Pendler-Wahnsinn im November
Stau-Stadt Köln - Warum sich derzeit alles knubbelt

Blick vom Kalker Tunnel über die staugeplagte B55a in Richtung City. | Foto: Thilo Schmülgen
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Staumonat November: Pendelnde Arbeitnehmer aus oder nach Köln beißen dieser Tage wieder vermehrt vor Zorn ins Lenkrad. Wer dagegen auf den Zug umsteigt, muss sich oftmals wie in Tokio in übervolle Bahnen quetschen. Warum ist der Spätherbst immer die schlimmste Zeit auf Straße und Schiene – und all das trotz so viel mehr Homeoffice als in der Zeit vor Corona?

Köln. Vergangene Woche hat das Statistische Landesamt IT.NRW seine jährliche Pendlerstatistik für das Vorjahr veröffentlicht. Die Zahlen für Köln sind einmal mehr gestiegen (siehe Tabelle). Ein Trend, der nur durch die beiden Coronajahre leicht abgebremst wurde. Im Jahr 2022 pendelten regelmäßig 357 299 Menschen an ihren Kölner Arbeitsplatz und weitere 173 232 pendelten aus Köln hinaus.

Eigene Darstellung. | Foto: EDW

Diese Zahlen gelten natürlich für alle Fortbewegungsarten. Doch ist es derzeit egal, ob man als Pendler das Auto oder den ÖPNV nutzt: Überall ist es brechend voll, wird der Arbeitsweg zur Geduldsprobe.
Übrigens: Im Stau-Land NRW pendeln täglich an die fünf Millionen Menschen jeden Tag zur Arbeit – auch diese Zahl ist gewachsen und betrifft natürlich vor allem die Ballungsräume. Kölns Bevölkerung etwa wächst an Werktagen. Obwohl immerhin 30 Prozent der Pendler, also laut IT.NRW 173 232 Personen, jeden Tag die Stadt verlassen, kommen mehr als doppelt so viele von außerhalb der Stadtgrenzen wieder dazu. Unter der Woche ist also fast jede sechste Person in Köln ein Berufspendler aus der Region.
Ein Blick auf den Mikrozensus für NRW mit Daten von 2020 zeigt zudem, dass das Auto nach wie vor wichtigstes Verkehrsmittel für Pendler ist. Gut 70 Prozent der Menschen nutzen den eigenen Wagen für ihren Arbeitsweg.

Doch warum ist die Lage gerade im November immer so katastrophal?
Zunächst die allgemeinen Verkehrsbrems-Gründe, die für jeden November gelten. Ganz vorn: die Witterung. Denn Klimawandel hin oder her – auf den November ist meist noch Verlass. Nasskaltes, graues Wetter, Nebel, mancherorts schon erster Bodenfrost. Dazu kommt das fehlende Tageslicht. Morgens und abends ist es noch dunkel auf den Straßen, das führt zu schlechter Sicht, einem langsameren Verkehrsfluss und mehrt die Unfallzahlen. Das Wetter sorgt auch dafür, dass die sportlichen unter den Pendlern, die ihre tägliche Strecke auch gerne mal mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigen, ebenfalls lieber mit dem Auto fahren.
Erklärung Nummer zwei für den Staumonat November: So gut wie alle müssen arbeiten. Die Urlaubstage der Arbeitnehmer sind entweder schon aufgebraucht oder werden für die Weihnachtstage gespart.
Homeoffice
Schön und gut, doch warum wirkt sich das Arbeiten im Homeoffice nicht auf die Verkehrslage rund um Köln aus? Laut dem Statistischen Bundesamt arbeiteten im vergangenen Jahr 24,2 Prozent aller Erwerbstätigen gelegentlich von zu Hause aus. Das Münchener ifo-Institut ermittelte vor wenigen Monaten, dass 61 Prozent der deutschen Unternehmen Homeoffice-Regelungen anbieten. Damit liegt Deutschland auf dem zweiten Platz in Europa. Nur die Briten arbeiten noch ein wenig öfter von daheim aus. Experten gehen im Übrigen davon aus, dass die Homeoffice-Quote hierzulande in den nächsten Jahren sogar noch ansteigen wird.
Was machen die also im November alle auf den Straßen und in den Zügen?
EXPRESS – Die Woche hat bei Stauforscher Michael Schreckenberg (67) von der Universität Duisburg-Essen nachgefragt. „Flexiblere Arbeitsbedingungen sorgen für mehr Pendlerverkehr, das fällt eben gerade im November auf“, so Schreckenberg. Laut dem Verkehrsforscher habe sich das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs nicht an die neue Arbeitswelt nach Corona angepasst.

Stauforscher Michael Schreckenberg. | Foto: zVg

„Früher gab es zwei Spitzenzeiten im Berufsverkehr: morgens und abends. Jetzt machen viele halbe Tage im Büro, fahren mittags schon ins Homeoffice oder anders herum. Zu diesen Zeiten gibt es aber keine höhere Frequenz im Bahnnetz.“ Die Folge liege auf der Hand: „Die Menschen steigen dann lieber wieder ins Auto. Wer flexibel arbeitet, braucht auch die Möglichkeit, flexibel pendeln zu können.“               (alk.)

Redakteur/in:

EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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