Auch Laienensembles leiden unter fehlenden Konzerteinnahmen
„Fast alles ist abgesagt"

Gertrud Jansen-Tappeser und Hans Kesenheimer vom Kölner Mandolinenorchester Harmonie. | Foto: Hermans
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Köln - (hwh). Seit 70 Jahren ist er Mitglied der „Harmonie“, eine
stolze Zahl. Doch viel lieber hätte Hans Kesenheimer in diesem Jahr
das kölsche Jubiläum des Mandolinenorchesters von 1909  gebührend
gefeiert. Schon weil es das letzte seiner Art in der Domstadt ist,
hätte es zum 111-jährigen Bestehen reihenweise auf Veranstaltungen
auftreten sollen. Als Höhepunkt der Festivitäten war das
Herbstkonzert vorgesehen, das wie in jedem Jahr im
Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in der Severinstraße stattfinden sollte
– diesmal etwas größer.

Doch ausgerechnet im Jubeljahr kam Corona, und mit dem Virus kamen die
Probleme. „Weihnachtsmarkt, Seniorenheime, Folklore-Festivals - fast
alle Konzerte sind abgesagt“, berichtet der 84-Jährige.  Wichtig
und gut sei es, so Kesenheimer, dass die Medien häufig über die
Probleme von Unternehmen und Selbstständigen berichten, die in der
Unterhaltungsbranche tätig sind. Vergessen würden aber häufig die
Schwierigkeiten, vor denen derzeit zahlreiche Laiengruppen und -chöre
stehen, die auf Konzerteinnahmen angewiesen sind: „Wir haben
schließlich auch Unkosten, unser Dirigent ist ein Profi-Musiker, wir
müssen Miete für den Proberaum zahlen und Noten beschaffen. Über
unseren Jahresbeitrag, der 72 Euro beträgt, ist das bei 24
Mitgliedern nicht zu finanzieren.“ Noch sei Geld in der
Vereinskasse, aber die Ebbe sei absehbar.

Vom Kulturamt gebe es nur Geld, wenn ein Ensemble mindestens 24
Auftritte pro Jahr vorweisen kann, erzählt Querflötistin Gertrud
Jansen-Tappeser. Die „Harmonie“ komme auf etwa 15.  Schwierig
seien auch die Proben geworden, in „ihren“ Raum im
Quäker-Nachbarschaftsheim dürfen aufgrund der Hygienebestimmungen
derzeit nur sechs Leute: „Bei uns sind es aber immer 15 bis 20.“
Deshalb habe das Mandolinenorchester im Sommer im Garten der
Kesenheimers in Longerich geprobt: „Die Nachbarn haben sich sogar
darüber gefreut und applaudiert“, erzählt der Hausherr stolz.

Jansen-Tappeser ist besorgt, weil die ständige Unsicherheit zum
Rückzug von Mitgliedern führen könnte. „Die nehmen jetzt schon
zum Teil lange Anfahrtswege auf sich, einige kommen aus Jülich oder
dem Vorgebirge.“
Denn die einst große Tradition der Mandolinenorchester ist in vielen
Städten und Regionen ebenso ausgestorben wie andere Teile der
Handwerker- und Arbeiterkultur. „Die Mandoline war ja die Geige des
kleinen Mannes“, erläutert Hans Kesenheimer, der selbst von Beruf
Schreiner ist und sein Instrument selbst gebaut hat. Konzerte seien
stets auch eine Chance, Nachwuchs anzuwerben, auch das entfalle nun.
Einige Interessenten kämen allerdings mit falschen Erwartungen,
berichtet Hans Kesenheimer amüsiert: „Die wollen so spielen wie
Hans Süper. Ist ja auch toll, was der macht, er ist ja sehr
musikalisch. Aber vollkommen unorthodox: Er spielt Griffe, die es gar
nicht gibt. So etwas kann man bei uns leider nicht  lernen.“
Infos gibt es auf
www.koelner-mo-harmonie.de

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