, wurde es mit voller Agogik interpretiert. 

Insgesamt ein wunderschöner, zweistündiger Konzertabend - mit abwechslungsreichem Programm, großartigen Musikern, engagierten Tanzpaaren und mit viel "Witz", sowohl in der Moderation als auch in den Arrangements.