250 Jahre evangelische Kirche
Von Eck-, Stolper- und Meilensteinen

Die Gnadenkirche mit Gemüsegarten. Foto: Stadtarchiv Berg. Gladbach
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Bergisch Gladbach (pm). Mit der Papierherstellung kam auch der evangelische Glaube nach Bergisch Gladbach. Die ortsansässigen Papiermühlenbesitzer hatten lange dafür gekämpft, für 26 Familien eine evangelische Gemeinde an der Strunde gründen zu dürfen.
Dann kam den Protestanten bei ihrem Ansinnen der Gerechtigkeitssinn des „Alten Fritz“, des preußischen Königs Friedrich II., zugute. Als eine kleine Gruppe Katholiken aus dem Herzogtum Kleve um die Erlaubnis bat, dort eine Gemeinde gründen zu dürfen, willigte der in Religionsdingen aufklärerisch-moderat eingestellte Monarch ein – unter der Bedingung, dass es dann auch eine evangelische Gemeinde im Herzogtum Berg geben müsse. Ende August 1775 erfolgte die Genehmigung und sofort schritten die Papiermühlenbesitzer Heinrich Schnabel (1706 – 1796), Gerhard Martin Fues, Abraham Fues, Peter Käsmann, Franz Heinrich Fauth und Gerhard Jakob Fues (in offiziellen Urkunden als „Schnabel, Fues und Consorten“ bezeichnet) zur Tat.
Zunächst entstand eine Schule, die bereits 1776 den Unterrichtsbetrieb aufnahm, dann wurde der Kirchenbau am Fuße des Quirlsbergs in Angriff genommen. Spenden aus dem protestantischen Ausland (Schweiz, Dänemark, Niederlande), aber auch aus befreundeten Gemeinden im Umland machten es möglich, den namhaften Architekten Johann Georg Leydel mit der Planung zu beauftragen. Man hatte es durchaus eilig – und so wurde die Gnadenkirche bereits am 12. Oktober 1777 eingeweiht, sobald der Innenraum fertiggestellt war. Erst nach insgesamt elf Jahren Bauzeit war das Gotteshaus dann „komplett“, mit Turm und Geläut. Leydel wählte für das Gotteshaus (wie für einige andere seiner Entwürfe) die Form des Oktogons. Die Zahl Acht steht in der christlichen Symbolik für Aufbruch und Neubeginn, während die vier Symmetrieachsen des Gebäudes auf Vollendung und Vollkommenheit hindeuten.
Im geschichtsträchtigen Jahr 1789 wurde in der Gnadenkirche erstmals ein Pfarrer ordiniert: Mauritz Beckhaus als Nachfolger von Johann Peter Bornemann, der einen Ruf nach Wesel annahm. Das Pfarrpersonal wechselte dann jedoch sehr häufig. Bis Georg Dorrien 1865 seinen Dienst antrat, hatte die Gemeinde in 88 Jahren 12 Pfarrer kommen und gehen sehen.
Wie ein drohendes Gewitter kündigten sich am Horizont bereits die napoleonischen Truppen an, die am 5. Oktober 1784 den Rhein erreichten. 1806 wurde das Bergische Land gemeinsam mit dem Ostteil des Herzogtums Kleve zum Großherzogtum Berg und dieses geriet in Besitz der Familie Napoléons. Somit galt der Code Napoléon, der einerseits mit der Trennung von Kirche und Staat die Religionsfreiheit garantierte, andererseits auch die Wehrpflicht vorsah.
Am 12. Oktober 1877 konnte das 100-jährige Bestehen als „gesellschaftliches Großereignis“ gefeiert werden. In Zeiten von Mitgliederschwund und Gemeindefusionen ist es nur schwer vorstellbar, aber die Gnadenkirche war Anfang der 1890er Jahre wirklich zu klein für die zahlreichen Gottesdienstbesuchenden. Ein Anbau musste her, dessen Grundstein am 13. Mai 1899 gelegt wurde. Zwischen 1900 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 erlebte die Gemeinde eine kurze Zeit der Ruhe und des Wohlstands.
Als dann der Krieg über Deutschland hereinbrach, musste auch die Gemeinde an der Strunde Opfer bringen. 1917 wurden die beiden größeren Glocken der Gnadenkirche zur Waffenproduktion eingeschmolzen. Waren 1914 noch überall Aufbruchsstimmung und Kriegsbegeisterung spürbar gewesen, änderte sich das rasch. Das Leid, der Mangel und der allgegenwärtige Tod führten bei vielen Menschen auch zu einer existenziellen Glaubenskrise.
Am 7. November 1922 starb Pfarrer Ludwig Rehse, der an der Gnadenkirche 25 Jahre lang treu seinen Dienst versehen hatte. Sein Nachfolger Gottfried Röttgen wandte sich schnell den Nationalsozialisten und den „Deutschen Christen“ zu und war in seiner Gemeinde nur selten anzutreffen. Zudem bediente er sich hemmungslos aus der Gemeindekasse sowie aus der Baukasse des Wohlfahrtshauses.
Die 150-Jahrfeier der Gemeinde im Jahr 1925 war – gelinde ausgedrückt – konfliktträchtig. Die Aufführung eines tendenziösen Theaterstücks sowie ein Presseartikel, in dem gegen das katholische „Gestrüpp“ gewettert wurde, trugen nicht gerade zu einem friedlichen Nebeneinander der Konfessionen bei. Leider brauchte es so einen schrecklichen Anlass wie die Beisetzung der Opfer eines Bombenangriffs, bis in Bergisch Gladbach im Frühjahr 1945 der erste ökumenische Gottesdienst gefeiert wurde.
Doch zunächst führte die „Gleichschaltung“ unter den Nationalsozialisten ab 1933 zu einer Spaltung der Gemeinde. Die Bensberger Presbyteriumsmitglieder sowie Christian Otto aus Bensberg schlossen sich der Barmer Synode von 1934 an. Die Bensberger strebten eine eigene Kirche und Gemeinde an. Im Juli 1936 wurde das gewählte Presbyterium aufgelöst und durch einen Gemeindekirchenausschuss ersetzt. Im selben Jahr wurde auch Helmut Gerlich in sein Amt eingeführt. Der gebürtige Kieler versuchte, einen strikt neutralen Kurs zu halten, bis er 1942 eingezogen wurde und dann in Kriegsgefangenschaft geriet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand die größte Herausforderung für die Gemeinde darin, allen evangelischen Geflüchteten und Vertriebenen eine neue geistliche Heimat zu bieten. Allerdings stand die Gemeinde in der „Stunde Null“ erst einmal ganz ohne Geistlichen da, denn Pfarrer Dr. Erich Bröking, der aus Elberfeld an die Strunde gekommen war, steckte nach einem Familienbesuch zwischen den Fronten fest und konnte zunächst nicht nach Bergisch Gladbach zurückkehren – und als beide schließlich wieder da waren, gab es plötzlich einen Pfarrer zu viel. Die Gemeinde entschied sich gegen Pfarrer Gerlich und für Dr. Bröking. Dr. Dr. Helmut Hochstetter, gebürtiger Österreicher, der als junger Militärpfarrer viel mehr als nur ein „Notbehelf“ gewesen war, erhielt ab. 1. September eine Festanstellung in Bergisch Gladbach.
Die wachsende Gemeinde machte auch eine Neustrukturierung notwendig. Am 16. November wurde der aus Schlesien stammende Werner Huch als Pfarrer des zweiten Pfarrbezirks ordiniert. Dieser wurde jedoch so groß, dass er 1972 geteilt werden musste in Paffrath/ Hand Nord und Gronau/ Hand Süd. Schließlich kam ein eigener Bereich für die Krankenhausseelsorge dazu und Ende der 80er Jahre gab es eine siebte Pfarrstelle für Gronau. Auch entstanden in den 60er Jahren gleich mehrere neue Kirchengebäude. Am 13. Dezember 1959 wurde mit dem Bau der Heilig-Geist-Kirche in Hand begonnen, die am 25. Juni 1961 eingeweiht werden konnte. Nachdem am 1. Oktober 1960 der neue Pfarrbezirk Heidkamp genehmigt worden war, konnte bereits Ende 1961 der Auftrag zum Bau der Kirche „Zum Frieden Gottes“ erteilt werden. Am 19. Januar 1964 wurde ihre Einweihung gefeiert. Wie gut, dass das Zweite Vatikanische Konzil das Verhältnis der Konfessionen merklich entspannte! Dank der Gastfreundschaft der katholischen Nachbargemeinden konnten auch während der regen Bautätigkeit regelmäßige Sonntagsgottesdienste stattfinden. Hinzu kamen der Kindergarten auf dem Quirlsberg (Einweihung im September 1956), die Evangelische Volksschule am Broich (1952), das Krankenhaus (ab 1957) sowie der zweite Kindergarten-Neubau (1955/56).
Als Pfarrer Hochstetter 1978 in den Ruhestand verabschiedet wurde, hinterließ er nicht nur eine selbstbewusste Gemeinde, sondern auch eine alle Altersstufen umfassende Gemeindediakonie auf dem Quirlsberg. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger gestaltete sich allerdings ungewöhnlich schwierig und sollte 14 Jahre dauern.
1992 begann dann in Bergisch Gladbach die „Ära Werner“. Pfarrer Thomas Werner wurde am 9. Februar 1992 in sein Amt eingeführt. Mit dem neuen Seelsorger machte sich eine Aufbruchsstimmung breit, die in die Stadt hineinwirkte.
Auch die Ökumene wurde mehr und mehr zur gelebten Selbstverständlichkeit. Am besten geht das beim gemeinsamen Feiern: Nach der gelungenen Premiere eines Gemeindefestes mit Flohmarkt im Sommer 1992 wurde ab dem Folgejahr viele Jahre lang abwechselnd „Rund um die Gnadenkirche“ oder „Rund um Laurentius“ gefeiert. Apropos feiern: Seit 1998 hat Bergisch Gladbach einen ganz besonderen Ort der Seelsorge – das „Quirl´s“. Das Szenelokal ist nicht nur ein beliebter Treffpunkt der Jugend, sondern auch ein Raum der Begegnung, der Gastfreundschaft und des Dialogs.
Als Anfang 2020 die Corona-Pandemie die Welt in Atem hielt, veränderte sich auch an der Gnadenkirche das Gemeindeleben. Der Kirchgarten erwies sich als „Retter in der Not“, denn vieles, was in der Kirche unmöglich gewesen wäre, wurde im Freien möglich gemacht, von Gottesdiensten über Konzerte bis hin zu Trauungen im eigens errichteten Hochzeitspavillon.
Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende! So lange es in Bergisch Gladbach Menschen gibt, die an den Grenzen ihres Lebens Segen, Trost und Beistand brauchen, die Gemeinschaft im Glauben oder auch einmal Stille suchen, die die Freude am gemeinsamen Essen oder an der Musik teilen möchten, wird die Gnadenkirche mit ihren „Schwesternkirchen“ für sie da sein, mit allen haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden, ohne die ein so lebendiges Gemeindeleben nicht möglich wäre.
Zu einer Buchvorstellung am Samstag, 17. Mai, um 16 Uhr, lädt die Evangelische Kirchengemeinde Bergisch Gladbach in die Gnadenkirche, Hauptstraße 256, ein. Das Autorenteam P. Lückerath, I, Schumacher, M. Werling und J. Wittwer hat im Buch „250 Jahre Gnadenkirche“ anschaulich und kurzweilig die Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach beschrieben. Der Eintritt ist frei.
Quelle: Peter Lückerath, Irmtraud Schumacher, Michael Werling, Jo Wittwer; „250 Jahre Gnadenkirche. Die Geschichte der Evangelischen Kirche und ihrer Gemeinde in Bergisch Gladbach“, Evangelische Kirchengemeinde Bergisch Gladbach (Hg.), Heider Verlag, Bergisch Gladbach 2025.

Die Gnadenkirche mit Gemüsegarten. Foto: Stadtarchiv Berg. Gladbach
Das Kirchensiegel. Foto: Jo Wittwer
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