Chronische Schmerzen
Wenn Schmerzen nerven, schmerzen oft die Nerven

- Ralf Trogemann leitet die Abteilung Schmerztherapie an der Helios Klinik Wipperfürth
- Foto: Helios Klinik Wipperfürth
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Schätzungsweise drei bis fünf Millionen Menschen leiden in Deutschland an neuropathischen Schmerzen. Diese Schmerzform entsteht durch eine Schädigung der Nerven. Wie man an der Helios Klinik Wipperfürth dieses spezielle chronische Leiden diagnostiziert und therapiert, konnten Betroffene und Angehörige im Rahmen eines Fachvortrags erfahren.
„Warum wirken bei mir keine Schmerzmittel mehr?“, „Wie lange beträgt die Wartezeit für einen Platz in der stationären Schmerztherapie?“, „Gehen chronische Schmerzen überhaupt jemals wieder weg?“
Diese und viele weitere Fragen brannten den mehr als hundert Besucherinnen und Besuchern, die Mitte Juli dem Vortrag „Wenn Nerven schmerzen: Moderne Therapiemöglichkeiten bei neuropathischem Schmerz“ von Ralf Trogemann beiwohnten, unter den Nägeln. Viele von ihnen beschreiten bereits einen langen Leidensweg, wie sich in der offenen Fragerunde nach dem Vortrag herausstellen sollte. Die Frage nach einer vollständigen Heilung musste der Leitende Arzt der Abteilung für Schmerztherapie an der Helios Klinik Wipperfürth mit einem klaren Nein beantworten. Wenn der Schmerz bereits mindestens drei bis sechs Monate anhält, so der Experte, dann sei er bereits chronisch geworden und gehe nicht mehr weg. Dann müsse man Strategien entwickeln, diesen zu umzugehen. Um das zu erleichtern, gebe es verschiedene medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungsoptionen.
Mit Schmerzen leben
„Dafür hält die moderne Schmerztherapie gerade bei neuropathischen Schmerzen aber viele vielversprechende Behandlungsmethoden bereit, die auch ein Leben mit chronischen Schmerzen wieder erträglich und lebenswert machen“, machte Trogemann den Betroffenen Mut.
Aber was ist das Charakteristische für die neuropathische Schmerzform? Typisch dafür sei ein elektrisierender Schmerz, Kribbeln oder Brennen an den betroffenen Körperpartien, erklärt Trogemann, der seit zehn Jahren die Schmerztherapie in Wipperfürth leitet. Ursächlich dafür sei eine Schädigung oder Fehlfunktion der Nerven. Damit unterscheide der Nervenschmerz sich grundsätzlich von Schmerzen, die durch eine Entzündung oder eine Gewebeschädigung auftreten, und die mit den gängigen Schmerzmitteln gut behandelbar sind.
„Auslöser für neuropathische Schmerzen können Bandscheibenvorfälle, Diabetes, eine Chemotherapie oder auch Gürtelrose sein. Der Schmerz verselbständigt sich dabei, ohne dass es einen äußeren Schmerzanlass gibt“, beschreibt Trogemann die Ursachen.
Moderne Therapieansätze ohne Chemie
Ganz besonderes Interesse rief die Vorstellung der modernen Therapieansätze als Alternativen zu Schmerzmitteln hervor. Häufig klagen Patienten, dass diese bei ihnen nicht oder nicht mehr anschlagen, sie mit den Nebenwirkungen nicht zurechtkommen oder gar davon abhängig geworden sind.
Dazu muss man wissen: Die Helios Klinik Wipperfürth ist seit April offiziell ein spezialisiertes Zentrum für Neuromodulation. Unter den Begriff „Neuromodulation“ versteht man zusammengefasst verschiedene Verfahren, bei denen so genannte „Schmerzschrittmacher“ die geschädigten Nerven durch elektrische Reize stimulieren. Damit werden die Aktivitäten von Nervenzellen gezielt beeinflusst. Ziel ist es, gestörte neuronale Signale zu regulieren und so Schmerzsymptome zu lindern.
„Bei diesem Verfahren werden die medizinisch korrekt bezeichneten „Spinal Cord Stimulators“ (SCS) in einem minimalinvasiven Eingriff implantiert. Wir starten zunächst mit einer einwöchigen Testphase“, erläutert Trogemann die Herangehensweise. Unter örtlicher Betäubung würden dabei feine Elektroden in der Rückenmarkregion eingebracht. Diese Elektrode sei mit einem externen Stimulator verbunden, den der Patient am Körper trägt.
Erweist sich die erzielte Schmerzreduktion in der Testphase als ausreichend, erfolgt eine dauerhafte Implantation eines Komplettsystems.
Ein kleines Impulsgerät, der „Schrittmacher“, wird dabei unter die Haut eingesetzt – meist im Gesäßbereich, seltener im Bauch. Die Verbindung von Elektrode und Impulsgeber erfolgt dabei über ein unter der Haut liegendes Kabel. Nach dem Eingriff wird das Gerät programmiert und individuell auf die Schmerzregion eingestellt.
„Bei 85 Prozent der behandelten Patientinnen und Patienten erzielen wir damit eine signifikante Schmerzreduktion“, bezifferte Trogemann die Erfolgsaussichten, bevor er das Publikum in den regnerischen bergischen Sommerabend verabschiedete.
Fazit des Abends: Die Zahl der Menschen mit neuropathischen Schmerzen ist auch im Oberbergischen Kreis groß, was das große Besucherinteresse dieses Themenvortrags verdeutlicht. Die Nachfrage nach Therapieplätzen übersteigt jedoch das Angebot. Viele Betroffene blicken auf einen langen Leidensweg zurück und erhoffen sich insbesondere von den verschiedenen Möglichkeiten der Neurostimulation eine Verbesserung ihrer Situation.
Sekretariat der Klinik für Schmerztherapie an der Helios Klinik Wipperfürth
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 08:30 bis 11:30 Uhr
Dienstag und Donnerstag, 13:00 bis 15:30 Uhr
Tel: 02267 889 130
E-Mail: schmerztherapie.wipperfuerth@helios-gesundheit.de
LeserReporter/in:Marco Wehr aus Wipperfürth |
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