Wolfgang Müller, Eisenbahner, Karateka,
Die Karateabteilung des TVE Bad Münstereifel verabschiedet sich von einem großartigen Menschen.

- hochgeladen von Reinhard Antkowiak
Vor 20 Jahren geschah es noch nicht oft, dass ein über 65jähriger Mensch, der noch nie in seinem Leben Vereinssport gemacht hatte, sich in einem Karateverein anmeldete.
Wolfgang Müller war so ein Mensch. Außerhalb der Norm, aber immer innerhalb der Normalität war es für ihn selbstverständlich, neue Dinge anzugehen und sich diese mit Leidenschaft und Akribie zu erarbeiten. Diese Eigenschaften allein wären einen Artikel über seine Freizeitgestaltung vielleicht nicht wert. Unbeeindruckt vom Spiegel der heutigen Zeit, des gesellschaftsfähigen Jammerns und Klagens über Mitmenschen, über Gesundheitsprobleme, über technische Infrastrukturen und vieles andere mehr, lebte Wolfgang Müller den Kindern und Jugendlichen, den Männern und Frauen unserer Karateabteilung vor, wie Lösungen gesucht und umgesetzt werden, statt Probleme aufzubauschen und weiter zu ventilieren.
Rasch brachte er sich in die Arbeit des erweiterten Vorstandes ein und sorgte selbst für eine professionelle Wiederbelebung der Vereinszeitung des TVE 1905 im Hochglanzformat. Er legte Synergien zu seinen anderen Freizeitaktivitäten frei, als er beispielsweise die Vereinswanderungen zur Besichtigung des Regierungsbunkers nach Urft organisierte. In diesem Regierungsbunker belebte Wolfgang Müller als ehemaliger Rundfunk-Techniker beim WDR die Tonbandgeräte für die Eifeler Radiotage. Auch Bahn-Ausflüge gehörten in das Repertoire seiner Vereinsaktivitäten mit der Karateabteilung. So setzte er sich als Ruheständler jahrelang im Arbeitskreis „Eifelbahnen“ für die Inbetriebnahme der Bördebahn ein.
Selbst wenn er fernab der Heimat in Urlaub war, besuchte er ortsansässige Karatevereine, um seine Techniken zu verbessern. Bei einem dieser Besuche erlitt er beim Gang aus der Dusche einen Oberschenkelhalsbruch. Dies hielt ihn jedoch nicht ab, ein Rekonvaleszenz Training zu beginnen und sein Ziel, Karate zu betreiben, wieder aufzunehmen.
Wolfgang Müller war schon über 80 Jahre alt, als sein Gleichgewichtssinn beeinträchtigt wurde. Er nahm sich dennoch vor, noch die Prüfung für den braunen Gurt im Shotokan-Karate abzulegen. Mit einem der DAN-Träger der Karateabteilung des TVE 1905 e.V. trainierte er über ein Jahr auf diese Prüfung hin. Die spektakuläre Prüfung legte er vor den Augen dreier hochgraduierter Prüferinnen und Prüfer ab, die zu einem Lehrgang und eigens auch zu dieser Prüfung aus Forchheim in Franken und aus Overath bei Köln anreisten. Wolfgang Müller hatte als Höhepunkt seiner Prüfung die KATA „Tekki Shodan“ die sogenannte „Eisenreiter-KATA“ vorbereitet. Diese symbolisiert einen festen Stand „wie aus Eisen“, aus dem heraus seitwärts, wie auf einem Pferd sitzend, gekämpft wird. Mit seinem Trainer Andreas Mahlberg setzte er diese anspruchsvolle KATA aufgrund seiner Gleichgewichtsstörungen auf einer Bank sitzend um. Fußstöße wurden mit einem gummibewehrten Gehstock ersetzt, alle Faust- und Ellenbogenstöße wurden beibehalten.
Aber auch das machte Wolfgang Müller nicht alleine aus. Seine Bereitschaft, zu jeder Zeit mit groß oder klein, alt oder jung, erfahren oder unerfahren zu trainieren und immer sein Bestes zu geben, zeichnete ihn aus. Er lebte förmlich den ersten Hauptsatz des Begründers des modernen Shotokan-Karate, Gichin Funakoshi (Japan *1868 †1957), „Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt“. Als er wegen weiterer körperlicher Beeinträchtigungen nicht mehr zum Training kommen konnte, nahm er dennoch weiterhin aktiv am Vereinsgeschehen teil. Die Karateabteilung des TVE 1905e.V denkt gerne an das Weihnachtsfest 2024 zurück. Gemeinsame Karaoke-Gesänge mit einer Pizza, die Wolfgang Müller in seiner Großzügigkeit spendierte. Laut Funakoshi geht es im Karate nicht um Sieg oder Niederlage als vielmehr um das Streben nach Perfektion. Wolfgang Müller gehört zu denen, die den letzten Kampf nicht verloren haben! Im Dojo der Karateabteilung des TVE 1905 e.V. lebt er weiter.
LeserReporter/in:Reinhard Antkowiak aus Bad Münstereifel |
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Webseite von Reinhard Antkowiak |
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