Bomben, Austern, Ofenkacheln
Ausgrabungen auf dem Klostergelände Kartäuserwall

Gregor Wagner (r.) und Grabungsleiter Ulrich Karas (2. v. r.) präsentierten stolz die Bombe aus napoleonischer Zeit.  | Foto: Hermans
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von Hans-Willi Hermans

Südstadt. Der Kampfmittelräumdienst musste zwischendurch auch anrücken und gab rasch Entwarnung: Bei der 71 Kilogramm schweren Metallkugel handele es sich zwar tatsächlich um eine Bombe, aber die stamme aus napoleonischer Zeit und stelle keine Gefahr mehr dar. „Bomben transportiert der Räumdienst normalerweise umgehend ab, aber die hier dürfen wir behalten“, berichtete Gregor Wagner. Der Leiter der Archäologischen Bodendenkmalpflege beim Römisch-Germanischen Museum (RGM) zeigte stolz auf die Granate, die einst dazu bestimmt war, ein Loch in die Kölner Stadtmauer zu reißen und nun friedlich in einer Schubkarre liegt.
Wagner und seine zehn Mitarbeiter sind seit knapp zwei Monaten auf dem Gelände der Melanchthon-Akademie und der Familienbildungsstätte (FBS) am Kartäuserwall aktiv. Dort zieht die Evangelische Kirche Köln und Region demnächst ihr 65-Millionen-Euro-Großprojekt „Campus Kartause“ hoch, mit einem „Haus der Bildung“, in dem unter anderem Akademie, FBS und Schulreferat untergebracht werden. Außerdem sollen hier rund 30 Wohnungen für Studenten entstehen. „Bevor die Arbeiten losgehen, wollten wir nachsehen, was im Boden zu finden ist“, erklärte Professor Marcus Trier, Direktor des RGM.
Dass da einiges zutage gefördert werden könnte, war allen Beteiligten klar. Das heutige Zentrum des Kölner Protestantismus hatte 1334 als Kartäuserkloster St. Barbara begonnen, das bis zur Zwangsräumung durch die Franzosen im Zuge der Napoleonischen Kriege bestand. Dass die aufgefundene Bombe heil blieb, hängt auch mit der Vorsicht der Stadtväter zusammen, die noch vor dem ersten Schuss die Stadtschlüssel an die französischen Truppen übergeben hatten.
Die nutzten die Klosteranlage als Lazarett und hinterließen dabei ihre Spuren im Erdboden, ebenso wie ihre Nachfolger, die preußischen Besatzer. Letztere trieben es besonders toll und rissen den Kreuzgang ab, um den sich einst die Häuschen der Mönche mit ihren Gärten gruppiert hatten, um stattdessen langgestreckte Gebäude als Artilleriedepots zu errichten. Überreste der Mauern sind auf dem rund 300 Quadratmeter großen Grabungsgelände zu finden, dazu ein rund 80 Meter langer Teil der Klostermauer, der bereits unter Denkmalschutz steht sowie mittelalterliche Latrinen und Brunnen.
Tonkrüge zur Aufbewahrung von mineralhaltigem Wasser, das aus der Eifel herbeigeschafft wurde, wurden ebenfalls ausgebuddelt und Krüge für den selbst angebauten Wein. Der trug den Spitznamen „Nasser Hund“ wohl zu Recht, wie Marcus Trier erzählte: „Luther hat den mal probiert und berichtet, dass noch ein Jahr später bei der Erinnerung daran seine Finger gezuckt hatten.“ Freigelegte Essensreste wie Austernschalen und Schneckenhäuser deuten auf ein durchaus üppiges Leben hin. Ofenkacheln und Metallplatten von gusseisernen Öfen lassen darauf schließen, dass die unter dem Schweigegebot lebenden Mönche nicht frieren mussten.
Doch das Motto „ora et labora“ – arbeite und bete – wurde beachtet, so brannten die Mönche etwa die Kacheln selbst vor Ort. Ein gewisser Peter Kachelbecker, den die Ausgräber vom RGM schon aus alten Dokumenten kannten, tat sich dabei unrühmlich hervor, als er beim Ofenaufstellen im Hause feiner Leute Zinngeschirr mitgehen ließ. Außerdem hatte er Predigten gehalten, ohne dass ihm je die Priesterweihe verliehen worden wäre. Alles zusammen brachte ihm um 1580 eine viermonatige Haft im Frankenturm ein und danach die Verbannung aus Köln.
Bei der evangelischen Kirche verfolgt man die Grabungsarbeiten, deren Notwendigkeit schon beim Start des „Campus Kartause“-Projekts bekannt war, mit großem Interesse. „Die Tradition der spirituellen Einkehr soll hier nach dem Abschluss der Bauarbeiten fortgesetzt werden, da sehen wir uns in einem großen Zusammenhang“, sagte Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger bei einem Besuch auf der Baustelle. „Bisher wurde ja auch der zeitliche Rahmen eingehalten.“ Die Grabungsarbeiten werden dokumentiert und die Fundstücke später einmal auf dem „Campus Kartause“ ausgestellt. Der soll Anfang 2027 bezugsfertig sein.

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EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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