Stadtgeschichte
Die Königin bittet zur Audienz

In voller beeindruckender Schönheit: Die Münsterorgel. | Foto: Harald Weller
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  • In voller beeindruckender Schönheit: Die Münsterorgel.
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Bonn - Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die Orgel im Bonner
Münster. Die und den Weg von der Vergangenheit in die Gegenwart
lässt Münsterkantor Markus Karas bei seinen beliebten
Orgel-Führungen lebendig erfahrbar werden. Bei seiner aktuellen
musikalischen Reise waren 50 Interessierte dabei. Und begeistert.

Diesen Moment wird der Junge nicht vergessen: Markus Karas lädt ihn
ein, neben ihn an den Spieltisch zu kommen und einen Ton zu halten.
Und die Orgel macht, was sie immer macht: Der Wind drückt in den
Windkasten, Elektromagnete schnappen zu, Ventile öffnen sich, und: Es
erklingt ein zwerchfellhebender anhaltender Basston. Was so eine
mächtige Orgel mit mehr als 5.000 Pfeifen (5112 genau) vermag, muss
man erlebt haben.

Aber verweilen wir zunächst beim äußeren Eindruck, bleiben wir beim
Werk des Bildhauers Manfred Saul. Der schmückte die Orgel mit Motiven
aus massiver Eiche. Er zeigt Bilder aus dem Alltag. Etwa Christiaan
Barnard bei seiner ersten Herztransplantation. Die Motive sind nicht
ins Holz geschnitzt: Das schafft bei massiver Eiche niemand. Da war
schon Bildhauerwerkzeug vonnöten. Hier wird gezeigt, dass eine Orgel
mit ihren Zeiten lebt. Eben nicht die Ewigkeit, sondern der Alltag
wird dargestellt. So entwickelt sich die Orgel mit den Menschen, für
die sie gebaut ist. Das war die Absicht des Bildhauers, das wird klar.

Und dann der Klang des Instruments, das ja, wie man sagt, die Königin
aller Instrumente ist: Mal mächtig, mal feinsinnig, mal tiefgründig,
mal jubilierend, mal schmetternd mit den Spanisch-Hörnern, mal
begleitend-schwebend. Dann wieder zart und geradezu lyrisch. Aber nur,
um im nächsten Moment donnernd loszubrausen. „Ich kann die Tonhöhe
kaum beeinflussen. Das geht nur richtig bei einer mechanischen Orgel",
sagt der Kantor. Er kann also nicht wie beim Piano in wechselnder
Lautstärke und Tonhöhe spielen. Bei Könnern wie bei Markus Karas
merkt man dieses Manko aber nicht. „Dafür ist die Arbeit nicht so
anstrengend", sagt der Kantor. Werden die Ventile dagegen von Hand
bedient, artet das Spiel in harte körperliche Arbeit aus.

Was so eine Orgel vermag? Nun, ihrem Zauber vermag sich niemand zu
entziehen. Auch die Besucher de Führung nicht: „Was wird bloß
danach", fragt ein älterer Herr nachdenklich mit Tränen in den
Augen. „Hier sind viele alte Männer auf der Orgelempore. Aber wo
sind die Jungen", fragt er. „Wie soll das Wissen, von Generation zu
Generation weitergegeben werden, greifen, wenn sich keiner mehr für
Orgeln interessiert?" Andere sind vom exklusiven Besuch der
Orgel-Empore fasziniert: „So habe ich mir das nicht vorgestellt. Das
ist ein einmaliges Erlebnis", kommentiert Peter Frings. „Das ist
schon schön", meint Peter Krolle verzückt. „Da fährst du überall
hin, um so was zu erleben. Und hier Zuhause hast du was viel
Besseres", meint Agnes Frings.

Die Orgel aus dem Bonner Haus Klais hat vier Manuale, d.h., hier
handelt es sich eigentlich um vier Klaviere, Orgeln, übereinander.
Sie hat 69 Register, also zu aktivierende Klangkombinationen in Form
von wählbaren Pfeifenzusammenstellungen. Die heißen beispielsweise
Trompete oder Gemshorn. Oder Prinzipal.

Die Münsterorgel wurde 2001 zum letzten Mal generalüberholt. Die
nächst Sanierung steht demnächst an. Da muss vor allem der Antrieb
erneuert werden. „Der ist irgendwann heiß gelaufen, weil ein
Kollege vergessen hat, ihn auszuschalten", sagt Markus Karas. Das
Wirkprinzip ist abhängig von einem Antrieb, wenn man so will einer
Windmaschine. Im Fall des Münsters einem Elektromotor. Der drückt
Wind in die Windschublade. Von dort aus wird der Winddruck für die
Ventile abgerufen. Und dann geht‘s los. Die Münsterorgel, die
größte Kirchenorgel in der Region, zeigt, was sie kann: Menschen
verzaubern. Natürlich auch, legitim in einer Kirche, den Glauben an
Übernatürliches erfahrbar machen. Denn dass dieser betörende Klang
von Menschenhand geschaffen ist, glaubt ja eh keiner.

„Ich spiele auch oft Jazz und Pop neben den klassischen Stücken",
sagt Markus Karas, der das Improvisieren liebt. Das bloße Nachspielen
von Noten ist eigentlich seine Sache nicht. Damit seine Orgel mit der
Zeit geht und ohne auf eine einzige Musikrichtung fixiert zu sein. Um
zu zeigen, dass sie lebt. „Musik muss Spaß machen", ist er
überzeugt. Vor 2000 Jahren als eine Art Wasserpumpe entwickelt, ist
die Orgel heute so zeitgemäß wie je. „Sie muss aber regelmäßig
erklingen", so der Kantor. Die Akustik im Münster ist klasse. Also
nichts wie hin zum nächsten Konzert. Sie werden eine Königin hören.
die Königin der Instrumente.

Übrigens: Sie kann auch jauchzen, die alte junge Lady ...

- Harald Weller

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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