Die Rolle der evangelischen Kirche in der Corona-Krise
„Anwalt der Versehrten"

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger fragte nach der Rolle der evangelischen Kirche in der Corona-Krise. | Foto: Mielke
  • Stadtsuperintendent Bernhard Seiger fragte nach der Rolle der evangelischen Kirche in der Corona-Krise.
  • Foto: Mielke
  • hochgeladen von RAG - Redaktion

Köln - „Wo wart ihr in der Krise?“ - eine Frage, die den beiden
großen Kirchen während der Corona-Pandemie immer wieder gestellt
wurde. Das „Sommergespräch“ mit Stadtsuperintendent Bernhard
Seiger rückte daher bewusst die Beratungsangebote in den Fokus und
stand unter dem Thema „Begleiten, Aushalten, Trösten –
Evangelische Beiträge in der Krise“.

Superintendent Seiger betonte zunächst, dass die Corona-Krise alle
Lebensbereiche betroffen habe. Nicht immer hätten die
Verantwortlichen die Folgen der Maßnahmen für die Psyche ausreichend
im Blick gehabt. Für die Kirche ergaben sich aus den
Corona-Schutzmaßnahmen zunächst ganz praktische Fragen: Wie und
unter welchen Bedingungen können Gottesdienste gefeiert oder
Amtshandlungen vollzogen werden? Was wird aus Konfirmanden- und
Jugendarbeit? Werden Freizeiten möglich sein? Seiger beschrieb das
Agieren der evangelischen Kirche in der Krise als ein „eher stilles
Tun“, das vor allem darauf ausgerichtet gewesen sei, Trost zu
spenden und Halt zu geben.

Besonders gefragt waren die 72 Mitarbeiter*innen der Evangelischen
Telefonseelsorge, die auch während der Lockdowns 365 Tage rund um die
Uhr unter Telefon 0800/ 1110111 oder per E-Mail erreichbar waren.
Pfarrerin Dr. Dorit Felsch, Leiterin der Evangelischen
Telefonseelsorge, gab einen Einblick in die Thematiken, die bei den
Kontakten angesprochen wurden: Besonders häufig waren Einsamkeit und
eine depressive Stimmung der Grund, sich an die Telefonseelsorge zu
wenden. Hinzu kamen familiäre Konflikte. Der Bereich Partnerschaft
wurde in 13 Prozent der Gespräche thematisiert, in 20 Prozent der
Anrufe ging es um Konflikte im familiären Kontext. Während 2019 in
2,4 Prozent das Thema „Suizidalität“ eine Rolle spielte, waren es
2020 12,5 Prozent. „Wir sind ein zentraler Pfeiler der
Suizidprävention!“, resümierte Felsch.

Weniger bekannt ist die Arbeit der Evangelischen Beratungsstelle
(Tunisstraße 3), die ebenfalls allen Ratsuchenden offen steht und
neben Erziehungs- und Familienberatung auch Paar- und Lebensberatung
sowie Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung anbietet.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen,
wobei Leiter Marcel Thelen vor allem das Wegbrechen stützender
Strukturen sowie fehlende soziale Kontakte einerseits und „toxische
Nähe“ innerhalb der Familie andererseits als Konfliktursachen
nannte. Insgesamt wurden im Jahr 2020 3.706 Personen in 2.189
„Fällen“ beraten, 26 Prozent der Ratsuchenden waren Jugendliche
und junge Erwachsene.
Trotz aller kirchlichen Angebote sei dennoch viel unausgesprochen
geblieben, sagte Superintendent Bernhard Seiger. Er mahnte, nach der
Krise „nicht zu schnell weiterzugehen“, sondern sich zum „Anwalt
der Versehrten“ zu machen.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

29 folgen diesem Profil