Crack, Chaos & Kirche
Ein ganzes Veedel kämpft mit der neuen Drogenszene

- Alltag auf der Venloer Straße: Eine Person bettelt in Höhe der Haltestelle Körnerstraße.
- Foto: Arton Krasniqi
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Der Kirchplatz von St. Joseph in Ehrenfeld ist zu einem Brennpunkt der Kölner Drogenszene geworden. Offener Crack-Konsum, Gewalt und Verwahrlosung prägen das Bild – mitten in einem belebten Wohnviertel. Bei einer Informationsveranstaltung in der Kirche fordern Anwohner und Behörden gemeinsam Lösungen für die wachsende Krise im Herzen des Veedels.
Ehrenfeld. Es ist ein Abend, der lange nachhallen dürfte. Die Kirchenbänke von St. Joseph an der Venloer Straße sind bis auf den letzten Platz besetzt, doch es ist kein Gottesdienst, der die Menschen versammelt. Es geht um Angst, Ärger und die Frage, wie lange ein Viertel noch hilfsbereit bleiben kann, wenn der Ausnahmezustand Alltag wird.
Bezirksbürgermeister Volker Spelthann (Grüne) hat zum Informationsabend geladen. Mit dabei: Vertreter von Stadtverwaltung, Ordnungs- und Gesundheitsamt, Polizei, Streetworker – und viele besorgte Bürgerinnen und Bürger aus Ehrenfeld. Der Grund: Die Kirche ist zum neuen Zentrum der Kölner Drogenszene geworden. Und der Stoff, der dort konsumiert wird, heißt Crack.

- Bezirksbürgermeister Volker Spelthann (rechts) hatte zu der Veranstaltung eingeladen.
- Foto: privat
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Die Ursache ist bekannt: Weil an Brennpunkten wie dem Neumarkt oder Friesenplatz verstärkt kontrolliert wird, weicht die Szene aus. In Ehrenfeld trifft sie auf ein tolerantes Klima, zentrale Infrastruktur – und auf den Kirchplatz von St. Joseph, direkt an der viel frequentierten Körnerstraße. Seit Monaten schon beobachten Anwohner die Folgen: Drogenkonsum am hellichten Tag, Alkoholgelage, Schlägereien, Verwahrlosung. Selbst Kinder aus der benachbarten Kita werden regelmäßig Zeugen des Geschehens. Der Betreiber einer Bar in der Nähe klagt über menschliche Ausscheidungen auf der Straße, Übergriffe auf sein Personal – und über Gästeschwund.
Ein Streetworker bringt es auf den Punkt: Gut gemeinte Hilfe – etwa durch Geld oder Essen – könne die Situation verschärfen. Crack sei extrem billig, jede Spende könne die nächste Dosis ermöglichen. „Es hilft nicht, die Menschen über den Tag zu retten“, sagt er. Hilfe müsse professionell und freiwillig sein. Auch Spelthann stimmt zu: „So hart es klingt – kein Geld zu geben, ist oft besser.“ Es sei ein Fehler, die Szene aus dem Zentrum zu vertreiben, weil sie dort wenigstens in der Nähe städtischer Hilfsstrukturen sei.
Die Stadt hat erste Maßnahmen ergriffen: Mehr Zivilpolizei, tägliche Reinigung des Vorplatzes durch die AWB, in Einzelfällen sogar mehrfach täglich. Doch das ist Symptombehandlung, keine Lösung. Spelthann fordert ein „gesamtstädtisches, auch räumliches Konzept“. Die Stadt müsse Orte definieren, an denen sich die Szene aufhalten kann, ohne Anwohner zu gefährden – und zugleich Zugang zu Hilfe bekommt.
St. Joseph soll kein Mahnmal der Hilflosigkeit werden. Doch solange das Viertel zwischen Mitgefühl und Überforderung steht, bleibt der Kirchplatz ein Sinnbild für die soziale Krise, die längst über die Schwelle der Kirche hinausgewachsen ist. (mit Ayhan Demirci)
Crack: Was ist das eigentlich?
Crack ist eine besonders gefährliche, rauchbare Form von Kokain, die durch chemische Umwandlung entsteht. Der Name leitet sich vom knisternden Geräusch beim Erhitzen ab („to crack“).
Wirkung: Die Droge wirkt extrem schnell – binnen Sekunden – und löst einen intensiven, aber nur kurz anhaltenden Rausch aus. Typisch sind Euphorie, Überdrehtheit, aber auch Angstzustände und Halluzinationen.
Risiken: Crack gilt als hochgradig suchterzeugend. Bereits wenige Konsumeinheiten können abhängig machen. Folgen sind oft schwere psychische Störungen, aggressive Ausbrüche, körperlicher Verfall und soziale Isolation.
Verbreitung: In Großstädten erlebt Crack seit einigen Jahren eine besorgniserregende Renaissance – oft unter besonders prekären Lebensbedingungen.


Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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