Vereinbarung blieb unter Verschluss
Wurde Tagebau nicht in Frage gestellt?

Die entweihte Pfarrkirche St. Albanus- und Leonhardus in Manheim-alt ist zum Symbol des fast vollständig geräumten Dorfs geworden. Der Ort soll noch zur Abraumgewinnung abgebaggert werden. | Foto: Zingsheim
  • Die entweihte Pfarrkirche St. Albanus- und Leonhardus in Manheim-alt ist zum Symbol des fast vollständig geräumten Dorfs geworden. Der Ort soll noch zur Abraumgewinnung abgebaggert werden.
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Hat die Stadt Kerpen hinter verschlossenen Türen mit RWE gemauschelt? Dieser Vorwurf steht seit einem Medienbericht im Raum. Die CDU und Bürgermeister Dieter Spürck weisen den Vorwurf zurück.

Von Georg Zingsheim

Kerpen. Ein WDR-Bericht hat in Kerpen für Aufregung gesorgt. Wie der Kölner Sender als erster berichtet hat, gibt es eine bisher unbekannte „Rahmenvereinbarung“ zwischen dem Konzern RWE Power und der Stadt Kerpen aus dem Jahr 2017 über die künftige Zusammenarbeit, denn Kerpen gehört zu den Kommunen, die erheblich vom Tagebau Hambach betroffen sind. In der Vorbemerkung der vier Seiten langen Vereinbarung heißt es, „dass die Weiterentwicklung des Tagebaus von der Stadt Kerpen nicht in Frage gestellt wird“. Es folgt eine lange Auflistung möglicher Punkte, bei denen der Energiekonzern der Stadt behilflich sein kann. „Zur Förderung der betrieblichen Akzeptanz ist RWE Power bereit, die Stadt Kerpen im Zuge der Nachbarschaftshilfe zu unterstützen.“

Unterschrieben wurde das Papier vom Leiter der Entwicklung Braunkohle bei RWE Power, Michael Eyll-Vetter, und von Bürgermeister Dieter Spürck (CDU). Zuvor hatte sich Spürck die Vereinbarung nicht-öffentlich vom Stadtrat absegnen lassen. Da Mitglieder des Stadtrates über nicht-öffentliche Angelegenheiten nicht sprechen dürfen, blieb die gesamte Vereinbarung bisher unter Verschluss. Es hatte seit 2017 heftige Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst und um den Erhalt von Manheim-alt gegeben.

Heftige Kritik von Verbänden an Stadt Kerpen

Von einer „unheiligen Allianz zwischen Braunkohle und Kerpen“ spricht der Umweltverband BUND. „Der Deal zwischen der Stadt Kerpen und RWE ist ein Skandal und wirft ernsthafte Fragen auf: Hat die Stadt die Interessen ihrer BürgerInnen und der Umwelt hinter den Kulissen an RWE verkauft?“ - Auch die Organisation „Lobbycontrol“ sieht die Sache kritisch: „Die Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, dass Entscheidungen zugunsten von RWE getroffen werden, weil die Stadt dafür im Gegenzug ‚Hilfestellungen‘ erhält.“ RWE-Sprecher Guido Steffen gibt sich weniger aufgeregt. „Ähnliche Vereinbarungen haben wir auch mit anderen Tagebau-Anrainern geschlossen. Kerpen soll auch mit dem 2029 zu Ende gehenden Tagebau Hambach ein Ort bleiben, an dem es sich gut leben und arbeiten lässt.“ Über Geld oder Zahlungen, noch dazu an bestimmte Personen, stehe in der Vereinbarung nichts drin, so der RWE-Sprecher.

Konkret erwähnt werden dagegen zum Beispiel die Entwicklung des Industriegebiets Türnich IV, Baulandentwicklung in Buir und Horrem, Unterstützung der Stadt Kerpen bei der Vermarktung vorhandener Gewerbe- und Wohnbaugebiete, Energieprojekte und einiges mehr. Auch Vereinsförderung, Schulkooperationen und die Berücksichtigung von Kerpener Schülern bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen finden Erwähnung.

Hat die Stadt Kerpen die Heimat verkauft?

Annika Effertz, die Vorsitzende der Kerpener Grünen, hatte im WDR-Bericht gesagt, die Stadt Kerpen habe „unsere Heimat verkauft“. In einer schriftlichen Pressemitteilung der Kerpener Grünen wurde der Vorwurf nicht mehr wiederholt, sorgte aber bei Bürgermeister Dieter Spürck und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Ripp für Empörung. „Diese Vereinbarung wurde im Zusammenhang mit der Gründung der Stadtwerke Kerpen gemeinsam mit der RWE-Tochter Innogy geschlossen. Die Vereinbarung war eine von 40 Anlagen der Gründungsunterlagen und wurde daher zu Recht im nicht-öffentlichen Teil der Ratssitzung behandelt“, erklärt Ripp. Die vereinbarte Zusammenarbeit mit RWE sei „nie und nimmer ein Verkauf der Heimat“ gewesen, sondern Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zugunsten der Kolpingstadt, so Ripp. Das Gewerbegebiet Türnich sei gemeinsam mit RWE entwickelt worden, tausende von Arbeitsplätzen seien entstanden und „Millionen von Gewerbesteuern“ seien in die Stadtkasse geflossen.

Spürck weist darauf hin, dass die Rahmenvereinbarung zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, als noch die Leitentscheidung der rot-grünen Landesregierung aus dem Jahr 2016 galt, die die vollständige Inanspruchnahme von Manheim-alt umfasste. Dass Teile von Manheim-alt erhalten werden können, sei zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rahmenvereinbarung überhaupt noch nicht erkennbar gewesen. Spürck: „Leider ist es offenbar der Markenkern der Parteivorsitzenden Annika Effertz, politisch deutliche Mehrheiten nicht zu akzeptieren und durch unsachliche Kritik wiederholt nachzutreten.“ Die Grünen werfen Spürck eine „sehr dünnhäutige Reaktion“ vor und glauben, dass sie „die richtigen Fragen gestellt haben“.

Die 2017 geschlossene Vereinbarung zwischen Stadt und RWE kann auf der Website des WDR heruntergeladen werden.

Redakteur/in:

Georg Zingsheim aus Kerpen

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