"Raum der Stille" mit Svens Namen
100 000 Euro aus dem Lufthansa Hilfsfonds

Sein Helm, sein Namensschild, zwei Schutzengel, das Foto und auf dem Bild nicht ganz sichbar die Feuerwehrkleidung sowie die schweren Stiefel: Auf der Wache am Kronenweg hat Sven Fischenich einen eigenen Gedenkschrank. | Foto: Montserrat Manke
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  • Sein Helm, sein Namensschild, zwei Schutzengel, das Foto und auf dem Bild nicht ganz sichbar die Feuerwehrkleidung sowie die schweren Stiefel: Auf der Wache am Kronenweg hat Sven Fischenich einen eigenen Gedenkschrank.
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Wesseling -  Am 24. März vor fünf Jahren schlug der Airbus 4U9525 um 10.41 Uhr
in einer Höhe von 1550 Metern im Bergmassiv Trois-Évêchés in den
Provenzalischen Alpen auf. Alle 150 Menschen, die an Bord waren, kamen
dabei ums Leben.

Wie sich später herausstellte, hatte der Co-Pilot die Maschine
absichtlich zum Absturz gebracht. Durch seinen Suizid riss er fünf
Besatzungsmitglieder und 144 Passagiere mit in den Tod. In der
Maschine befand sich auch Sven Fischenich.

Der damals 33-Jährige war auf dem Rückweg von Barcelona, wo der
Wesselinger beruflich zu tun hatte. Er war auf dem Weg zu seiner Frau
und der gerade erst geborenen Tochter Maja, er war auf dem Weg nach
Hause - nach Wesseling.

Die Kunde vom Tode Svens verbreitete sich damals wie ein Lauffeuer
durch Wesseling, denn der junge Familienvater war überaus beliebt und
ehrenamtlich engagiert. Seit seinem zehnten Lebensjahr war Sven der
freiwilligen Feuerwehr treu, versah seinen Dienst im Freiwilligen
Löschzug Wesseling. Darüber hinaus engagierte er sich im Vorstand
des Karnevalsvereins Kornblumenblau, organisierte als Literat die
Sitzungen.

Der Vorstand von Kornblumenblau schrieb damals in einem offiziellen
Statement: „Seit dem 24.03.2015 vermissen wir unseren Freund und
Vorstandskollegen Sven. Er war auf einem beruflichen bedingten
Rückflug von Barcelona nach Düsseldorf. Unsere Gedanken sind vor
allem bei seiner Familie, seiner Frau und der kleinen Maya. Die Welt
steht still in diesem Moment. Es ist unfassbar, tragisch und
traurig.“

Im sozialen Netzwerk Facebook hatten derweil zahlreiche Anwohner
Wesselings statt ihres Profilbildes einen Trauerflor mit der Kennung
„4U9525“ eingesetzt und bekundeten so ihre Trauer und ihr
Mitgefühl mit der Familie.

Auf der Wache am Kronenweg hatten die Kameraden ein Foto von Sven
aufgestellt, versehen mit einem Trauerflor, rechts davon eine
brennende Kerze. Sven habe im Rang eines Unterbrandmeisters mit hoher
sozialer Kompetenz engagiert gewirkt, unter anderem als Ausbilder der
Jugendfeuerwehr, sagten seine Kollegen über ihn.

Die Trauerfeier, mit der von Sven in St. Germanus Abschied genommen
wurde, zeigte erneut, wie beliebt Fischenich gewesen war: Viele
Vertreter der Wesselinger Karnevalsvereine marschierten mit Fahnen
auf, zahlreiche Feuerwehrmänner gaben ihm die letzte Ehre. Hunderte
Menschen - alle persönlich geladen - nahmen Abschied.

„Er war einer von uns. Er war Wesselinger, er war Feuerwehrmann, er
war Karnevalist“, sagte Bürgermeister Erwin Esser damals in seiner
Trauerrede.

Heute, fünf Jahre nach den Geschehnissen ist es für Svens Vater
Jürgen Fischenich immer noch schwer, über die Ereignisse von damals
zu reden. Doch mit gefasster Stimme steht er im „West Devon Saal“
des Wesselinger Rathauses und erklärt der anwesenden Presse, warum
sie heute hier sind. Unterstützt wird Jürgen Fischenich dabei von
seiner Frau und Svens Mutter, Brigitte Fischenich.

Es geht um ein Projektnovum in dieser Form in ganz Nordrhein
Westfalen: Mit der Hilfe von 100.000 Euro aus dem 4U9525-Hilfsfonds
der Lufthansa wird in einem transportablen Container ein „Raum der
Stille“ entstehen, der an bestimmten Einsatzorten Opfern,
Angehörigen aber auch den Einsatzkräften selber einen Rückzugssort
bieten wird.

Und das gilt nicht nur Einsätze auf hiesigem Boden, sondern für
solche im gesamten Umkreis, sagt der Chef der Wesselinger Feuerwehr
André Bach, der das Konzept für den Container erstellt hat.

Jürgen Fischenich selbst war es, der das Projekt erfolgreich an das
Kuratorium des Hilfsfonts herangetragen hatte. Mit der Auflage, eine
Steuerbefreiung zu bekommen, wurde das Geld zugesagt, was Jürgen
Fischenich schlussendlich nach einem langen Weg durch den
Finanzämterdschungel von Brühl, Köln und Fulda gelang.

Zurzeit ist die Wesselinger Wehr mit zwei Firmen in Verhandlung,
welche eine solche Ausnahmemobilie bauen können und wenn alles gut
geht, soll der etwa 3,50 mal sechs Meter lange Container, der auf
einen bei der Wehr vorhandenen Wechsellader aufgesetzt werden kann, im
Frühjahr 2021 fertig sein.

Der „Raum der Stille“ kommt dann bei zum Beispiel schweren
Autobahnunfällen zum Einsatz: Hier ziehen sich Aufräum- und
Ermittlungsarbeiten oft viele Stunden und unverletzt Beteiligte sowie
Einsatzkräfte können sich mit einem Notfallteam zu Gesprächen
zurückziehen.

Grundsätzlich soll der Container der Betreuung von Betroffenen oder
Einsatzkräften dienen, als kurzfristige Unterbringung von evakuierten
Personen nach Unglücksfällen (zum Beispiel nach Busunfällen oder
Hausbränden in Mehrfamilienhäusern) und als psychosoziale
Unterstützung (PSU) von Betroffenen, Angehörigen und/oder
Einsatzkräften während und nach Einsatzes.

Dazu kommt die Möglichkeit zum Kleiderwechsel, damit eine Gefährdung
der Feuerwehrangehörigen durch eine Kontaminationsverschleppung nach
Brandeinsätzen vermieden wird.

Neben den Sitzmöglichkeiten und dem Tisch werden im Container
Hygieneartikel, Handtücher, Wechselbekleidung (T-Shirts und
Trainingsanzüge) sowie einige Sätze Brandschutzbekleidung
(Poolkleidung) vorhanden sein.

Auch wird es Aufbewahrungsorte für persönliche Gegenstände,
Müllbeutel und wasserlösliche Kleidersäcke geben, eine Küchenzeile
mit Kochfeld, Spüle, Kühlschrank sowie Kaffeemaschine, eine Heizung,
eine Spielzeugecke für Kinder, Radio, Beamer und HD-Satelliten-TV und
eine autarke Strom- und Wasserversorgung sowie noch vieles mehr.

Der Container wird neben den für die Wesselinger Wehr
erkennungstypischen Merkmalen eine große Besonderheit haben, nämlich
einen eigenen Namen: „Sven Fischenich“ soll er heißen. „Ein
Stück Sven, woran man sich immer wieder erinnert“, so
Bürgermeister Erwin Esser bei der Projektpräsentation.

Denn Sven ist und bleibt unvergessen - auf der Wache am Kronenweg so
sehr, dass er einen eigenen Gedenkschrank im Aufenthaltsraum der
Wehrleute hat: Hier haben sein Anzug, sein Helm und sogar seine
schweren Stiefel einen kleinen Platz für die Ewigkeit gefunden, dazu
ein Foto des Verstorbenen und zwei Schutzengel für ihn.

„Er fehlt uns hier, wirklich. Er war eine Führungspersönlichkeit,
wir könnten ihn jetzt gut gebrauchen“, sagt Brandrat Bach beim
Verweilen mit mir am Gedenkschrank. Uns beiden sitzt ein tiefer Klos
im Hals, schweigend gehen wir den Weg zurück.

Beim Verlassen der Wache am Kronenweg muss ich an das denken, was
Jürgen Fischenich beim Pressetermin im Rathaus berichtet hatte: Svens
Freunde stellen bei gemeinsamen Festen gerne ein – leeres -
Weißbierglas mit auf den Tisch.

Denn auch bei seinen Freunden ist Sven unvergessen, ebenso wie bei den
Karnevalisten, ihm zum Gedenken hatte Prinz Tommi I. in seinen Orden
ein „SF“ eingravieren lassen, denn eigentlich sollte Sven
Fischenich Karnevalsprinz 2020 werden. 

Sein Helm, sein Namensschild, zwei Schutzengel, das Foto und auf dem Bild nicht ganz sichbar die Feuerwehrkleidung sowie die schweren Stiefel: Auf der Wache am Kronenweg hat Sven Fischenich einen eigenen Gedenkschrank. | Foto: Montserrat Manke
Brandamtsrat Andreas Braun, Brandrat und Feuerwehrchef André Bach, Jürgen und Brigitte Fischenich und Bürgermeister Erwin Esser (von links) stellten das Projekt „Raum der Stille“ vor.  | Foto: Montserrat Manke
Redakteur/in:

Montserrat Manke

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